Vom Frühling im April

Frühlings-Seufzer

Großer Gott, in dieser Pracht
Seh’ ich Deine Wunder-Macht
Mit vergnüg’ter Seelen an.
Es gereiche dir zu Ehren,
Daß ich sehen, daß ich hören,
Fühlen, schmecken, riechen, kann!

(Barthold Hinrich Brockes, Frühlings-Seufzer, aus: Irdisches Vergnügen in Gott, Zweyter Theil, 1739, Online-Quelle)

April

Das ist die Drossel, die da schlägt,
Der Frühling, der mein Herz bewegt;
Ich fühle, die sich hold bezeigen,
Die Geister aus der Erde steigen.
Das Leben fließet wie ein Traum –
Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.

(Theodor Storm, April, aus: Gedichte (Ausgabe 1885), entstanden 1853, Online-Quelle)

April.

Wie der Südwind pfeift,
In den Dornbusch greift,
Der vor unserm Fenster sprießt.
Wie der Regen stürzt
Und den Garten würzt
Und den ersten Frühling gießt!

Plötzlich säumt der Wind,
Und der Regen rinnt
Spärlich aus dem Wolkensieb.
Und die Mühle dreht
Langsam sich und steht,
Die noch eben mächtig trieb.

Schießt ein Sonnenblick
Über Feld und Knick,
Wie der Blitz vom Goldhelm huscht
Und auf Baum und Gras
Schnell im Tropfennaß
Tausend Silbertüpfel tuscht.

Wieder dann der Süd,
Immer noch nicht müd,
Zornt die Welt gewaltig an.
Und der Regen rauscht,
Und der Garten lauscht
Demütig dem wilden Mann.

Meiner Schulter dicht
Lehnt dein hold Gesicht,
Schaut ins Wetter still hinein.
Kennst das alte Wort,
Ewig währt es fort:
Regen tauscht und Sonnenschein.

(Detlev von Liliencron, April, aus: Liliencrons Gedichte. Auswahl für die Jugend. Zusammengestellt von der Lehrervereinigung zur Pflege der künstlerischen Bildung in Hamburg, 1901, Online-Quelle)

Aus einem April

Wieder duftet der Wald.
Es heben die schwebenden Lerchen
mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war;
zwar sah man noch durch die Aeste den Tag, wie er leer war, –
aber nach langen, regnenden Nachmittagen
kommen die goldübersonnten
neueren Stunden,
vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten
alle die wunden
Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.

Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz
in die glänzenden Knospen der Reiser.

(Rainer Maria Rilke, Aus einem April, aus: Das Buch der Bilder, 1. Buch, Teil 1, 1906, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Ich glaube, im Moment muss bei mir immer bisschen Rilke sein. Das ist der „Sound“ einzelner Sätze, der bei mir hängen bleibt … „Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser über der Steine ruhig dunkelnden Glanz. Alle Geräusche ducken sich ganz …“

Kommt gut, gesund und heiter in und durch die neue Woche, möge sie warm sein oder kühl, sonnig oder regnerisch … 😉

 

19 Kommentare zu “Vom Frühling im April

  1. Guten Morgen, liebe Christiane, in jedem Gedicht finde ich den Frühling wieder, so, wie er sich zeigt, wenn er langsam über das Land kommt. Hier höre auch ich die Lerchen über den Feldern singen, Sonne und Regen wechseln sich ab, gestern im Wald gab es so viele unterschiedliche Gerüche, Zitronenfalter (viele) tändelten an den Wegesrändern, ein Pfauenauge ruhte mit weit ausgebreiteten Flügeln in der Sonne, im Garten tändelten die Aurorafalter und ein Bläuling zeigte sich. Da habe ich an dich gedacht und gehofft, dass es in diesem Jahr wieder mehr Schmetterlinge geben würde.
    Ich wünsche dir eine freundliche und heitere Woche.
    Herzliche Kaffeegrüße aus dem Regenland, Ulli

