Von Angsthaben und Liebe

Angst packt mich an

Angst packt mich an.
Denn ich ahne, es nahen Tage
Voll großer Klage.
Komm du, komm her zu mir! –
Wenn die Blätter im Herbst ersterben,
Und sich die Flüsse trüber färben,
Und sich die Wolken ineinander schieben
Dann komm, du, komm!
Schütze mich –
Stütze mich –
Faß meine Hand an.
Hilf mir lieben!

(Erich Mühsam, Angst packt mich an, aus: Die Wüste. 1898–1903, Online-Quelle)

Alle handeln wie die Herzen müssen

Meine Ohren horchen in die Nacht,
Wie der Regen seinen Tanzschritt macht.
Ruhe, eine der uralten Ammen,
Singt ihr Lied mit Dunkelheit zusammen,
Und der Regen tanzt auf flinken Füßen.
Alle handeln wie die Herzen müssen,
Alle wandeln frisch und unverfroren.
Nur die Liebe wird mit Angst geboren,
Nur der Sehnsucht ruhen nie die Ohren.

(Max Dauthendey, Alle handeln wie die Herzen müssen, in: Der weiße Schlaf, aus: Gesammelte Gedichte und kleinere Versdichtungen, Albert Langen, München 1930, S. 445)

Erinnerung

Und du wartest erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das Mächtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine,
Tiefen, dir zugekehrt.

Es dämmern im Bücherständer
die Bände in Gold und Braun;
und du denkst an durchfahrene Länder,
an Bilder, an die Gewänder
wiederverlorener Fraun.

Und da weißt du auf einmal: das war es.
Du erhebst dich und vor dir steht
eines vergangenen Jahres
Angst und Gestalt und Gebet.

(Rainer Maria Rilke, Erinnerung, aus: Das Buch der Bilder, 1. Buch Teil 2, zweite sehr vermehrte Auflage, 1906, Online-Quelle)


 


Quelle: Pixabay

Ich mag die Aussage sehr, dass Liebe bei Angst hilft, weil mensch damit sein Herz vorwärts wirft, in eine positiv gedachte/erhoffte Zukunft. Ich bin überzeugt, dass das nicht nur für eine Beziehung im engeren Sinne gilt.
Ich frage mich, an wen Mühsam das Gedicht adressiert hat …

Ja, dem Fellträger geht es so weit wieder gut, aber er muss noch mal Blut lassen, so ca. in zwei bis drei Wochen, und DAS ist die Stunde der Wahrheit. Aber bis dahin schnurrt er sich so durch. Hoffentlich.

Kommt gut in und durch die neue Woche, die wieder auch bei uns recht kühl ausfallen soll, bleibt gesund und seid heiter … 😉

 

 

 

 

Von Blütenjubel und Frühling

Blütenzeit 

Durch die Nacht, die monderglühte,
flog der Schelm, der Frühling, heut
Mit der großen Zuckertüte
Und nun ist mit weißer Blüte
Baum und Strauch und Flur bestreut. 

Zucker! Zucker! Nichts als Zucker!
Alles Bittre süß gemacht!
Schnuppernd streich ich armer Schlucker,
Büchergucker, Versedrucker,
Durch die neue Blütenpracht. 

Soll ich schönre Schenken suchen?
Lieblich duftet um die Nas
Mir der frische Frühlingskuchen –
Unter Linden, unter Buchen
Leg ich mich ins grüne Gras. 

Und ich strample mit den Füßen
Und bis in des Magens Grund
Laß ich mir den goldnen süßen
Honigseim der Sonne fließen
Durch den offnen Schleckermund.

(A. de Nora, Blütenzeit, in: Jugend, Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben (Wikipedia), Nr. 13, 1908, Online-Quelle (rechts unten))

Komm her und laß dich küssen

Die Luft ist wie voll Geigen,
Von allen Blütenzweigen
Das weiße Wunder schneit;
Der Frühling tobt im Blute,
Zu allem Uebermute
Ist jetzt die allerbeste Zeit.

Komm her und laß dich küssen!
Du wirst es dulden müssen,
Daß dich mein Arm umschlingt.
Es geht durch alles Leben
Ein Pochen und ein Beben:
Das rote Blut, es singt, es singt.

(Otto Julius Bierbaum, Komm her und laß dich küssen, aus: Irrgarten der Liebe, 1901, Online-Quelle)

Blütenreife

1.

Die Blüten schlafen am Baume
In schwüler, flüsternder Nacht,
Sie trinken in duftigem Traume
Die flimmernde, feuchte Pracht.
Sie trinken den lauen Regen,
Den glitzernden Mondenschein,
Sie zittern dem Licht entgegen,
Sie saugen es taumelnd ein:
Sie sprengen die schweigende Hülle
Und gleiten berauscht durch die Luft
Und sterben an der Fülle
Von Glut und Glanz und Duft.

Das war die Nacht der Träume,
Der Liebe schwül gärende Nacht,
Da sind mit den Knospen der Bäume
Auch meine Lieder erwacht.
Sie sprengten die schweigende Hülle
Und glitten berauscht durch die Luft
Und starben an der Fülle
Von Glut und Glanz und Duft.

(Hugo von Hofmannsthal, Blütenreife, aus: Die Gedichte 1891-1898, entstanden 1891, Online-Quelle)


Quelle: Pixabay

Wenn ich rausschaue, dann stehen im übernächsten Garten zwei Kirschbäume in voller Blüte. Ich freue mich jedes Mal darüber, ich freue mich auch jetzt schon auf den Sommer, wenn dort nicht nur irgendwelche Vögel, sondern sogar MÖWEN zum Pflücken einfallen werden – es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, dass den Eigentümern reife Kirschen übrig bleiben, aber ich denke, sie sind daran gewöhnt … Auf jeden Fall ist es eine Augenweide.

Kommt gut und heil und heiter in und durch die neue Woche, und mögen eure Gemüter sonnig sein!

 

Der Aufbruch | abc.etüden

Zum besseren Verständnis: Hier (»Der Ausbruch«) zuerst lesen!

 

Ihr Name war Zora. Sie arbeitete daran, so gut und so bekannt wie Banksy zu werden. Wichtige Leute hatten ihr gesagt, dass sie es echt draufhätte, und das fand sie voll okay.

