Von Gedichten und Verwandtschaft

Und was macht das Kind?
Das Kind liest.
Was liest das Kind denn? 

Das Kind – ich – las unter anderem Gedichte, was die gesammelte Verwandtschaft und Bekanntschaft häufig dazu animierte, mich zu fragen, ob ich denn auch was aufsagen könne. Konnte ich, kluges Kind baut vor. Ich war präpariert.


Bumerang

War einmal ein Bumerang;
War ein Weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum – noch stundenlang –
Wartete auf Bumerang.

(Joachim Ringelnatz, Bumerang, aus: Turngedichte, 1923, Online-Quelle)


Jaha. In der Kürze liegt die Würze. Das Bumerang-Gedicht mag und mochte ich übrigens erheblich lieber als die ebenfalls sehr populären „Ameisen“ (Wikipedia, hier klicken), das ist eine Frage des Humors, den ich hier subversiver fand.

Wer weiter insistierte, machte die Bekanntschaft mit Herrn Palmström.


Palmström

Palmström steht an einem Teiche
und entfaltet groß ein rotes Taschentuch:
Auf dem Tuch ist eine Eiche
dargestellt, sowie ein Mensch mit einem Buch.

Palmström wagt nicht sich hineinzuschneuzen –
er gehört zu jenen Käuzen,
die oft unvermittelt-nackt
Ehrfurcht vor dem Schönen packt.

Zärtlich faltet er zusammen,
was er eben erst entbreitet.
Und kein Fühlender wird ihn verdammen,
weil er ungeschneuzt entschreitet.

(Christian Morgenstern, Palmström, aus: Palmström, 1910, Online-Quelle)


Nun verunsichert auch Palmström, vor allem, wenn er ernst vorgetragen wird, denn das ist NICHT das, woran sich die meisten aus ihrer eigenen Schulzeit erinnern, Glocke, Bürgschaft, John Maynard etc. Okay, ich hatte Glück, aber dass ich „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ (Fontane, hier klicken für Info, hier für Text) immer noch mag, liegt nicht an meinem Deutschlehrer, möge er in der Lehrerhölle schmoren.

Um eventuelle Fragende dann komplett zu verschrecken, hatte ich noch den „Tantenmörder“ im Angebot.


Der Tantenmörder

Ich hab’ meine Tante geschlachtet,
Meine Tante war alt und schwach;
Ich hatte bei ihr übernachtet
Und grub in den Kisten-Kasten nach.

Da fand ich goldene Haufen,
Fand auch an Papieren gar viel
Und hörte die alte Tante schnaufen
Ohn’ Mitleid und Zartgefühl.

Was nutzt es, daß sie sich noch härme –
Nacht war es rings um mich her –
Ich stieß ihr den Dolch in die Därme,
Die Tante schnaufte nicht mehr.

Das Geld war schwer zu tragen,
Viel schwerer die Tante noch.
Ich faßte sie bebend am Kragen
Und stieß sie ins tiefe Kellerloch. –

Ich hab’ meine Tante geschlachtet,
Meine Tante war alt und schwach;
Ihr aber, o Richter, ihr trachtet
Meiner blühenden Jugend-Jugend nach.

(Frank Wedekind, Der Tantenmörder, aus: Die vier Jahreszeiten, 1905, Online-Quelle)


Heute weiß ich, dass der „Tantenmörder“ ein reales Vorbild hatte (Wikipedia, hier lesen), damals (vor den Zeiten des Internets und Wikipedia) hielt ich das für eine Moritat wie „Sabinchen war ein Frauenzimmer“ etc. Wenn man das mit ernsthaftestem Gesicht vorträgt, zeigt es bei gewissen anwesenden Damen durchaus Wirkung, ich kann es nur weiterempfehlen.
Hinterher fromm lächeln nicht vergessen!



Quelle: Pixabay

Mir stand der Sinn nach bisschen Unsinn, Schwermut begegnet mir gerade genug. Kommt gut und heil und heiter in und durch diese neue Woche: Nächste Woche ist ja schon wieder Feiertag!

