Nebeltag
Nun weicht er nicht mehr von der Erde,
Der graue Nebel, unbewegt;
Er deckt das Feld und deckt die Heerde,
Den Wald und was im Wald sich regt.
Er fällt des Nachts in schweren Tropfen
Durch’s welke Laub von Baum zu Baum,
Als wollten Elfengeister klopfen
Den Sommer wach aus seinem Traum.
Der aber schläft, von kühlen Schauern
Tief eingehüllt, im Todtenkleid –
O welch’ ein stilles, sanftes Trauern
Beschleicht das Herz in dieser Zeit! –
Im Grund der Seele winkt es leise,
Und vom dahingeschwundnen Glück
Beschwört in ihrem Zauberkreise
Erinn’rung uns den Traum zurück.
(Hermann Lingg, Nebeltag, aus: Gedichte, Zweiter Band, 1868, Online-Quelle)
Novembertag
Geht ein sonnenloser Tag
wiederum zur Neige,
und der graue Nebel tropft
durch die kahlen Zweige.
Leise atmend ruht die See,
müde, traumumsponnen …
eine Woge, schaumgekrönt,
ist im Sand zerronnen.
(Clara Müller-Jahnke, Novembertag, aus: Wintersaat, in: Gedichte, 1910, Online-Quelle)
Meeresstrand
Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmrung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein.
Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.
Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen –
So war es immer schon.
Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.
(Theodor Storm, Meeresstrand, aus: Gedichte (Ausgabe 1885), Online-Quelle)
Quelle: ichmeinerselbst vor ein paar Jahren
Wie immer: Kommt gut und unbeschadet in und durch die neue Woche!