Im Waschraum der Bahnhofstoilette schrubbte sie sich gewissenhaft die Asche von den Händen und fluchte dabei vor sich hin. Der Schädel an der Wand war ein großartiges Statement gewesen, Trauerränder unter den Nägeln waren es nicht. Hoffentlich rastete er nicht aus, wenn ihre Mutter von der Arbeit kam und ihn eingesperrt fand. Vielleicht hatte er sich ja so aufgeregt, dass ihn der Schlag getroffen hatte. Sie schämte sich bei dem Gedanken, aber sie war fertig mit ihm.

Tatsache war, dass er seit Jahren »Werte« predigte. SEINE Werte, wie sie irgendwann begriffen hatte. Widerworte gingen überhaupt nicht, und wenn man sich nicht an das hielt, was er vorschrieb, tickte er aus und schlug zu. Ihr Verhalten war schuld, sie zwang ihn dazu. Ja, klar.

Schön, ihm im Streit »süßliches Werte-Gefasel« vorzuwerfen, war nicht nötig gewesen, und sie hätte wissen müssen, dass er das nicht gut aufnehmen würde. Es war ihr rausgerutscht, aber sie bedauerte es nicht. Nachdem sie das Vertrauen in ihn verloren hatte, hatte sie angefangen vorzusorgen, hielt seit einiger Zeit eine große Tasche mit dem Notwendigsten unter ihrem Bett versteckt, in der neben Klamotten, Papieren und Geld auch ihre Farbdosen lagen. Nun hatte sie alles hinter sich gelassen und war auf dem Weg zu Freunden, die ihr den nötigen Fingerhut Mut einflößen würden, um aufrecht weiterzugehen. Hoffte sie.

Ihr Name war Lena, nicht Zora, aber Lena hießen heutzutage irgendwie alle. Sie hatte Talent zum Sprayen. Sie wurde in zwei Monaten achtzehn. Sie hatte einen wichtigen Schritt gewagt. Morgen würde sie sich die Haare kurz schneiden und rot färben. Neon.
Aber jetzt hatte sie erst mal bisschen Angst.


abc.etüden 2024 15+16+17+18 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

Für die abc.etüden, Textwochen 15, 16, 17 und 18 des Jahres 2024: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende kommt von mir und meinem Blog Irgendwas ist immer. Sie lautet: Fingerhut, süßlich, fluchen.

Dies ist die direkte Fortsetzung des Drabbles von gestern (»Der Ausbruch«). Natürlich hat mich interessiert, wer sie sein könnte, die da ausbricht, und warum. Ist das etwas Grundlegendes oder war es nur ein Streich, um die Eltern zu schockieren, der aus dem Ruder gelaufen ist? Beim Hineinfühlen formte sich ihre Figur, und sie war klar und ziemlich wütend.

Hier ist also die Antwort – und nein, ich beabsichtige nicht, daran weiterzuschreiben, das ist eine Momentaufnahme. Bis jetzt. 😉

 

Der Ausbruch | Drabble

Sie war wild und keine Erziehungsmaßnahme fruchtete. Also sperrte er sie ein, bei Wasser und Brot, man war ja kein Unmensch.
Als er morgens das Zimmer betrat, schien es leer, dafür starrte ihn ein Graffiti an: ein höhnisch grinsender Totenschädel, mit Asche gezeichnet. »Verdammte Sauerei«, brüllte er und stürzte zur Wand. Da schlug die Tür zu, und er hörte ohnmächtig, wie der Schlüssel umgedreht wurde. Sie hatte sich neben den Kohleofen geduckt und war blitzschnell hinter ihm vorbei in die Freiheit gehuscht.
Ihre Mutter musste seinen Zorn später ausbaden.
Sogar die Nachbarn sprachen darüber.

Man hat sie nie wieder gesehen.



Bild: Wupperpostille, Bearbeitung von mir

Ein Drabble ist ein Text, der aus genau 100 Wörtern besteht. Keins mehr, keins weniger. Reiner gibt auf seinem Blog Wupperpostille zusätzlich noch drei einzubauende Wörter vor, und ich fand sie diesmal ausgesprochen phantasieanregend.

Zugegeben, ich habe keine Ahnung, ob man mit Asche aus einem Kohleofen malen kann. Vermutlich ergibt es wirklich eine furchtbare Sauerei. Aber meine Protagonistin hat ein Händchen für Graffitis und weiß, was sie tut.

 

Vom Frühling im April

Frühlings-Seufzer

Großer Gott, in dieser Pracht
Seh’ ich Deine Wunder-Macht
Mit vergnüg’ter Seelen an.
Es gereiche dir zu Ehren,
Daß ich sehen, daß ich hören,
Fühlen, schmecken, riechen, kann!

(Barthold Hinrich Brockes, Frühlings-Seufzer, aus: Irdisches Vergnügen in Gott, Zweyter Theil, 1739, Online-Quelle)

April

Das ist die Drossel, die da schlägt,
Der Frühling, der mein Herz bewegt;
Ich fühle, die sich hold bezeigen,
Die Geister aus der Erde steigen.
Das Leben fließet wie ein Traum –
Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.

(Theodor Storm, April, aus: Gedichte (Ausgabe 1885), entstanden 1853, Online-Quelle)

April.

Wie der Südwind pfeift,
In den Dornbusch greift,
Der vor unserm Fenster sprießt.
Wie der Regen stürzt
Und den Garten würzt
Und den ersten Frühling gießt!

Plötzlich säumt der Wind,
Und der Regen rinnt
Spärlich aus dem Wolkensieb.
Und die Mühle dreht
Langsam sich und steht,
Die noch eben mächtig trieb.

Schießt ein Sonnenblick
Über Feld und Knick,
Wie der Blitz vom Goldhelm huscht
Und auf Baum und Gras
Schnell im Tropfennaß
Tausend Silbertüpfel tuscht.

Wieder dann der Süd,
Immer noch nicht müd,
Zornt die Welt gewaltig an.
Und der Regen rauscht,
Und der Garten lauscht
Demütig dem wilden Mann.

Meiner Schulter dicht
Lehnt dein hold Gesicht,
Schaut ins Wetter still hinein.
Kennst das alte Wort,
Ewig währt es fort:
Regen tauscht und Sonnenschein.