 

 

Die unmögliche Tatsache* | abc.etüden

 

Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.

Wie war (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
möglich, wie dies Unglück, ja –:
daß es überhaupt geschah?

Ist die Staatskunst anzuklagen
in Bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?

Oder war vielmehr verboten,
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln, – kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht –?

Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im Klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!

Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.

 

Mangelnde Akkuratesse konnte man ihm nicht unterstellen, so viel war schon mal klar. Was wäre er denn sonst bitte, ein Geist? Ha, Abgründe der Sophisterei, wie liebte er sie! Er räumte etwas mühsam die Folianten zurück an ihre Plätze in seiner Bibliothek. Man war wirklich nicht mehr der Jüngste, aber freiwillig würde er seine Arbeit nicht anderen überlassen, er nicht, noch nicht! Sein frisch aufgebrühter Lieblingstee duftete herb nach Kräutern; eine Tasse, dann würde er beruhigt schlafen gehen können.

Als die Standuhr in der Bibliothek dröhnend Mitternacht schlug, sanken die feuchten Tücher zu Boden. Die durchscheinende Tasse aus feinstem Porzellan zerschellte auf dem schweren Eichenschreibtisch, der Tee hinterließ Flecken, die keiner mehr würde beseitigen können.
Ein Seufzer durchzitterte den Raum.
Das Fenster öffnete sich ohne fremdes Zutun, ein Windzug bauschte die bodenlangen Vorhänge auf, die dann wieder schlaff herabhingen.

Der alte Richter war verschwunden.


 

abc.etüden 2024 19+20+21+22 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

* Christian Morgenstern, Die unmögliche Tatsache, aus: Palmström, 1910, Online-Quelle

 

Für die abc.etüden, Textwochen 19, 20, 21 und 22 des Jahres 2024: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende kommt von Cynthia und ihrem Blog Querfühlerin. Sie lautet: Geist, herb, unterstellen.

Ebenso habe ich die »Abgründe« für Myriades Impulswerkstatt darin untergebracht und mich darüber sehr gefreut. 😉

Ich glaube, mir fehlt der Zugang zu den modernen Geistergeschichten. Dieses Gedicht jedoch begleitet mich seit meiner Kindheit, und irgendwann dachte ich: Und was, wenn er wirklich tot ist, jedoch »entschlossen weiterlebt«, was ist dann?
Nun, dann schlägt es irgendwann Mitternacht …

 

 

Von Kuckuck und Mai (2)

Kuckuck

Sie hat den Kuckuck gefragt:
Kuckuck, wie lang noch?
Dreimal rief er und schwieg.
Sie harrte bang noch –

Still war der Wald. Ins Tal
sah sie befangen.
Über die Sonne sind
Wolken gegangen …

(Richard von Schaukal, Kuckuck, aus: Gedichte (1918), Online-Quelle)

 

Von allen Zweigen perlt der goldne Schaum

Von allen Zweigen perlt der goldne Schaum,
Auf allen Bäumen flammen Blütenbrände,
Unzählbar lacht der Kuckuck durch den Raum.
Frag ich ihn bang nach meines Lebens Ende.
Es blüht und lebt bis an der Erde Saum,
Wird blühn und leben, singt er, ohne Wende,
Als wäre Frühling nicht ein kurzer Traum.
Auch du bist ewig! Spare nicht, verschwende!

(Ricarda Huch, Von allen Zweigen perlt der goldne Schaum, aus: Herbstfeuer. Gedichte, Insel Verlag zu Leipzig 1944, Online-Quelle)

 

ABSCHIED

Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt.
Wie weiß ich’s noch: ein dunkles unverwundnes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.

Wie war ich ohne Wehr dem zuzuschauen
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wären’s alle Frauen
und dennoch klein und weiß und nichts als dies:

Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leise Weiterwinkendes —, schon kaum
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum,
von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.