    Gefällt 1 Person

    • Moin Ulli, ich habe gestern an der Elbe viele Tagpfauenaugen gesehen und war völlig glücklich. Außerdem gab es Sonne, Wärme, Wind und Eis auf die Hand 🍦
      Nachts ist schon zweimal eine nasse Katze reingekommen und hat mir was von Hunger und Frühling erzählt. Der Tag könnte schlechter anfangen. 🧡
      Morgenkaffeegrüße mit Regen zurück ☁️🌧️🎶☕🍪

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  2. Das mit dem „Sound einzelner Sätze“ ist exakt das, was mir bei Rilke-Gedichten auch öfter durch den Kopf geht, nur hätte ich das nicht so prägnant in Worte fassen können. So finde ich beispielsweise, dass wohl selten ein schönerer Satz als „Es heben die schwebenden Lerchen
    mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war“ geschrieben wurde.

    Abseits davon zeigt uns das Brockes-Gedicht, dass man Lebensfreude schon vor knapp 300 Jahren auf eine irgendwie schöne Art in Worte fassen konnte. Gefällt mir.

    Ich wünsche einen schönen Wochenstart.

    Gefällt 2 Personen

    • Ja, siehst du, bei dir bleibt der Anfang hängen, bei mir das Ende … Freut mich sehr.
      Und den Brockes finde ich sehr erstaunlich. Ich meine, das ist Barock!!! Ich glaube, der hat auch ein absolut „modernes“ Kirschblütengedicht geschrieben, ich muss gleich mal nachsehen.
      Danke dir, auch dir eine gute Woche!
      Vormittagskaffeegrüße 🌥️🦋🎶☕🍪

      Gefällt 1 Person

  3. Der Seufzer und das Mitempfinden mit Blume, Blatt und Baum, ist sehr sehr treffend. Auch, dass wir im Frühling den Regen eher aushalten als zu anderen Zeiten, wenn wir auch genügend Sonnenschein hatten.

    Feine Lyrik alles. Der Satz von Rilke ließ mich gleich nochmals lesen, was er so wunderbar dichtet. Da kommt er leicht daher, was ja nicht immer der Fall ist, und setzt sich fein ins Gemüt, dass man nicken möge und ihm zustimmen…

    Liebe Grüße,

    bei Sonnenschein hinter zugeknöpftem Himmelshemd

    Syntaxia

    Gefällt 2 Personen

    • Da hast du recht, Rilke hat sehr viele Facetten und vieles ist (mir) nicht leicht verständlich. Aber er macht es sich nicht leicht, was seine Dichtung angeht, er ist immer mit ganzem Herzen dabei …
      Freut mich, dass dir die Gedichte etwas geben. 😀
      Mittagskaffeegrüße 🌤️🦋🎶☕🍪

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  4. Oho, vier ausgesuchte April-Gedichte! Liebe Christiane, damit hatte ich gar nicht gerechnet, aber alle sind echt aprillig schön und lyrisch einwandfrei. Ich mag sie alle und möchte keines ausschließen.
    Theodor Storms Sätze „Das Leben fließet wie ein Traum –Mir ist wie Blume, Blatt und Baum“ sind einfach ganz wundervollund Wahrheit pur.
    Doch auch bei den anderen finde ich Worte und Zeilen, die wirklich so treffend und gut sind, daß ich mich zu einem Favoriten gar nicht entscheiden könnte.
    Supertolle Auswahl!
    Ganz herzliche Abendgrüße von Bruni an Dich, liebe Christiane

    Gefällt 1 Person

    • Es gibt auch Aprilgedichte ohne Schnee, liebe Bruni, höchstens Blütenschnee … 😉
      Auch schön, dass du dich gar nicht entscheiden magst, das gibt es auch nicht so oft 😁
      Morgenkaffeegrüße, hab einen schönen Tag ☁️🌥️🎶☕🍪

      Gefällt 1 Person

    • Ich möchte auch solche Nachbarn haben! 😁
      Freut mich, dass du Storm magst. Für mich gehört er auch zu den Großen seines Fachs.
      Herzliche Abendgrüße (und Glückwünsche 💐 nachträglich, falls es noch passt) ☁️🌱🎶🍵🍪

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