(Detlev von Liliencron, April, aus: Liliencrons Gedichte. Auswahl für die Jugend. Zusammengestellt von der Lehrervereinigung zur Pflege der künstlerischen Bildung in Hamburg, 1901, Online-Quelle)

Aus einem April

Wieder duftet der Wald.
Es heben die schwebenden Lerchen
mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war;
zwar sah man noch durch die Aeste den Tag, wie er leer war, –
aber nach langen, regnenden Nachmittagen
kommen die goldübersonnten
neueren Stunden,
vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten
alle die wunden
Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.

Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz
in die glänzenden Knospen der Reiser.

(Rainer Maria Rilke, Aus einem April, aus: Das Buch der Bilder, 1. Buch, Teil 1, 1906, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Ich glaube, im Moment muss bei mir immer bisschen Rilke sein. Das ist der „Sound“ einzelner Sätze, der bei mir hängen bleibt … „Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser über der Steine ruhig dunkelnden Glanz. Alle Geräusche ducken sich ganz …“

Kommt gut, gesund und heiter in und durch die neue Woche, möge sie warm sein oder kühl, sonnig oder regnerisch … 😉

 

Schreibeinladung für die Textwochen 15*16*17*18**24 | Wortspende von Irgendwas ist immer

Der ultralange März, Ostern und die Zeitumstellung sind für dieses Jahr Geschichte, liebe Etüdenfans, -schreiber*innen und -leser*innen, und die neue Etüdenrunde beginnt mit einem Wochenende, für das die ersten SOMMER-Temperaturen angekündigt worden sind, Sommer ist gleich über 25 °C. Ich kann sagen, dass das zumindest bisher bei mir nicht funktioniert hat, mein Außenthermometer ist nicht über 20 °C gekrochen, aber das mag direkt in der Stadt anders gewesen sein, wenn sich dort die Wärme gestaut hat. Aber: Ich habe hier gestern den ersten Schmetterling des Jahres gesehen, ein Tagpfauenauge, und wünsche mir so sehr, dass er nicht der einzige bleibt – die letzten Jahre waren echt mau, was die kleinen Gaukler betrifft.

Die Anzahl der Etüden hat zugenommen, was ich mir erhofft hatte, da eine Woche mehr Zeit war und euch scheinbar nicht langweilig geworden ist. Die Statistik weist unglaubliche 71 Etüden von 25 Blogs aus. Und Lyrifant mit ihrem Blog Lyrifant hat uns mit einer ersten Testetüde gefunden. Noch mal ein herzliches Willkommen bei den Etüdenverrückten!
Die Spitze der Liste teilen sich Cynthia alias Rübenigel und Puzzleblume, die Wortspenderin für März (vielen herzlichen Dank, ihr seid ja schon bisschen bekloppt, ihr wisst das 😉? Nein, bitte NICHT aufhören!), die beide mit jeweils 11 Etüden die Liste anführen. Gerhard hat 7 Etüden beigesteuert, m.mama 6 Etüden und Werner 5 Etüden. Wow! Ich ziehe meinen nicht vorhandenen Finger- Sonnenhut und freue mich sehr.

Vielen Dank also wie immer euch allen anderen, die Lust hatten, mitzuschreiben und/oder mitzulesen, die gelikt und kommentiert haben! Vielen Dank an Puzzleblume für ihre Wortspende und die unermüdliche Unterstützung! Und wie immer geht mein Extradank auch an jede*n von euch, den*die ich in den teilnehmenden Blogs getroffen habe und der*die dort kommentiert/mitdiskutiert hat. Möge der Etüdenhaufen groß und bunt werden!

Wie ebenfalls immer bitte ich euch, die Liste zu kontrollieren, ob jede eurer Etüden dort verzeichnet ist oder ob euch sonst was komisch vorkommt. Die Wege von WP sind viel zu oft unergründlich, aber wenn ihr euren oder meinen Reader (https.//wordpress.com …) verlinkt, dann pingt es höchstwahrscheinlich nicht! Um sicherzugehen, brauche ich unbedingt einen verfolgbaren Link in den Kommentaren von euch, damit ihr auf die aktuelle Liste kommt. Ich ergänze oder korrigiere gerne, wenn irgendwas nicht stimmt oder eine Etüde fehlt.
Ich trage auch Nachzügler nach, aber es wäre schon nett, wenn ihr eure Etüden bis Samstagabend 20 Uhr einreichen könntet, damit ihr alle sicher auf der Liste seid, wenn es Sonntagmorgen in die neue Runde geht.

Bereit für die dritte Etüdenliste des Schreibjahres 2024? Hier ist sie!


Cynthia auf Querfühlerin: hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier
Puzzleblume auf puzzle : hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier
Heidi auf Erinnerungswerkstatt: hier und hier
Gerhard auf Kopf und Gestalt: hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier
m.mama auf L wie …: hier, hier, hier, hier, hier und hier
Jane auf Blood, Tears, Gold & Minds: hier und hier
Reiner Grinsekatz auf wupperpostille: hier
Kain Schreiber auf Gedankenflut: hier, hier und hier
Gerda von GERDA KAZAKOU: hier und hier
Myriade auf la parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée: hier
Maren auf Ich lache mich gesund: hier und hier
Werner auf Mit Worten Gedanken horten: hier, hier, hier, hier und hier
Monika auf Allerlei Gedanken: hier, hier und hier
Sabine auf Verbalkanone: hier
Don Esperanza auf Don Esperanza’s ramblings: hier
Natalie im Fundevogelnest: hier
Sofie auf Sofies viele Welten: hier
Joram auf der grüne bleistift: hier
Meine (Christiane) auf Irgendwas ist immer: hier und hier
Tanja auf Stachelbeermond: hier
Katharina auf Katha kritzelt: hier
Judith auf Mutiger Leben: hier
Lyrifant auf Lyrifant: hier
Christian auf Wortverdreher: hier, hier und hier
Anja auf Annuschkas Northern Star: hier


Die Wortspende für April 2024 bzw. für die Textwochen 15, 16, 17 und 18 des Jahres 2024 stammt von mir, Christiane, und meinem Blog Irgendwas ist immer. Sie lautet:

Fingerhut
süßlich
fluchen.