(Rainer Maria Rilke, Abschied, aus: Neue Gedichte, 1907, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Gestern Abend war es feucht und kühl, aber als ich meine abendliche Runde antrat, hörte ich am Teich den ersten Kuckuck dieses Jahres, laut, klar, deutlich und viele Rufe. Ein guter Anlass, euch noch mal ein paar Kuckuck-Gedichte – keine Kuckucksgedichte 😉 – vorzustellen …

Was für Kuckucksrufbräuche kennt ihr? Kennt ihr das, worauf die Gedichte abheben, dass die Anzahl der Kuckucksrufe die verbleibenden Lebensjahre angibt? Das habe ich von meiner Mutter gelernt, und hier oben hat man mir erklärt, man müsse den Geldbeutel oder eine Münze reiben, wenn man einen Kuckuck hört, das brächte Glück (Geld) …

Kommt alle gut, heiter und gesund in und durch die neue Woche!

Hier ist nächstes Wochenende Hafengeburtstag, ich hoffe, das Wetter spielt mit …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schreibeinladung für die Textwochen 19*20*21*22**24 | Wortspende von Querfühlerin

Wie jetzt? Ein Drittel des Jahres ist schon rum? »Kann weg«, sagt der Katzenherr, der neben mir auf der Couch residiert und schnurrt, »wir hatten schon bessere Monate.« Ja, besonders der April hatte es in sich (nicht wahr, Kater?), und auch der Mai verspricht bei mir ein Monat voller Arbeit und Termine zu werden. Keinesfalls unangenehm, das nun nicht, aber aufwendig. Kann mir gar nicht vorstellen, wie das wäre, nur Zeit für den Blog zu haben … Aber na ja, was solls. Immerhin war das Wetter bisher ziemlich erfreulich, also was fehlende Ausreißer nach oben und unten angeht.

Die Anzahl der Etüden hat im April nachgelassen, wobei ich vermute, dass meine Wortspende dran schuld ist – ich selbst war bester Hoffnung, viel dazu schreiben zu können, aber tja, siehe oben. Auf jeden Fall ist die neue Wortspende leichter zugänglich, denke ich. Die Statistik zählt 54 Etüden von 22 Blogs, was immer noch eine Menge ist, aber auch gern mehr sein könnte.

Die Spitze der Liste teilen sich Cynthia alias Rübenigel, die für den Mai die Wörter gespendet hat, und Puzzleblume, jeweils beide mit 12 Etüden! Meine Damen, wo führt denn das noch hin? 😉 m.mama hat 5 Etüden beigesteuert und Gerda 4, dagegen waren die Herren, die sonst fast immer eine sichere Bank sind, diesmal betrüblicherweise ein ziemlicher Ausfall. 😦

Vielen Dank euch allen anderen, die Lust hatten, mitzuschreiben und/oder mitzulesen, die gelikt und kommentiert haben! Vielen Dank an Kometen wie den Herrn Stepnwolf, die mit ihren Etüden mal eben durchschießen und den Horizont erhellen! Und wie immer geht ein Extradank auch an jede*n von euch, den*die ich in den teilnehmenden Blogs getroffen habe und der*die dort kommentiert/mitdiskutiert hat. Möge der Etüdenhaufen groß und bunt werden und bleiben!

Wie ebenfalls immer bitte ich euch, die Liste zu kontrollieren, ob jede eurer Etüden dort verzeichnet ist oder ob euch sonst was komisch vorkommt. Die Wege von WP sind viel zu oft unergründlich, aber wenn ihr euren oder meinen Reader (https.//wordpress.com …) verlinkt, dann pingt es höchstwahrscheinlich nicht! Um sicherzugehen, brauche ich unbedingt einen verfolgbaren Link in den Kommentaren von euch, damit ihr auf die aktuelle Liste kommt. Ich ergänze oder korrigiere gerne, wenn irgendwas nicht stimmt oder eine Etüde fehlt.
Ich trage auch Nachzügler nach, aber ich würde mich freuen, wenn ihr eure Etüden bis Samstagabend 20 Uhr einreichen könntet, damit ihr alle sicher auf der Liste seid, wenn es Sonntagmorgen in die neue Runde geht.

