Ostern
Wenn die Schokolade keimt,
Wenn nach langem Druck bei Dichterlingen
„Glockenklingen“ sich auf „Lenzesschwingen“
Endlich reimt,
Und der Osterhase hinten auch schon preßt,
Dann kommt bald das Osterfest.
Und wenn wirklich dann mit Glockenklingen
Ostern naht auf Lenzesschwingen, – – –
Dann mit jenen Dichterlingen
Und mit deren jugendlichen Bräuten
Draußen schwelgen mit berauschten Händen – – –
Ach, das denk ich mir entsetzlich,
Außerdem – unter Umständen –
Ungesetzlich.
Aber morgens auf dem Frühstückstische
Fünf, sechs, sieben flaumweich gelbe, frische
Eier. Und dann ganz hineingekniet!
Ha! Da spürt man, wie die Frühlingswärme
Durch geheime Gänge und Gedärme
In die Zukunft zieht,
Und wie dankbar wir für solchen Segen
Sein müssen.
Ach, ich könnte alle Hennen küssen,
Die so langgezogene Kugeln legen.
(Joachim Ringelnatz, Ostern, aus: Allerdings, 1928, Online-Quelle)
Auf ein Ei geschrieben
Ostern ist zwar schon vorbei,
Also dies kein Osterei;
Doch wer sagt, es sei kein Segen,
Wenn im Mai die Hasen legen?
Aus der Pfanne, aus dem Schmalz
Schmeckt ein Eilein jedenfalls,
Und kurzum, mich tät’s gaudieren,
Dir dies Ei zu präsentieren,
Und zugleich tät es mich kitzeln,
Dir ein Rätsel drauf zu kritzeln.
Die Sophisten und die Pfaffen
Stritten sich mit viel Geschrei:
Was hat Gott zuerst erschaffen,
Wohl die Henne? wohl das Ei?
Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward ein Ei erdacht:
Doch weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hat’s der Has gebracht.
(Eduard Mörike, Auf ein Ei geschrieben, aus: Gedichte (Ausgabe 1867), Online-Quelle)
O Welt in einem Ei
O Welt im Ei, von Haut
Und Schale rings umgeben!
Wenn dich die Sonne schaut,
Beginnt dein freieres Leben.
Dann lebst du, wie dein Ahne will,
Als Strauß, als Fisch, als Krokodil,
Als Huhn ein Mehrerwachen,
Ein größeres Glück und größere Qual
In einem weiteren Oval.
Bis neue Schalen krachen.
O Welt in einem Ei,
Wie Wichtiges entscheidet sich,
Geht deine Wand entzwei.
Vielleicht verschlingt man, kocht man dich,
Ißt dich mit Senf, mit Kaviar
(Störs ungezählten Eiern!).
Und wenn sie Ostern feiern,
Die dich verschlucken roh und gar,
Dann lachen sie und spaßen
a conto Osterhasen.
Doch wer von ihnen denkt dabei
An dich, du Mikrowelt in einem Ei?!
(Joachim Ringelnatz, O Welt in einem Ei, aus: Gedichte, Gedichte von Einstmals und Heute, 1934, Online-Quelle)
Quelle: Pixabay
Ihr Lieben, ich wünsche euch schöne Ostertage (gehabt zu haben), kommt gut, gesund und heiter in die neue Woche! Ich hoffe, die Zeitumstellung beutelt euch nicht so sehr. Ich jedenfalls fluche wie jedes Jahr.
Mit Gedichten zu Ostern ist das so eine Sache. Die ernsten, die ich zitieren düfte, mag ich meist nicht, weil ich sie unerträglich fromm finde und das nicht aushalte, die anderen sind oft für Kinder gemacht und sehr leicht/seicht von der Sprache her, auch das ist normalerweise nicht mein Fall. Übrig bleibt da nicht viel.
Wie dem auch immer sei: Lasst es euch gut ergehen!