Wie immer an dieser Stelle weise ich darauf hin, dass der obligatorische Etüden-Disclaimer nach wie vor lautet: 3 Begriffe in maximal 300 Wörtern.
Eventuelle Inhaltshinweise (Triggerwarnungen) und die Überschrift zählen NICHT zum Text. Nach intensiver Diskussion bleibt das Setzen von Inhaltshinweisen (CN/Triggerwarnungen, z. B. in den Schlagwörtern) jedem teilnehmenden Blog freigestellt. Die Illustrationen unterliegen nach wie vor meinem Copyright und dürfen von jedem*jeder verwendet werden, der*die sich mit einem eigenen Beitrag an den Etüden beteiligt. Ich behalte mir vor, Kommentare zu moderieren, wenn nötig – ich darf das, weil es mein Blog ist, aber ich weise sicherheitshalber darauf hin. Wer sich die Illustrationen herunterladen möchte, sollte sie vorher großklicken, danach kann man sie in der Regel downloaden und bei sich wieder hochladen.

Noch Fragen zu den Etüden? Hier habe ich das Kleingedruckte zusammengetragen. Wenn euch was auffällt – ihr wisst ja.

Die nächsten Wörter gibt es am ersten Sonntag im Mai, das ist der 5. Mai 2024. Euch wie immer weiterhin ein schönes Wochenende und gute Einfälle! Danke, dass ihr hier seid und die Etüdenverrückten mit euren Einfällen bereichert. Ich freue mich sehr auf die nächste Runde.

 

abc.etüden 2024 15+16+17+18 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

abc.etüden 2024 15+16+17+18 | 365tageasatzaday

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abc.etüden 2024 15+16+17+18 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Von Ostern, Has und Ei

Ostern

Wenn die Schokolade keimt,
Wenn nach langem Druck bei Dichterlingen
„Glockenklingen“ sich auf „Lenzesschwingen“
Endlich reimt,
Und der Osterhase hinten auch schon preßt,
Dann kommt bald das Osterfest.

Und wenn wirklich dann mit Glockenklingen
Ostern naht auf Lenzesschwingen, – – –
Dann mit jenen Dichterlingen
Und mit deren jugendlichen Bräuten
Draußen schwelgen mit berauschten Händen – – –
Ach, das denk ich mir entsetzlich,
Außerdem – unter Umständen –
Ungesetzlich.

Aber morgens auf dem Frühstückstische
Fünf, sechs, sieben flaumweich gelbe, frische
Eier. Und dann ganz hineingekniet!
Ha! Da spürt man, wie die Frühlingswärme
Durch geheime Gänge und Gedärme
In die Zukunft zieht,
Und wie dankbar wir für solchen Segen
Sein müssen.

Ach, ich könnte alle Hennen küssen,
Die so langgezogene Kugeln legen.

(Joachim Ringelnatz, Ostern, aus: Allerdings, 1928, Online-Quelle)

Auf ein Ei geschrieben

Ostern ist zwar schon vorbei,
Also dies kein Osterei;
Doch wer sagt, es sei kein Segen,
Wenn im Mai die Hasen legen?
Aus der Pfanne, aus dem Schmalz
Schmeckt ein Eilein jedenfalls,
Und kurzum, mich tät’s gaudieren,
Dir dies Ei zu präsentieren,
Und zugleich tät es mich kitzeln,
Dir ein Rätsel drauf zu kritzeln.

Die Sophisten und die Pfaffen
Stritten sich mit viel Geschrei:
Was hat Gott zuerst erschaffen,
Wohl die Henne? wohl das Ei?

Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward ein Ei erdacht:
Doch weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hat’s der Has gebracht.

(Eduard Mörike, Auf ein Ei geschrieben, aus: Gedichte (Ausgabe 1867), Online-Quelle)

O Welt in einem Ei

O Welt im Ei, von Haut
Und Schale rings umgeben!
Wenn dich die Sonne schaut,
Beginnt dein freieres Leben.

Dann lebst du, wie dein Ahne will,
Als Strauß, als Fisch, als Krokodil,
Als Huhn ein Mehrerwachen,
Ein größeres Glück und größere Qual
In einem weiteren Oval.
Bis neue Schalen krachen.

O Welt in einem Ei,
Wie Wichtiges entscheidet sich,
Geht deine Wand entzwei.
Vielleicht verschlingt man, kocht man dich,
Ißt dich mit Senf, mit Kaviar
(Störs ungezählten Eiern!).

Und wenn sie Ostern feiern,
Die dich verschlucken roh und gar,
Dann lachen sie und spaßen
a conto Osterhasen.
Doch wer von ihnen denkt dabei
An dich, du Mikrowelt in einem Ei?!

(Joachim Ringelnatz, O Welt in einem Ei, aus: Gedichte, Gedichte von Einstmals und Heute, 1934, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Ihr Lieben, ich wünsche euch schöne Ostertage (gehabt zu haben), kommt gut, gesund  und heiter in die neue Woche! Ich hoffe, die Zeitumstellung beutelt euch nicht so sehr. Ich jedenfalls fluche wie jedes Jahr.

Mit Gedichten zu Ostern ist das so eine Sache. Die ernsten, die ich zitieren düfte, mag ich meist nicht, weil ich sie unerträglich fromm finde und das nicht aushalte, die anderen sind oft für Kinder gemacht und sehr leicht/seicht von der Sprache her, auch das ist normalerweise nicht mein Fall. Übrig bleibt da nicht viel.
Wie dem auch immer sei: Lasst es euch gut ergehen!

 

Verlorene Gedanken | abc.etüden

Sie saß am Rande des Teichs auf einer Bank und genoss die Pause. Es war einer von jenen Tagen, die sich dadurch auszeichneten, dass man schon länger sitzen bleiben und den beginnenden Frühling genießen konnte, ohne sich zu verkühlen. Um sie herum blühten Bäume, auf dem Wasser taten Vögel, was Vögel zu dieser Jahreszeit eben so tun, sie hatte zuvor den ersten Eiswagen entdeckt und nun beobachtete sie die Spaziergänger, die sie mit Hund, Kinderwagen oder Fahrrad passierten, allein, zu zweit oder zu mehreren.