Bereit für die vierte Etüdenliste des Schreibjahres 2024? Hier ist sie!


Myriade auf la parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée: hier    
m.mama auf L wie …: hier, hier, hier, hier und hier   
Cynthia auf Querfühlerin: hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier      
Heidi auf Erinnerungswerkstatt: hier und hier     
Puzzleblume auf puzzle ❀: hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier      
Puzzleblume auf Puzzleblume ❀: hier  
Gerhard auf Kopf und Gestalt: hier und hier
Meine (Christiane) auf Irgendwas ist immer: hier  
Maren auf Ich lache mich gesund: hier   
Sabine auf Verbalkanone: hier  
Gerda von GERDA KAZAKOU: hier, hier, hier und hier     
Don Esperanza auf Don Esperanza’s ramblings: hier   
Leonisa vom Schreibenblog: hier 
Tanja auf Stachelbeermond: hier
Kain Schreiber auf Gedankenflut: hier 
Werner auf Mit Worten Gedanken horten: hier    
Natalie im Fundevogelnest: hier, hier und hier 
Stepnwolf auf Weltall. Erde. Mensch … und Ich.: hier  
Monika auf Allerlei Gedanken: hier    
Judith auf Mutiger Leben: hier 
Katharina auf Katha kritzelt: hier   
Donka auf onlybatscanhang: hier    


 

Die Wortspende für Mai 2024 bzw. für die Textwochen 19, 20, 21 und 22 des Jahres 2024 stammt von Cynthia alias Rübenigel (fragt Cynthia, was das ist) und ihrem Blog Querfühlerin. Sie lautet:

Geist
herb
unterstellen
.

 

 Wie immer an dieser Stelle weise ich darauf hin, dass der obligatorische Etüden-Disclaimer nach wie vor lautet: 3 Begriffe in maximal 300 Wörtern.
Eventuelle Inhaltshinweise (Triggerwarnungen) und die Überschrift zählen NICHT zum Text. Nach intensiver Diskussion bleibt das Setzen von Inhaltshinweisen (CN/Triggerwarnungen, z. B. in den Schlagwörtern) jedem teilnehmenden Blog freigestellt. Die Illustrationen unterliegen nach wie vor meinem Copyright und dürfen von jedem*jeder verwendet werden, der*die sich mit einem eigenen Beitrag an den Etüden beteiligt. Ich behalte mir vor, Kommentare zu moderieren, wenn nötig – ich darf das, weil es mein Blog ist, aber ich weise sicherheitshalber darauf hin. Wer sich die Illustrationen herunterladen möchte, sollte sie vorher großklicken, danach kann man sie in der Regel downloaden und bei sich wieder hochladen.

Noch Fragen zu den Etüden? Hier habe ich das Kleingedruckte zusammengetragen. Wenn euch was auffällt – ihr wisst ja.

Die nächsten Wörter gibt es am ersten Sonntag im Juni, das ist der 2. Juni 2024. Euch wie immer weiterhin ein schönes Wochenende, gute Einfälle und einen ergiebigen Schreibmonat! Danke, dass ihr hier seid und die Etüdenverrückten mit euren Einfällen bereichert. Ich bin wie immer sehr gespannt auf die nächste Runde.

Und bevor jemand was sagt: Mir ist erst aufgefallen, WIE ähnlich die Bilder (Mai und April) sich sind, als ich es schon bearbeitet hatte – und ich finde sie beide prima.

 

 

 

abc.etüden 2024 19+20+21+22 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

 

abc.etüden 2024 19+20+21+22 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

 

abc.etüden 2024 19+20+21+22 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

  

Der Störfall | Drabble

Ich stehe hinter dem Küchenfenster. Davor geht eine kurze Treppe abwärts, auf der obersten Stufe sonnt sich der Fellträger. Am Fuß der Treppe befindet sich der Störfall.

