Weihnachtspause

Es ist passiert: Alle Türchen der Adventüden haben sich geöffnet, alle sind bejubelt und/oder beweint worden, haben Freude, Entzücken und Entsetzen ausgelöst, haben zu Gelächter und Nachdenken eingeladen. So unterschiedlich, so schön.

Und weil das so ist, gibt es jetzt hier noch mal die Liste zum Nachlesen, falls ihr was verpasst habt.

28.11. Mirakel
29.11. Trau, schau, wem …
30.11. Fahrt ins Ungewisse
01.12. Eistee statt Glühwein
02.12. Ein ganz besonderes Lachen
03.12. Die unergründliche Welt der Mathematik
04.12. C+M+B III
05.12. Marzipanschweine
06.12. Das erste Mal
07.12. Fernweh
08.12. Glitzerstadt
09.12. Vanillekipferlflocken
10.12. Seine Mutter
11.12. Monster-Weihnachten
12.12. Weihnachtskonzert
13.12. Ein unerwartetes Treffen im Park
14.12. Auf der Bank
15.12. der weg scheint weit
16.12. Stille Nacht
17.12. Das Wesentliche
18.12. Stille Nacht
19.12. Fräulein Honigohr und die Weihnachtsfeier
20.12. O du Schreckliche
21.12. Das andere Weihnachtsfest
22.12. Der Doppelgänger
23.12. Ich wollte doch nur den Baum holen
24.12. Nacht der Wunder

Ich danke allen, die Teil der Adventüden waren, aktiv oder passiv, als Schreiber*innen, Kommentator*innen, Leser*innen und Liker*innen. Schön, dass ihr da wart, für euch, für uns alle passiert das hier. Frische Begriffe für die Etüden gibt es wieder am 2. Januar 2022, ich zähle auf euch.


Mein Blog geht jetzt langsam in den Feiertagsmodus: Ich mache ihn nicht zu, auch zwischen den Jahren nicht, denn natürlich werde auch ich weiter durch die Blogs bummeln, aber ich lasse ihn liegen, bis ich Lust habe, mich darum zu kümmern … ich habe ein großes Bedürfnis nach Wärme und Couch.

Kommt gut und heil und entschleunigt durch diese Tage, mögen sie bei euch stressfrei und geruhsam ausfallen, und passt auf euch auf.

 

Weihnachtskarte 2021 | 365tageasatzaday
Quelle: ich meiner selbst, aber so was von!

 

Adventüden 2021 24-12 | 365tageasatzaday

24.12. – Nacht der Wunder | Adventüden

Sturmwolkenblau«, sagt Søren, der Elch, zu Ziegenbart, dem begnadeten Kutscher des Fliegenden Rentierschlittens. »Schneien wird’s kaum.«

»Bestenfalls Schneeregen zur Bescherung.«

Ziegenbart schaudert.

»Ach nee, was hat Rumpelquietsch nun wieder angestellt?«

Eine Polarkoboldin wankt um den Rentierstall, macht »Grpph!«, und stürzt Søren schlafend vor die Hufe.

»Wehe, das war das Marzipan, und dass sie mir nicht wieder den ganzen Glitzer vom Geschenkpapier gegnibbelt hat.«

»Nee, die riecht nach diesem widerlichen Eistee, den der Weihnachtsmann jüngst angeschleppt hat.«

»Und sechsundvierzig Packungen Aachener Printen! Irgendwann platzt sie!«

»Dafür kommt sie heute nicht mit.«

»Strafe muss sein«, bestätigt der Elch, ein Prinzip, über das er sich stets ohne großes Kopfzerbrechen hinwegsetzt.

Gleich beginnt sie, die schönste Nacht, die, in der die Weihnachtsgeschichten geschrieben werden und der Menschen Sehnsucht über Kuchenbleche weht. In der Nacht des 23. Dezember können die Rentiere endlich wieder fliegen. Für gewöhnlich trainiert Ziegenbart dann die Jungtiere und schaut von oben auf die erwartungsvolle Welt. Die Heilige Nacht ist die eigentliche Daseinsberechtigung der Crew, aber das Bescheren ist rechte Fließbandarbeit und lässt wenig Zeit für Wunder.

Der Wichtel schirrt die hampeligen Tiere geduldig ein und Rumpelquietsch erwacht aus ihrer Fressstarre: »Mitkommen!«

»Nein!« Ziegenbart versucht, streng zu klingen.

»Maaann«, kreischt die grün anlaufende Polarkoboldin. »Maaann … heult in die Aaatsche.«

»In was heult ein Mann?«, fragt Ziegenbart. »In Asche? Oder meinst du einen Aschenbecher?«

»In seine Aktentasche?«, schlägt Søren vor.

Es ist nicht rauszukriegen. Grün wird zu Lila. »Keine Hoffnung … brauch Kekse … brauch Ziiiiiegenbart.«

Søren nickt, niemand kann mehr Hoffnung schenken als der sanftäugige Ziegenbart. Und niemand außer Rumpelquietsch kann Tränen auf Tausende von Kilometern riechen.

»Als ob wir noch Kekse hätten«, brummt Ziegenbart. »Komm halt, aber fall nicht vom Schlitten.«

Søren sieht ihnen liebevoll nach. Ein Weinender wird ein Weihnachtswunder erleben.


Autor*in: Natalie                            Blog: Fundevogelnest

 

Adventüden 2021 24-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 23-12 | 365tageasatzaday

23.12. – Ich wollte doch nur den Baum holen … | Adventüden

Schaaa-haaa-tz?« echot es durch den Flur, als ich am 23. Dezember den Weihnachtseinkauf in drei Tüten aus recycelten Einwegflaschen umsichtig durch die Wohnungstür wuchte. Klar, dass ich vor lauter Bratäpfeln und Marzipan trotzdem irgendwie den Kartoffelsalat vergessen habe. Ob ich nochmal losgehen sollte? Oder müsste?
So ziehen die Gedanken durch mein Hirn, als ich mit der viel wichtigeren Frage konfrontiert werde: »Schaaa-haaa-tz? Kannst du dann bitte gleich mal den Baum aus dem Keller holen und aufstellen? Ach ja, und bring auch den Weihnachtsschmuck mit. Ja, alle einundzwanzig Kisten! Du wirst mehrmals gehen müssen!«

Ich ringe mir ein freundliches »Logisch, ich stelle nur kurz den Einkauf hin!« ab, und setze mich in Bewegung.

Aber an der Stelle, an der ich normalerweise die Taschen ablade, stehen vier unterschiedlich große Teller mit Weihnachtsmotiven und Katzenfutter. Vier! Vier? Warum auch immer. Na gut, räumen wir sie in die Spüle. Das geht nun nicht, denn diese ist voller Backutensilien, die nach dem Keksherstellungsgroßeinsatz auf die Waschung warten. Gut, räumen wir also zuvor die Küche auf. Die leere Packung Eistee in den gelben Sa… wo ist der Eimer dafür?

»Im Bad! Ich musste den auswaschen! Der roch nach Katzenfutterdosen! Wann holst du den Baum?«

»Halb-bald bis mittel-gleich!« antworte ich weise, um etwas Zeit und vorher den Eimer aus dem Bad zurückzugewinnen. Doch über den Eimer hat das Schicksal die Weihnachtstischdecke nach dem Schonwaschgang ausgebreitet, die dort trocknete und jetzt erst mal gebügelt werden muss. Wie lange war ich eigentlich einkaufen?

Um an das Bügeleisen zu kommen, muss ich noch flink das Regal im Flur durchforsten, aus der Kammer mit dem klemmenden Schloss die Verlängerungsschnur holen, dann außerdem … eine Stunde später liege ich aus unerfindlichen Gründen hinter dem Sofa mit einem Zollstock in der Hand und richte das Laminat.

Nur der Baum steht immer noch nicht.


Autor*in: René                                Blog: BerlinAutor

 

Adventüden 2021 23-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 22-12 | 365tageasatzaday

22.12. – Der Doppelgänger | Adventüden

Nachdem der Regionalzug dem Wetter zum Opfer gefallen war, hatte er gehofft, mit einer Kombination aus Bussen doch noch rechtzeitig zum Kartoffelsalat bei seinen Eltern anzukommen. Die ersten zwei Busse hatte er gut erreicht, doch nun stand er voller Sehnsucht auf ein warmes Zuhause im Nirgendwo. Der Bus hatte schon 30 Minuten Verspätung, aber ohne Handyempfang und mit einem graffitiverschmierten Fahrplan wusste er nicht, ob überhaupt noch ein Bus fahren würde.

Überraschenderweise sah er durch das Sturmwolkenblau des Weihnachtshimmels und den Schneeregen jemanden die Straße entlangkommen, die im Glitzer der Eiskristalle fast magisch aussah. Der Fremde schlüpfte in die notdürftige Geborgenheit des Wartehäuschens, stellte seine altmodische Aktentasche ab und pustete sich die Hände warm.

Er sah den Fremden an. Dieser drehte plötzlich den Kopf und erwiderte den Blick.

»Bevor Sie vor lauter Starren und Nachdenken Kopfschmerzen bekommen: Nein, ich bin es nicht. Ich bin nur ein Doppelgänger«, sagte er mit tiefer Stimme durch seinen falschen weißen Bart.

Er nickte.

Eine Zeit lang standen die beiden still nebeneinander, während der Wind eine Partitur der Einsamkeit pfiff.

»Wissen Sie, ob hier heute noch ein Bus kommt?«, fragte er den Fremden.

Der Fremde zögerte, griff in seine Tasche und zog etwas hervor. »’nen Marzipan-Keks?«

Er stutzte, aber griff dann zu. Wie gerne hätte er jetzt einen heißen Kaffee dazu gehabt, doch in seinem Rucksack befand sich nur eine Dose Pfirsich-Eistee.

Ein Duft von Bratäpfeln zog in seine Nase. Er sah sich erneut um, doch er war allein. Da erblickte er ein paar Scheinwerferaugen, die sich durch den Schneeregen kämpften. Gerettet, dachte er und betrachtete den Fleck, auf dem gerade noch der Fremde gestanden hatte. Dort lag ein kleiner lächelnder Weihnachtsmann als Weihnachtsschmuck für einen Christbaum. Er hob ihn auf.

»Danke, Doppelgänger«, sagte er und stieg in den Bus.


Autor*in: Christian                         Blog: Wortverdreher

 

Adventüden 2021 22-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 21-12 | 365tageasatzaday

21.12. – Das andere Weihnachtsfest | Adventüden

Wir waren eingeladen wie die Jahre zuvor. Der begüterte Zweig der Familie lud zum piekfeinen Weihnachtsessen. Lustig und fein? Nein, vielmehr eine Zurschaustellung von Reichtum und Dekadenz, was die werte Verwandtschaft an den Tag legte. Die Tante hatte einen reichen Mann geheiratet, niederer Adel zwar, aber immerhin Adel. Die gesamte Familie sollte zusammenkommen, die Schwestern der Tante, es waren ihrer insgesamt drei, deren Kinder (dazu zählte ich), Partner, Kindeskinder. Es wuselte nur so. Die adelige Familie saß wie üblich im heimeligen Prunksaal, der Rest im angrenzenden Speisesaal, immer noch prächtig, aber längst nicht so gemütlich. Ein Unterschied musste schließlich sein. Sie hatte eingeladen, aber all diese Mäuler zu stopfen bescherte ihr Kopfzerbrechen, denn der reiche Onkel war längst nicht mehr so reich wie früher.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis irgendwer trockene Kekse herumreichte, das versprochene Festessen ließ auf sich warten. Keiner wusste, ob der unbezahlte Koch das Geschirrtuch hingeschmissen hatte oder etwas anderes schuld war. Die Kinder wurden quengelig und die Erwachsenen murrten.

Die Tante gab sich unbeirrt arrogant, beklagte Undankbarkeit, es wäre doch ein wunderbares Fest. Der Missmut nahm zu und lange schwelende Konflikte brachen hervor.

Ich, normalerweise die Vernünftige, hatte genug von dem Tamtam, verabschiedete mich und erklärte, dass ich nach Hause führe und den Grill anheizen würde. Es war Dezember, der Schnee lag hoch, man hielt mich für verrückt. Aber verrückter als die neureiche Tante konnte ich wohl auch nicht sein.

Der Großteil der Familie schloss sich an, wir verließen das Herrenhaus, es reichte uns. Jemand organisierte Kartoffelsalat, andere brachten Bratäpfel und Marzipan. Diverses Grillgut fand seinen Weg auf meine Terrasse. Sturmwolkenblau leuchtete der nächtliche Himmel über uns, die angezündeten Fackeln spendeten schwaches Licht, die Kinder tobten im glitzernden Schnee. Wir sangen Weihnachtslieder, zitterten dabei vor Kälte und tranken Glühwein.

Es war das allerschönste Weihnachtsfest aller Zeiten!


Autor*in: Veronika                        Blog: vro jongliert

 

Adventüden 2021 21-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 20-12 | 365tageasatzaday

20.12. – O du Schreckliche | Adventüden

Es war Freitag, der 24.12. Heiligabend. Während sich alle in ihre jährlichen Glitzer-Outfits warfen, lag sie auf ihrer Couch im Schlafanzug. Wie sie Weihnachten hasste; sie, als Single ohne Familie und Kinder. Wenigstens musste sie keine übertriebene Dankbarkeit für unnütze Geschenke wie eine Aktentasche schauspielern, Geschenke, bei deren Übergabe man »Ah« und »Oh« ausruft, während man gedanklich schon einen Platz im Keller für sie sucht.

Sie seufzte, ihr tat der Magen weh. Sie hatte sich hemmungslos überfressen; statt einem Gefühl von Geborgenheit verspürte sie ein Völlegefühl. Kein Wunder nach den ca. 50 Keksen, die sie aus lauter Frust in sich hineingestopft hatte, nachdem sie Statusmeldungen von Freunden wie »Ben-Hugo, Maria und Peter wünschen euch frohe Weihnachten« gelesen hatte. Sie rollte sich auf die andere Seite und zappte durch das Fernsehprogramm, sie blieb bei einem Weihnachtsfilm hängen, der eine fröhliche Familie beim Geschenkeauspacken zeigte.

In ihr tobte ein Schneeregen aus Traurigkeit, sie fühlte sich einsam und wünschte sich, zu jemandem zu gehören. Einem Jemand, der mit ihr Eistee trinkt und Kartoffelsalat isst. Frustriert stand sie auf, um sich eine Zigarette anzuzünden. Sie wollte auf andere Gedanken kommen, sich aus dem Negativkreislauf befreien.

Sie stand am Fenster und rauchte ihre Zigarette, dann erblickte sie ihr gespiegeltes Gesicht; sie begriff, dass sie nicht alleine war, denn sie hatte jemanden an ihrer Seite, der sie liebte – sich selbst. Daher beschloss sie, sich selbst etwas zu schenken; etwas, was sie jetzt brauchte und ihr gut tat. Und so lag sie 10 Minuten später einfach so auf ihrer Yogamatte; während andere im Kreise ihrer Lieben »O Tannenbaum« sangen, summte sie eine Melodie nur für sich – die Melodie zum Lied »Ich liebe mich«.


Autor*in: Lene                 Blog: HerzPoeten

 

Adventüden 2021 20-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 19-12 | 365tageasatzaday

19.12. – Fräulein Honigohr und die Weihnachtsfeier | Adventüden

Fräulein Honigohr nimmt einen winzigen Löffel Kartoffelsalat, dann guckt sie unentschlossen in den Punsch. Ihr ist nicht nach Punsch. Eigentlich auch nicht nach Kartoffelsalat, aber wenn sie schon mal hier ist, sollte sie wenigstens irgendetwas mitmachen. Sie hat bereits strafende Blicke geerntet, weil sie keine Lust auf Kekse hatte, den Begrüßungssekt zu süß fand und den Marzipanteller unberührt weitergereicht hat. Beim Smalltalk hat sie sich zusammengerissen, den unwillkommenen Flirtversuch elegant abgewehrt. Sie guckt den Weihnachtsschmuck vor ihrer Nase an. Ihr breitgezogenes Gesicht spiegelt sich wie in Rotwein getunkt.

»Honigöhrchen! Lust zu tanzen?«

Glühweingetränkter Atem weht ihr ins Ohr.

»Nein, wirklich nicht«, antwortet sie gereizt. Honigöhrchen! Frechheit! Irgendetwas muss in ihrem Blick gelegen haben, denn der Glühweintrinker sieht beleidigt aus.

»Du musst ja nicht«, murmelt er verschnupft und tritt den Rückzug an.

Fräulein Honigohr seufzt. Sie hätte nicht kommen sollen. Ihr ist heute einfach nicht nach Weihnachtsfeier. Es ist nicht kalt genug, das Jahr war lang, sie ist müde. Aber so miesepetrig sollte sie auch nicht sein, die anderen haben nämlich Spaß, das kann sie sehen. Sie starrt in die Weihnachtskugel. Ihr rotes Doppelgängergesicht starrt zurück. Fräulein Honigohr spitzt die Lippen, dann tippt sie die Kugel an.

»He, du«, flüstert sie, »hättest du Lust, da mal rauszukommen?«

Die Fräulein-Honigohr-Spiegelung reißt die Augen auf und nickt so enthusiastisch, dass die Kugel ins Schwingen gerät. Fräulein Honigohr lächelt und schließt kurz die Augen, dann sitzt sie in der roten Kugel und ihre Spiegeldoppelgängerin steht vor dem Punschtopf. Nur der breitere Mund verrät, dass da nicht das Original begeistert das Buffet abräumt und oben auf den Berg Kartoffelsalat noch einen Bratapfel legt.

»Tanz, meine Schöne«, flüstert Fräulein Honigohr und macht es sich in der roten Kugel gemütlich. Sie sehnt sich nach Sturmwolkenblau und Schneeregen. Ob die blaue Kugel neben ihrer roten schon belegt ist?


Autor*in: Tanja                               Blog: Stachelbeermond

 

Adventüden 2021 19-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 18-12 | 365tageasatzaday

18.12. – TRIGGERWARNUNG | Stille Nacht | Adventüden

CN: Tod; Gewalt; Missbrauch (nicht explizit).
Diese Adventüde geht nicht gut aus. Gar nicht gut.

 

24.12.2007, erster Ferientag in Berlin, Georgina wacht auf, der Duft warmer Bratäpfel steigt ihr in die Nase, ihre Oma ist schon lange in der Küche zugange, trifft die letzten Vorbereitungen zum Fest, sie sitzt am Küchentisch und bereitet den Kartoffelsalat zu, den es bei ihnen traditionell am Heiligen Abend gibt.

Ein Blech mit Omas Keksen, gefüllt mit Marzipan, steht schon bereit, in den Backofen zu wandern.

Georgina, das Nachthemd unter dem flauschigsten aller Bademäntel verborgen, holt die Partitur der 21 schönsten Weihnachtslieder aus der Aktentasche für die Klaviernoten, setzt sich ans Pianino und spielt das Gloria der Engel; sie freut sich so, Weihnachten hat, trotz ihrer beginnenden Pubertät, nichts von seinem Zauber verloren.

»Georgina, Liebes, sei so gut und hol den Weihnachtsschmuck aus dem Keller, ja!«, ruft die Oma aus der Küche.

Georgina schlüpft in die Puschen, läuft durchs Treppenhaus hinunter zur Hoftür, der Keller liegt auf der anderen Seite des Hinterhofes, sie blinzelt durch den leichten Schneeregen gen Himmel, der Sturmwolkenblau trägt, es wird heute draußen noch sehr ungemütlich werden.

Im Keller trifft sie Herrn Gennaro, ein Nachbar, den alle den stillen Herrn Gennaro nennen, ein ruhiger, freundlicher, kleiner, unscheinbarer, älterer Herr, er bittet Georgina, ihm eine Kiste von seinem obersten Regelbrett zu holen.

Sein Keller ist wohnlich eingerichtet, mit einem alten Sofa voller Decken und einem Couchtisch, auf dem eine Flasche Eistee steht; ruhig sagt der stille Herr Gennaro zu Georgina, dass sie sich ausziehen und aufs Sofa legen soll, in dessen Richtung er sie sanft drückt.

Als Georgina anfängt, kreischend um Hilfe zu rufen, legt Herr Gennaro seine Hände um ihren Hals und drückt zu.

Das Letzte, was Georgina fühlt, ist die Sehnsucht nach der Geborgenheit ihrer Oma, das Letzte, was sie »sieht«, ist eine Art Glitzer.

Ihr spurloses Verschwinden wird der Kripo 14 Jahre Kopfzerbrechen bereiten.


Autor*in: Bernd                              Blog: Red Skies over Paradise


Wesentliche Teile dieser Adventüde sind fiktiv, der Fall, der sie inspirierte, ist es nicht: Über ihn wurde bei Aktenzeichen XY berichtet. Der Link (hier klicken) führt zu einer XY-Seite einer Privatperson und bietet einen kurzen Abriss.

Nach dem großen Zuspruch zu Kains Adventüde hat Bernd mir eine Seite genannt, die Opfer aus dem Sexualstrafrecht unterstützt: Hier klicken. Ich wiederum möchte daran erinnern, dass ich in meinem unter jeder Adventüde verlinkten „Inhaltshinweise“-Eintrag (hier klicken) auch Anlaufstellen bei Problemen aufführe, nur falls ihr jemanden kennt … mensch weiß ja nie.

 

Adventüden 2021 18-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 17-12 | 365tageasatzaday

17.12. – Das Wesentliche | Adventüden

Weihnachten, das Fest der Liebe und des Fressens«, pflegte ihr Vater zu sagen.

Sie sehnte sich zurück in die Unbeschwertheit und Geborgenheit ihrer Kindheit. Diese schönste Zeit des Jahres, besinnlich, voller Überraschungen und Vorfreude, voller Glauben, Liebe, Hoffnung. Jahr für Jahr jagte sie diesen Erinnerungen nach. Sie einzufangen, sie noch einmal zu spüren, das wäre so schön.

Doch auch wenn mit jedem Jahr ihre Kekse perfekter wurden, der Weihnachtsschmuck im ganzen Haus Tannenduft verbreitete, ihre Sehnsucht nach dem Vergangenen erfüllte sich nie. Es war ihr nie wirklich gelungen, dieses Glück ihrer Kindheit zu reproduzieren oder anderen zu vermitteln. Dem Sohn nicht, dem Mann nicht, sich selbst nicht. Sie hatte die Partitur des Weihnachtsglücks verlegt.

Wo war das kleine Mädchen, das aufgeregt jeden Tag die Bilder im Adventskalender betrachtete? Wo das Mädchen, das den Kater auf dem Schoß, den Hund zu ihren Füßen in den Weihnachtsbaum blinzelte, bis die Lichter der Kerzen scheinbar in einen einzigen wunderschönen Stern aus Glitzer verschmolzen?

Sie blieb Vergangenheit. Und kein noch so leckerer Bratapfel, kein Marzipan, kein nach altem Rezept gemachter Kartoffelsalat konnten ihr das Gefühl von Frieden und Hoffnung, wiederbringen.

Weihnachten war mit jedem Jahr mehr zu einem Beamten geworden, der in seiner Aktentasche eine wachsende To-do-Liste mit sich führte:

Weihnachtsdeko – check,
Plätzchen backen – check,
Geschenke – check …

Wann war aus glitzernder Wärme drohendes, einsames Sturmwolkenblau geworden?

War es die Hektik im Job, die gerade zum Jahresende hin einen Höhepunkt erreichte: dringender Projektabschluss hier, Jahresplanung da? Waren es familiäre Probleme?

Nein. Es würde nie mehr so werden, einfach, weil sie selbst nicht mehr so war wie das kleine, vertrauens- und hoffnungsvolle Mädchen unterm Weihnachtsbaum.

Es wurde endlich Zeit, einen neuen Anfang zu finden.

Weihnachten: das Fest der Liebe? Ja!

Die wichtigste Frage ist aber nicht, wer dich liebt, sondern, wen du liebst.


Autor*in: Donka                             Blog: onlybatscanhang

 

Adventüden 2021 17-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 16-12 | 365tageasatzaday

16.12. – Stille Nacht | Adventüden

CN: Diese Adventüde geht nicht gut aus. Gar nicht gut.

 

Klaus legte die Aktentasche nahezu liebevoll auf den Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer. Ab jetzt würde er seine freien Tage bis zum Jahresende genießen. Sich in die Geborgenheit seiner eigenen Wohnung zurückziehen, sich nicht länger mit stundenlangem Kopfzerbrechen herumplagen, sondern einfach alles um sich herum vergessen.

Manchmal wünschte er sich einen Doppelgänger, den er statt seiner hinausschicken könnte in die Welt, um sich vor all den Menschen zu verkriechen, die nicht seine Sprache zu sprechen schienen.

Es blickte versonnen aus dem Fenster. Das Sturmwolkenblau des Himmels kündigte ein Wetter an. Doch er nahm es gar nicht richtig wahr. Sein Herz quälte eine unbändige Sehnsucht: Bratapfel mit Marzipan als Füllung, Kekse auf dem Weihnachtsteller und Mutters Kartoffelsalat nach der Bescherung. DAS war für ihn Weihnachten.

Früher.

Schneeregen setzte ein.

Er bemerkte, dass er immer noch am Fenster stand, und gab sich einen Ruck.

Schritt zum Kühlschrank. Nahm sich einen Eistee. Hielt sich die kalte Plastikflasche an den Kopf.

Er hatte das Gefühl, innerlich zu brennen.

Dann ging er in den Abstellraum und holte den Weihnachtsbaum aus Plastik, den er jedes Jahr verwendete, und den alten Weihnachtsschmuck seiner Eltern, der eigentlich der seiner Großeltern war, hinüber ins Wohnzimmer und begann, das Zimmer mit ein wenig Glitzer zu verschönern.

Mit jedem Stück, das er in die Hand nahm, flossen Tränen über sein Gesicht. Erinnerungen drangen empor und die Gewissheit, dass mit ihm diese Geschichte, die Geschichte seiner Familie endete. Mit über sechzig hatte er keine Hoffnung mehr, dass er dies noch verhindern konnte.

Er legte Dvořáks Achte auf – eine Partitur, die er früher oft studiert hatte –, ging in sein Schlafzimmer, nahm die Tabletten mit hinüber, löste sie in dem Tee auf und trank ihn aus.

Von fern läuteten Kirchenglocken.

Jemand sang mit glockenklarer Stimme »Stille Nacht« auf dem Gehweg unter seinem Fenster.


Autor*in: Kain Schreiber                             Blog: Gedankenflut

 

Adventüden 2021 16-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 15-12 | 365tageasatzaday

15.12. – der weg scheint weit | Adventüden

 

der weg scheint weit
und sehnsucht schimmert in sturmwolkenblau.
regentropfen spielen eine partitur
voller trostlosigkeit auf alten dachschindeln.
von ferne hört man ein leises grummeln,
das nach lauschiger geborgenheit ruft.
ja, der weg scheint weit.
aber was wäre, wenn wir glitzer
über die grauen wolken streuen,
die über den gedanken hängen?
wenn wir bratäpfel
aus offenen türen dampfen lassen
und marzipan an fremde verteilen,
garniert mit einem lächeln?
was wäre, wenn die liebe
unser weihnachtsschmuck wäre
und vertrauen in kekse gebacken?
was wäre, wenn der weg weit scheinen
und letztendlich doch
ein schritt
reichen würde?
ein kleiner schritt.
und eine hand,
die ich dir reiche …


Autor*in: Sabine             Blog: wortgeflumselkritzelkram

 

Adventüden 2021 15-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 14-12 | 365tageasatzaday

14.12. – Auf der Bank | Adventüden

Der Mann verstorben, die Kinder im Ausland – Elisabeth zog mit ihrem vierzehnjährigen Zwergpudel aus dem zu groß gewordenen Eigenheim in eine Zweizimmerwohnung stadteinwärts, nahe einem Park. Sie schätzte die Freundlichkeiten mit Gassigängern oder anderen Personen, denen man wiederholt begegnete.

Im Oktober waren die Parkbänke kaum noch besetzt, außer einer. Vormittags saß dort ein Herr, stets ordentlich gekleidet, wie Elisabeth es nannte, die Hände ruhig auf einer Aktentasche, nicht einmal die Daumen kreisten umeinander.

Dafür kreisten Elisabeths Gedanken um ihn.

Bald würden ihn die nasskalten Monate von der Bank vertreiben. Der jüngste Wetterbericht hatte schon irgendwo Schneeregen angekündigt. Darum buk Elisabeth: Spritzgebäck, an den Enden in Schokolade getaucht, paarweise mit Marmelade zusammengefügt, in eine Vorratsdose gelegt, in Geschenkpapier mit Schleife verpackt und mit Weihnachtskarte anbei in ein Postpäckchen verwandelt, adressiert an die in Kanada lebende Tochter.

Weil der Zwergpudel am nächsten Vormittag ständig um Elisabeths Beine herumtänzelte, sah Elisabeths Stolpern vor der Bank mit dem gewissen Herrn täuschend echt aus. Sie dankte freundlich für die gereichte Hand und setzte sich ebenfalls auf die Bank, um alles Zubodengefallene zu ordnen und »spontan« den Schaden im Paket zu besehen.

»Linzer Stangen«, sagte sie und bot die offene Dose an. »Nehmen Sie nur, diese reisen ohnehin nicht mehr nach Kanada.«

Der Herr stellte sich als Erwin, pensionierter und verwitweter Musiklehrer, vor und fragte, was es mit Kanada auf sich habe. Elisabeth erzählte von ihrem Alleinsein, dann gestand Erwin, dass er seine Vormittage auf der Parkbank oder im Café verbringe, um weniger zu Hause zu sein. An Weihnachten mochte er gar nicht denken.

Nach kurzem Schweigen äußerte Elisabeth: »Dass sich Kartoffelsalat für eine Person nicht lohnt, das ist richtig schade.«

Als sie sich mit einer Verabredung für Erwins Café verabschiedeten, dachte jeder für sich, dass es mit dem Kartoffelsalat vielleicht noch etwas werden könnte.


Autor*in: Heide                              Blog: Puzzle❀

 

Adventüden 2021 14-12 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2021 13-12 | 365tageasatzaday

13.12. – Ein unerwartetes Treffen im Park | Adventüden

Schneeregen seit Tagen. Feuchtkalt. Unangenehm. Graue Stadtschluchten. Beton und Glas. Zeugen des Mehrs.
Sie läuft. Pflügt Schneisen zwischen die Entgegenkommenden. Läuft davon. Allem. Allen. Flieht – auch vor sich selbst.
Das Außen verändert sich. Gibt den Blick nach oben frei. Sturmwolkenblau türmt sich über ihr. Die Häuser werden kleiner. Tannenkränze an Haustüren. Lichterketten. Kerzenflackern, Weihnachtsschmuck und Glitzer hinter Fenstern. Klebrige Geborgenheit. Die Partitur des Advents. Fehlt nur noch Bratapfelduft.
Es schüttelt sie. Weiter, weiter! Gleich kommt ihr Park. Schwarz-grünes Locken. Abrupt bleibt sie stehen. Ihre Bank ist besetzt.

»Ich habe auf dich gewartet«, sagt die Frau.
Sie zuckt zusammen. »Wer bist du? Eine Nebelkrähe?«
Die Frau lächelt. »Ich bin Sophia. Komm, setz dich.«

Sie will die Bank für sich allein. Will nicht hinsitzen. Sitzt plötzlich doch.

»Was willst du?« Sie sieht die Frau an. Entdeckt tiefe Falten, blaue Augen, Stupsnase, Erdbeermund und lange weiße Haare unter einer Rotkäppchen-Mütze.
Die Frau lächelt sie an. »Ich hab deine Sehnsucht gehört. Deshalb bin ich hier.«
Sie guckt. »Meine Sehnsucht?« Hohn tropft aus jedem Buchstaben.
Die Alte bleibt ganz ruhig. »Ja, deine Sehnsucht.«

Schweigen. Mit einem Mal hält die Alte etwas in der Hand.
»Da, mein Geschenk für dich. Halte es. Hege es. So, als wäre es dein wertvollster Besitz. Nimm und versteh.«

Sie hält das Geschenk in der Hand. Sieht nichts als Zeitungspapier. Als sie den Kopf hebt, ist die Alte verschwunden.
Jetzt wird sie neugierig. Sie steht auf. Lässt Schneeregen und Sturmwolkenblau hinter sich. Geht nach Hause. Stellt das Geschenk auf den Tisch.
»Soll ich oder nicht?« Sie gibt sich einen Ruck. Löst das Papier.

Grüne Blätter. Fünf Knospen. Eine weiße Blüte. Mitten ins Ich-mag-nicht-mehr-Grau der Einbruch des Lebens. Da löst sich etwas in ihr. Sie beginnt zu weinen.

Viel später entdeckt sie das Kärtchen im Blumentopf.
»Lass die Hoffnung knospen!«

Sie lächelt.


Autor*in: Judith                              Blog: Mutigerleben.de

 

Adventüden 2021 13-12 | 365tageasatzaday
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Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

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Adventüden 2021 12-12 | 365tageasatzaday

12.12. – Weihnachtskonzert | Adventüden

Vergiss die Partitur nicht!«, die Stimme seiner Frau klang aus der Küche hinaus in den Flur. Er war nicht unglücklich, das kulinarische Schlachtfeld für eine Weile verlassen zu können – überall roch es nach Marzipan und Keksen, im Ofen meinte er Bratäpfel gesehen zu haben. Für ihn wären die obligatorischen Würstel mit Kartoffelsalat am Heiligabend, die er aus seiner Kindheit kannte, vollkommen ausreichend. Raus aus all dem Glitzer, Weihnachtsschmuck und Trubel! Er schnappte sich seine Aktentasche mit den Noten und trat hinaus in den Schneeregen.

Es waren nur wenige Schritte bis zur Kirche – seinem Arbeitsplatz –, und trotz des nasskalten Wetters genoss er die frische Luft, den kurzen Blick hinauf in den Himmel: Sturmwolkenblau.

Die letzte Probe vor dem Konzert – das Weihnachtsoratorium von Bach. Jedes Jahr freute er sich darauf und seine Begeisterung war längst auf die Sänger seines Chores übergeschwappt. Die Musik war sein Anker und gab ihm Geborgenheit.

Wenn er die ersten Takte dirigierte, das Orchester und der Chor einsetzten und die festlichen Töne erklangen, fiel alles andere von ihm ab. Kein Kopfzerbrechen mehr über Alltagsdinge, dann lebte er nur in diesem Moment, in der Musik, im Hier und Jetzt. Dann begann für ihn der Weihnachtsfriede in die Welt Einzug zu halten. Im letzten Jahr hatten er, der Chor und die Orchestermusiker auf dieses Erlebnis verzichten müssen, um so größer war die Sehnsucht und die Freude, in diesem Jahr wieder gemeinsam musizieren zu dürfen.

Und so steckte in diesem ersten „Jauchzet, frohlocket“ in diesem Jahr unbändige Freude, Dankbarkeit und Hoffnung, die sich beim großen Konzert in der festlich geschmückten Kirche sicherlich auch auf das Publikum übertragen würde.

»Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage,
rühmet, was heute der Höchste getan!
Lasset das Zagen, verbannet die Klage,
stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!«

(aus: Johann Sebastian Bach: »Weihnachtsoratorium«)


Autor*in: Barbara                           Blog: Kulturbowle

 

Adventüden 2021 12-12 | 365tageasatzaday
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Adventüden 2021 11-12 | 365tageasatzaday

11.12. – Monster-Weihnachten | Adventüden

Sie wollen mich interviewen, für Ihren Artikel »Weihnachtliche Arbeitsbedingungen«? Da sind Sie bei mir genau richtig. Sie meinen also, dass unsereiner ohnehin nur rund zwei Wochen im Jahr arbeite und es daher keinerlei Anlass zu Klagen geben könne? Sie haben ja nicht die leiseste Ahnung von unseren Arbeitsbedingungen!

Als ich noch ganz jung war und keinerlei Erfahrungen hatte, landete ich in einem privaten Haushalt und dachte, ich hätte Glück gehabt und würde ein Minimum an Geborgenheit vorfinden. Was für ein Irrtum! Ich hatte ja keine Ahnung, aus welchen Monstern dieser Haushalt bestand.

Während der Weihnachtsfeier selbst war es noch nicht so schlimm, denn zu diesem Zeitpunkt standen meine Kollegen und ich nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Aber ab dem nächsten Tag war die Schonfrist vorbei. Die Kinder – das ist so eine Art kleinerer Monster – taten mit unsereinem etwas, das sie »spielen« nannten. Es handelt sich dabei um Beschädigungen bis zum Tod. Nein, ich bin nicht zu dramatisch, genügend Opfer habe ich gesehen.

Dann gab es da die Mutter, die Erzeugerin der kleineren Monster. Offiziell aß sie keine Schokolade, aber nachts schlich sie zum Weihnachtsbaum, riss die essbaren Teile herunter und verschlang sie vor unseren Augen. Grauenhaft!

Der größte Schrecken aber war ein weiteres Familienmitglied, das anders aussah als die übrigen, aber ebenso todbringend  war. Nach der ersten Begegnung hatte ich solche Angst, dass mein Glitzer speigrün wurde. Kein sehr erhebender Anblick. Dieses Wesen pflegte mit Körperteilen, die »Samtpfoten« genannt wurden, auf uns einzudreschen, dass uns Hören und Sehen verging. Die anderen Monster lachten dazu.

Nach diesem Arbeitsplatz musste ich mich sechs Monate lang in Behandlung begeben. Sie sehen, die zwei Wochen Arbeitszeit sind sehr relativ, wenn man bedenkt, dass wir an jedem einzelnen Tag Leib und Leben riskieren.

Deswegen bin ich heute auch Vorsitzende der Weihnachtsschmuckgewerkschaft, Abteilung Kugeln.


Autor*in: Myriade                         Blog: La parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée

 

Adventüden 2021 11-12 | 365tageasatzaday
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Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.