Es waren wenige dabei, deren Sprache sie verstand oder auch nur bestimmen konnte. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, ob die alle glücklich waren, die diskutierend an ihr vorbeigingen, zum Teil nicht, ohne sie prüfend zu mustern. Bestimmt waren auch Geflüchtete darunter, Leute, die nichts dafür konnten, hier gestrandet zu sein, Verlorene, die jetzt auch lieber zu Hause wären, wo immer das auch war, und vielleicht angelnd an einem Fluss sitzen oder in ihrem Gärtchen werkeln würden. Die Frage überfiel sie wie oft schon mit voller Wucht: Würde sie fliehen, wenn jäh Bomben oder Raketen einschlugen und die Unschuld des Lebens zerstörten, das sie kannte und liebte? Und wenn ja, wohin? Würde sie lieber heimatlos werden oder lieber in Kauf nehmen zu sterben, wodurch auch immer? Sie war nie viel gereist, »Ausland« war vor allem eins: nicht zu Hause. Aber wie viel von dem, was ihre Identität ausmachte, fand nur in ihrem Kopf stand und würde sie – eventuell – sowieso mitnehmen? Aufbruch als Chance? Wofür?

Wie immer kam sie zu keinem Ergebnis. Es wurde langsam dunkel, hinter ihr brach der rote Sonnenuntergang durch einen Spalt in den hoch aufgetürmten dunklen Wolken. Großes Himmelskino. Sie sah auf die Uhr, seufzte und stand etwas schwerfällig auf. Zeit heimzugehen, Zeit für das Abendbrot. Die Katze hatte bestimmt schon Hunger.


abc.etüden 2024 10+11+12+13+14 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

Für die abc.etüden, Textwochen 10, 11, 12, 13 und 14 des Jahres 2024: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende kommt von Puzzleblume und ihrem Blog puzzle ❀. Sie lautet: Abendbrot, heimatlos, auszeichnen.

Jaaaaa, ziemlich autobiografisch, zumindest habe ich mich das wirklich schon mehr als einmal gefragt – und bin zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen.

 

Vom Frühlingsregen

Frühlingsregen

Regne, regne, Frühlingsregen,
weine durch die stille Nacht!
Schlummer liegt auf allen Wegen,
nur dein treuer Dichter wacht …

lauscht dem leisen, warmen Rinnen
aus dem dunklen Himmelsdom,
und es löst in ihm tiefinnen
selber sich ein heißer Strom,

läßt sich halten nicht und hegen,
quillt heraus in sanfter Macht …
Ahndevoll auf stillen Wegen
geht der Frühling durch die Nacht.

(Christian Morgenstern, Frühlingsregen, aus: Ich und die Welt, 1898, Online-Quelle)

[Es kommt der Regen des Frühlings]

Es kommt der Regen des Frühlings
Und bringt den Segen des Frühlings,
Die Blumen stehen und warten
An allen Stegen des Frühlings.
Und Düfte streuen die Lüfte
Auf allen Wegen des Frühlings.
Doch mein Gemüth ist beklommen
In Kummer wegen des Frühlings,
Wie ich soll feiern die Feier,
Ich bin verlegen, des Frühlings?
Mir ist im Froste des Winters
Die Lust erlegen des Frühlings.
Bis euch, ihr Blumen, die blühtet
In Lustgehegen des Frühlings,
Mir neu anreget zu blühen
Ein Hauch allregendes Frühlings;
Hab’ ich, ein trauriger Gärtner,
Das Grab zu pflegen des Frühlings.

(Friedrich Rückert, Es kommt der Regen des Frühlings, aus: Winter und Frühling, in: Kindertodtenlieder aus seinem Nachlasse, entstanden 1833-1834, Online-Quelle)

[In tiefen Nächten grab ich dich, du Schatz]

In tiefen Nächten grab ich dich, du Schatz.
Denn alle Überflüsse, die ich sah,
sind Armut und armseliger Ersatz
für deine Schönheit, die noch nie geschah.

Aber der Weg zu dir ist furchtbar weit
und, weil ihn lange keiner ging, verweht.
O, du bist einsam. Du bist Einsamkeit,
du Herz, das zu entfernten Talen geht.

Und meine Hände, welche blutig sind
vom Graben, heb ich offen in den Wind,
so daß sie sich verzweigen wie ein Baum.
Ich sauge dich mit ihnen aus dem Raum,
als hättest du dich einmal dort zerschellt
in einer ungeduldigen Gebärde
und fielest jetzt, eine zerstäubte Welt,
aus fernen Sternen wieder auf die Erde
sanft, wie ein Frühlingsregen fällt.

(Rainer Maria Rilke, In tiefen Nächten grab ich dich, du Schatz, aus: Das Buch von der Pilgerschaft, in: Das Stunden-Buch, 1901, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Okay, ich gebe es zu: Der Rilke passt eigentlich auch für mein Gefühl nicht rein. Aber ich habe die beiden Zeilen „Aber der Weg zu dir ist furchtbar weit | und, weil ihn lange keiner ging, verweht“ SO lange für „zugeschrieben“ gehalten (keine Ahnung warum, vielleicht war das Stundenbuch noch nicht digitalisiert, als ich danach gesucht habe, und/oder ich hatte zu oberflächlich gelesen – vielleicht habe ich es auch gewusst und einfach wieder vergessen), dass ich es jetzt sozusagen öffentlich abspeichern wollte. Seht es mir bitte nach.

Ansonsten wünsche ich euch einen guten, heiteren und gesunden Start in die vorösterliche Woche! Kommt gut rein, durch und wieder raus! 😉

 

Monsieur le Katz | abc.etüden

Es war August und Zeit für Abendbrot. Türen und Fenster waren weit geöffnet, es war warm, und so hörte ich etwas, was zuerst wie ein Weinen klang, sich dann aber als Miauen entpuppte: »Haaalooo, ich wäre jetzt hier, da ist eine offene Tür, ist jemand zu Hause?« Ich spurtete zu besagter Tür und da kam er: SO ein hübscher Tiger! Nennt mich sentimental, aber mein Herz überholte den Verstand, lief ihm entgegen und brüllte: MEINER!
Liebe auf den ersten Blick.
Ich nahm ihn auf den Arm, streichelte ihn (er begann prompt zu schnurren) und murmelte: »Na, Kleiner, wo warst du denn so lange, wie schön, dass du endlich da bist.«
Ich schwöre euch, in dem Moment erklärte mein Verstand mich für bescheuert.