Der Störfall ist weiß-rot gefleckt und maunzt. Der Fellträger tut unüberrascht und bewegt nicht mal ein Ohr. Der Störfall, der vermutlich rollig ist, maunzt weiter und wackelt verführerisch mit dem Hinterteil. Der Fellträger rührt keine Pfote.

Der Störfall tritt den Rückzug an, nachdem er mich entdeckt hat.

Ich würde gern behaupten, dass über dem Fellträgerkaterkopf ein Wölkchen der Enttäuschung schwebt, aber nicht mal das passiert.

Ehrlich: Ich habe mir das Alter anders vorgestellt.


 


Bild: Wupperpostille, Bearbeitung von mir

Ein Drabble ist ein Text, der aus genau 100 Wörtern besteht. Keins mehr, keins weniger. Reiner gibt auf seinem Blog Wupperpostille zusätzlich noch drei einzubauende Wörter vor, und ich habe mich beim Schreiben sehr amüsiert, denn die Geschichte hat sich genau so zugetragen, abgesehen davon, dass der Fellträger auf einer Bank und nicht auf einer Treppe lag.

Um seine Ehre zu retten: Er war schon kastriert, als er mich fand, und da war er nach Schätzungen noch kein Jahr alt. Ich habe nie erlebt, dass er gemeinsam mit anderen Katerherren und Katzendamen um die Häuser gezogen ist, obwohl er sich ohne Zweifel auch zur Revierverteidigung heftig geprügelt hat, aber er hat jegliche Form von Vergesellschaftung immer nachdrücklich abgelehnt – ich hatte durchaus überlegt, ob er nicht im Doppelpack glücklicher wäre. Von daher ist eigentlich nur das Ausbleiben jeglicher Reaktion überraschend, und selbst das kann seinem wenig berauschenden Gesundheitszustand geschuldet sein.

 

Von Farben (1)

[Alles hat Farbe]

Alles hat Farbe, alles hat Klang;
was ich begegne, schenkt mir Gesang.
Alles wird Weite und alles wird Raum,
Äste umgreifen mich wie einen Baum.

(Margarete Seemann, Alles hat Farbe, aus: Funken, 1940 (Angabe nicht überprüfbar, Hilfe erwünscht), Online-Quelle)

 

Gedicht

Blume Anmut blüht so rot,
Blume Huldvoll blaut daneben,
Blume Anmut ist das Leben,
Blume Huldvoll ist der Tod.
Süß und herbe ist das Leben,
herb die Lust und süß die Not.
Blume Leben blüht so rot –
Blume Tod blüht blau daneben.

(Wolfgang Borchert, Gedicht, in: Ich seh in einen Spiegel, aus: Das gesamte Werk – Ausgabe 2020, Online-Quelle)

 

Hochroth

Du innig Roth,
Bis an den Tod
Soll meine Lieb Dir gleichen,
Soll nimmer bleichen,
Bis an den Tod,
Du glühend Roth,
Soll sie Dir gleichen.

(Karoline von Günderrode, Hochroth, aus: Gedichte aus dem Nachlaß, entstanden vor 1804, Erstdruck 1899, Online-Quelle)

 

Ein Liebeslied

Komm zu mir in der Nacht – wir schlafen engverschlungen.
Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam.
Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen,
Als noch mein Traum mit sich und mir gerungen.

Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen
Und färben sich mit deiner Augen Immortellen …..

Komm zu mir in der Nacht auf Siebensternenschuhen
Und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt.
Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen.

Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen
Im hohen Rohre hinter dieser Welt.

(Else Lasker-Schüler, Ein Liebeslied, aus: Mein blaues Klavier, 1943, Online-Quelle)


 


Quelle: Pixabay

Danke für all die Fragen und Anteilnahme zu dem Herrn Fellträger in der letzten Woche. