Begegnung
So viele schöne Pfirsiche sind,
In die niemand beißt.
Die Gier kann auch ein verschämtes Kind
Sein. Was du nicht weißt.
Ohne Lüge kann ich mancherlei
Dir sagen, klänge dir wie Gold.
Doch zeigte ich mein Wahrstes ganz frei,
Wärest du mir nicht mehr hold.
Mädchen versäume dich nicht
Und hüte dich vor List!
Ich aber träume dich,
Wie du gar nicht bist.
(Joachim Ringelnatz, Begegnung, aus: Gedichte dreier Jahre, 1932, Online-Quelle)
Begegnung
Das süße Lächeln starb dir im Gesicht,
Und meine Lippen zuckten wie im Fieber;
Doch schwiegen sie – auch grüßten wir uns nicht,
Wir sahn uns an und gingen uns vorüber.
(Theodor Storm, Begegnung, in: Gedichte II aus: Gedichte – Nachlese, Online-Quelle)
Die arme Frau
Mein Mann? mein dicker Mann, der Dichter?
Du lieber Gott, da seid mir still!
Ein Don Juan? Ein braver, schlichter
Bourgeois – wie Gott ihn haben will.
Da steht in seinen schmalen Büchern,
wieviele Frauen er geküßt;
von seidenen Haaren, seidenen Tüchern,
Begehren, Kitzel, Brunst, Gelüst …
Liebwerte Schwestern, laßt die Briefe,
den anonymen Veilchenstrauß!
Es könnt ihn stören, wenn er schliefe.
Denn meist ruht sich der Dicke aus.
Und faul und fett und so gefräßig
ist er und immer indigniert,
Und dabei gluckert er unmäßig
vom Rotwein, den er temperiert.
Ich sah euch wilder und erpichter
von Tag zu Tag – ach! laßt das sein!
Mein Mann? mein dicker Mann, der Dichter?
In Büchern ja.
Im Leben: nein.
(Kurt Tucholsky, Die arme Frau, aus: Mit 5 PS, 1928, Online-Quelle)
Quelle: Pixabay (Dresden)
Ja, auch zu Adventüden-Zeiten gibt es die Montagsgedichte. Ich versuche, einen Aspekt der jeweiligen Etüde aufzugreifen und hoffe, es gelingt …
Kommt gesund und einigermaßen heil in und durch die neue Woche!