Nachts besah sich mein Liebster den Überraschungsgast, der im Baum herumkletterte, und sagte: »Ich glaube, wenn du willst, hast du eine Katze.«

Nun ist das nicht so leicht, denn die Frage ist ja: Ist der Fellträger wirklich heimatlos, oder wird er anderswo dringend vermisst? Da gibt es gesetzliche Vorschriften, die einzuhalten sind, aber tatsächlich war das Tierheim, bei dem ich ihn meldete, froh, dass sie nicht noch mehr zusammenrücken mussten, weil ich ihn nur ungern hergegeben hätte: Sommerferienzeit ist Aussetzzeit, und er war wohl schon ein paar Tage unterwegs gewesen, wie ich später erfuhr. Die Tierärztin informierte mich, dass er nicht gechippt war, dafür aber kastriert und körperlich in guter Verfassung.

Und so wurde ich die Hüterin eines damals knapp einjährigen Maine-Coon-Mix, der sich durch alle Vorzüge seiner Rasse auszeichnet: Freundlichkeit, Gesprächigkeit, Anhänglichkeit. Er hat nicht diese charakteristischen Puschel auf den Ohrspitzen und auch das Fell ist zwar halblang, aber nicht so dicht wie bei der reinrassigen Verwandtschaft. Dafür besteht er darauf, Freigänger zu sein, meine mäusefangende-und-heimbringende Herzenskatze, und ich werde ihm das ermöglichen, solange es irgendwie geht.


abc.etüden 2024 10+11+12+13+14 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

Für die abc.etüden, Textwochen 10, 11, 12, 13 und 14 des Jahres 2024: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Die Wortspende kommt von Puzzleblume und ihrem Blog puzzle ❀. Sie lautet: Abendbrot, heimatlos, auszeichnen.

Natürlich fragt sich der eine oder die andere, warum ich euch das erzähle – noch dazu nicht zum ersten Mal, ein paar von euch werden die Geschichte kennen. Nein, der Anlass ist nicht so betrüblich, wie ihr vielleicht fürchtet. Aber es ist schon so, dass Rasse bei Katzen nicht nur Vorteile hat.
Wie schon mal erwähnt hat der Fellträger Arthrose, inzwischen eher in beiden Hinterbeinen als nur in einem, also unten in den Füßen, und bekommt seine tägliche Tablette dagegen (Onsior, falls das jemandem was sagt, er liebt den Hefeüberzug). Unterbricht die Reizleitung, die Schmerzen sollen in dem Katzenkopf nicht ankommen, scheint meistens zu klappen. Außerdem darf er jetzt Nierenfutter fressen (geht ganz gut) und kämpft vermutlich mit Übelkeit und/oder Appetitlosigkeit. Möglichst viel nicht nierenschädliches Futter in die Katze zu bekommen, heißt hier die Devise.
Über alldem schwebt das Damoklesschwert Blutuntersuchung. Bestimmt werde ich in ein paar Jahren (in der Hoffnung, dass er dann noch bei mir ist) damit abgeklärter umgehen, aber jetzt stand die erste Blutuntersuchung nach der Diagnose an, und ich muss sagen, ich habe mir schon Gedanken gemacht. Die dunklen Tage mit einem Tier, von dem ich weiß, dass es was Schlimmes hat, waren keine uneingeschränkte Freude, da erschreckt mich erst mal jede Futterverweigerung und jede abrutschende Sprung schmerzt. Aber ich habe heute das Ergebnis bekommen: Keine Veränderung, ein Wert ist sogar bisschen besser. Das heißt: Fellträger stabil, die Tabletten schlagen (noch?) nicht auf die Leber und das mit dem Katzenessen funktioniert auch. Dazu möchte (und darf) er mit den höheren Temperaturen wieder mehr und länger raus, allerdings momentan eher nachts als tags. Aber das ist mir sehr recht: Tagsüber ist es draußen naturgemäß sehr unruhig, und wenn meine Seniorenkatze (13) dann in der sicheren Wohnung den größten Teil des Tages verpennt, muss ich mir keine Gedanken um sein Wohlergehen machen.

 

GHOST | Drabble

Er ist weg. WEG. Und sie ist wieder allein, allein.

Sie starrte auf ihr Handy. Nichts, keine Nachricht, kein Lebenszeichen. Seit fünf Tagen schon. Das war ungewöhnlich bei jemandem, der sich sonst mehr als zuverlässig meldete. Wurde sie gerade geghostet? Was war passiert? Ihr Kopfkino rödelte unablässig und lief langsam heiß. Vom edlen Ritter in schimmernder Rüstung, der sich einer humanitären Mission angeschlossen hatte, bis hin zur Flucht vor der Steuerfahndung ins Ausland (sie traute ihm beides zu) hatte sie alles durch, von eher profanen Anlässen wie Unfall etc. völlig abgesehen.

Er ist weg. WEG. Plötzlich hasste sie die Fantas.



Bild: Wupperpostille, Bearbeitung von mir

Ein Drabble ist ein Text, der aus genau 100 Wörtern besteht. Keins mehr, keins weniger. Reiner gibt auf seinem Blog Wupperpostille zusätzlich noch drei einzubauende Wörter vor, und ich wollte auch mal wieder dabei sein.

Falls jemand einen Ohrwurm möchte (mit dem es bei mir anfing): Hier (Link zu YouTube) und hier (Wikipedia). Die Fantastischen Vier werden als »Fantas« abgekürzt.

Nicht autobiografisch; lebende Personen dienen als Motiv, sind jedoch ausdrücklich nicht gemeint.

 

Vom Frühling, klassisch

Der Frühling

Der Mensch vergißt die Sorgen aus dem Geiste,
Der Frühling aber blüht, und prächtig ist das meiste,
Das grüne Feld ist herrlich ausgebreitet,
Da glänzend schön der Bach hinuntergleitet.

Die Berge stehn bedecket mit den Bäumen,
Und herrlich ist die Luft in offnen Räumen,
Das weite Tal ist in der Welt gedehnet
Und Turm und Haus an Hügeln angelehnet.

Mit Untertänigkeit
Scardanelli.

(Friedrich Hölderlin, Der Frühling, aus: Gedichte 1806–1843, Online-Quelle)

Er ist’s.

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab’ ich vernommen!

(Eduard Mörike, Er ist’s, aus: Maler Nolten. Novelle in zwei Teilen. 2. Teil, S. 330, 1829 entstanden, Online-Quelle)

5. Lob des Frühlings.

Saatengrün, Veilchenduft,
Lerchenwirbel, Amselschlag,
Sonnenregen, linde Luft!

Wenn ich solche Worte singe,
Braucht es dann noch großer Dinge,
Dich zu preisen, Frühlingstag?

(Ludwig Uhland, Lob des Frühlings, aus: Gedichte, 1815, Online-Quelle)

VI.

Leise zieht durch mein Gemüth
Liebliches Geläute.
Klinge, kleines Frühlingslied,
Kling’ hinaus in’s Weite.

Kling’ hinaus, bis an das Haus,
Wo die Blumen sprießen.
Wenn du eine Rose schaust,
Sag’ ich lass’ sie grüßen.

(Heinrich Heine, Leise zieht durch mein Gemüt, aus: Neue Gedichte, 1844, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Es ist nicht zu ändern: Diese Woche überrollt uns der Frühling, zumindest kalendarisch – ich weiß nicht, wie es bei euch aussieht, aber hier ist es nachts oft noch recht kalt, auch wenn meine Wetter-App meint, es sei für März insgesamt zu warm. Also hoffe ich, ihr könnt in Frühlingslaune sein und euch an meinen Gedichten erfreuen, die dieses Mal allesamt etwa 100 Jahre älter sind als sonst. Klassiker halt.

Kommt heiter und heil in und durch die neue Woche!

 

Vom Hafen

Im Hafen

Vor meinem Fenster fliesst ein Bach,
Der hält die ganze Nacht mich wach,
Singt immerfort sein Sehnen
In ungestillten Thränen.

Und seinen Tropfen träum ich nach …
Da rinnen mit dem rauschenden Bach
Gedanken in die Fernen,
Bis zu den stillsten Sternen.

Sie rinnen in die tiefe Flut
Der Ewigkeit. Da ruht sichs gut.
Da ruht sichs in dem Hafen,
Wo alle Stürme schlafen

(Karl Ernst Knodt, Im Hafen, aus: Neue Gedichte, 1. Teil, 1902, Online-Quelle)

Auf hoher Insel

Auf hoher Insel
steh ich alleine.
Düne und Steine
sind nicht zu befragen.
Ewig zerrinnen
Wellen und Sand.

Aber die Göttin
liebender Nächte
tröstet den Frager
und in der Seele
öffnet sie innen
Hafen und Land.

(Rudolf G. Binding, Auf hoher Insel, aus: Nordische Kalypso, 1937(?), Online-Quelle)

Wo aber fliegen die Abendvögel hin?

Die Tauben schlummern im Hause:
Wo aber fliegen die Abendvögel hin?
Der Wasserfall dämpft sein Gebrause:
Wo aber rinnen die Bäche hin?
Friedlich wurzelt der Rauch auf den Dächern:
Wo aber strömt das Nachtgewölk hin?
Lichter stehen in tausend Gemächern:
Wo aber sinken die Sterne hin?
Immer indem wir liegen und schlafen
Lösen sich Schiffe dunkel vom Hafen.

(Albin Zollinger, Wo aber fliegen die Abendvögel hin?, aus: Gedichte, 1933. Beleg, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Jaaa, ich gebe zu, dass ich eine Vorliebe für die „Abendvögel“ habe, sollten sie jemandem von euch irgendwie bekannt vorkommen.
Jaaa, ich habe letztes Wochenende ein paar Stunden am Hafen verbracht, genauer gesagt, an den Hamburger Landungsbrücken, und es war wieder mal wunderschön. Das oben ist Alaska.

Und oh: Ich habe noch ein Mascha-Kaléko-Gedicht für euch, das ich mal wieder nicht zitieren darf, aber hoffentlich die Leute hinter goodreads: Die Andern sind das weite Meer. Du aber bist der Hafen.

Kommt gut (gelaunt), gesund und heiter in und durch die neue Woche!

Vom Vorfrühling (4)

XXV

Schon, horch, hörst du der ersten Harken
Arbeit; wieder den menschlichen Takt
in der verhaltenen Stille der starken
Vorfrühlingserde. Unabgeschmackt

scheint dir das Kommende. Jenes so oft
dir schon Gekommene scheint dir zu kommen
wieder wie Neues. Immer erhofft,
nahmst du es niemals. Es hat dich genommen.

Selbst die Blätter durchwinterter Eichen
scheinen im Abend ein künftiges Braun.
Manchmal geben sich Lüfte ein Zeichen.

Schwarz sind die Sträucher. Doch Haufen von Dünger
lagern als satteres Schwarz in den Aun.
Jede Stunde, die hingeht, wird jünger.

(Rainer Maria Rilke, XXV [Schon, horch, hörst du der ersten Harken], aus: Sonette an Orpheus, Zweiter Teil, entstanden 19./23.2.1922 in Muzot, Online-Quelle)

Vorfrühling

Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,

greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.

(Rainer Maria Rilke, Vorfrühling, In: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Muzot, etwa 20. Februar 1924), Online-Quelle)

Frühling.

Frühling.
Ein erstes Blühen
In zarten Frühen,
Vom Himmelssaum
Ein Stern noch schaut.
Ein Lercheschlag
Im stillen Raum,
Weit vor Tag
Und sonst kein Laut.
O Liebe.

(Georg Heym, Frühling, aus: Frühwerk, in: Georg Heym, Dichtungen und Schriften, Gesamtausgabe, Band 1: Lyrik, Verlag Heinrich Ellermann 1964, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Ich komme von meiner Rilke-Lektüre nicht los, Rilke fasziniert mich – sein Vorfrühling-Gedicht habe ich schon vorher geliebt. Außerdem habe ich das schöne und warme Wetter des Wochenendes genutzt, um viel draußen zu sein: Ich habe die ersten Spechte gehört und Haubentaucher hochzeiten gesehen und, ich schwör’, das erste Grillfleisch draußen gerochen. Und die ersten Bäume werden grün. Da kommt auch die Androhung, dass die Nachttemperaturen noch mal auf den Gefrierpunkt fallen werden, nicht gegen an. Sogar der Fellträger will länger raus.

Kommt ihr heil, gesund und heiter in und durch die nächste Woche, ja? Ich zähl auf euch, wenn schon die Welt spinnt …

 

Schreibeinladung für die Textwochen 10*11*12*13*14**24 | Wortspende von puzzleblume

Der Februar ist ins Land gezogen, liebe Etüdenfans, -schreiber*innen und -leser*innen, Karneval ist vorbei, wir befinden uns mitten in der Fastenzeit – und der Frühling hält Einzug, trotz Androhung eventueller Nachtfröste! Ich habe heute die ersten Forsythien ergelben sehen und der Fellträger präsentierte die erste Zecke des Jahres.
Und Ende des Monats ist schon Ostern, einer der Eckpunkte meines Jahres. Wie, schon Ostern, eben war doch erst Weihnachten? Ja, eben, wobei Ostern dieses Jahr früh ist. Wir haben mit 5 Wochen übrigens wieder einen langen Monat – durch die Umstellung auf Monate gibt es ja keine Extraetüden mehr, aber das wäre sonst ein Monat dafür gewesen.

Die Anzahl der Etüden hat abgenommen, was zu erwarten war, nachdem ich über die Höhe frohlockt hatte, und natürlich auch, weil der Februar kurz ist. Die Statistik weist aber immer noch stattliche 59 Etüden von 27 Blogs aus. Und Joram mit seinem Blog »der grüne Bleistift« hat mit Geschichten aus Togo zu uns gefunden. Ein herzliches Willkommen bei den Etüdenverrückten!
Die Spitze der Liste teilen sich Cynthia alias Rübenigel und Puzzleblume, die neue Wortspenderin für März, die beide mit 7 Etüden die Liste anführen. Werner hat 5 Etüden beigesteuert, Monika und Gerhard jeweils 4.

Ich ärgere mich ein bisschen, entgegen meiner erklärten Absicht nicht häufiger zum Schreiben gefunden zu haben, aber es ging nicht, mir fehlte die zündende Idee und auf den letzten Metern hatte ich Stress im Job. Außerdem versuche ich, wieder mehr Zeit draußen zu verbringen. Eins geht nur.

Vielen Dank also wie immer euch allen anderen, die Lust hatten, mitzuschreiben und/oder mitzulesen, die gelikt und kommentiert haben! Und wie immer mein Extradank an jede*n von euch, speziell Wortspender Werner, den unermüdlichen, den*die ich in den teilnehmenden Blogs getroffen habe und der*die dort kommentiert/mitdiskutiert hat.

Wie ebenfalls immer bitte ich euch, die Liste zu kontrollieren, ob jede eurer Etüden dort verzeichnet ist oder ob euch sonst was komisch vorkommt. Die Wege von WP sind oft unergründlich, aber wenn ihr euren oder meinen Reader (https.//wordpress.com …) verlinkt, dann pingt es höchstwahrscheinlich nicht! Um sicherzugehen, brauche ich unbedingt einen verfolgbaren Link in den Kommentaren von euch, damit ihr auf die aktuelle Liste kommt. Ich ergänze oder korrigiere gerne, wenn irgendwas nicht stimmt oder eine Etüde fehlt.
Ich trage auch Nachzügler nach.

Bereit für die zweite Etüdenliste des Schreibjahres 2024? Hier ist sie!


Jane auf Blood, Tears, Gold & Minds: hier und hier 
Alice auf Make a Choice Alice: hier
Gerhard auf Kopf und Gestalt: hier, hier, hier und hier  
Olpo auf olpo run: hier, hier und hier
Puzzleblume auf puzzle ❀: hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier 
Heidi auf Erinnerungswerkstatt: hier  
Kain Schreiber auf Gedankenflut: hier, hier und hier
Cynthia alias Rübenigel auf Querfühlerin: hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier    
Sabine auf Verbalkanone: hier
Joram auf der grüne bleistift: hier 
Werner auf Mit Worten Gedanken horten: hier, hier, hier, hier und hier 
Meine (Christiane) auf Irgendwas ist immer: hier
Don Esperanza auf Don Esperanza’s ramblings: hier und hier
Tanja auf Stachelbeermond: hier
m.mama auf L wie …: hier, hier und hier
Monika auf Allerlei Gedanken: hier, hier, hier und hier
Reiner Grinsekatz auf wupperpostille: hier   
Maren auf Ich lache mich gesund: hier   
Gerda von GERDA KAZAKOU: hier
Myriade auf la parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée: hier 
B. auf Private Promenade: hier 
Luca8910 auf Schreibenblog: hier 
Katharina auf Katha kritzelt: hier    
Christian auf Wortverdreher: hier, hier und hier 
Judith auf Mutiger Leben: hier 
Natalie im Fundevogelnest: hier  
Nina vom Bodenlosz-Archiv: hier


Die Wortspende für März 2024 bzw. für die Textwochen 10, 11, 12, 13 und 14 des Jahres 2024 kommt von Puzzleblume und ihrem Blog puzzle ❀. Sie lautet:

Abendbrot
heimatlos
auszeichnen.

(AbendBrot, ihr Lieben, nicht AbendRot!)


Wie immer an dieser Stelle weise ich darauf hin, dass der obligatorische Etüden-Disclaimer nach wie vor lautet: 3 Begriffe in maximal 300 Wörtern.
Eventuelle Inhaltshinweise (Triggerwarnungen) und die Überschrift zählen NICHT zum Text. Nach intensiver Diskussion bleibt das Setzen von Inhaltshinweisen (CN/Triggerwarnungen, z. B. in den Schlagwörtern) jedem teilnehmenden Blog freigestellt. Die Illustrationen unterliegen nach wie vor meinem Copyright und dürfen von jedem*jeder verwendet werden, der*die sich mit einem eigenen Beitrag an den Etüden beteiligt. Ich behalte mir vor, Kommentare zu moderieren, wenn nötig – ich darf das, weil es mein Blog ist, aber ich weise sicherheitshalber darauf hin. Wer sich die Illustrationen herunterladen möchte, sollte sie vorher großklicken, danach kann man sie in der Regel downloaden und bei sich wieder hochladen.

Noch Fragen zu den Etüden? Hier habe ich das Kleingedruckte zusammengetragen. Wenn euch was auffällt – ihr wisst ja.

Die nächsten Wörter gibt es am ersten Sonntag im April, dann ist Ostern vorbei, das ist der 7. April 2024. Euch wie immer weiterhin ein schönes Wochenende und gute Einfälle! Danke, dass ihr hier seid und die Etüdenverrückten bereichert. Ich freue mich sehr auf eure Einfälle.

 

abc.etüden 2024 10+11+12+13+14 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

abc.etüden 2024 10+11+12+13+14 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

abc.etüden 2024 10+11+12+13+14 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir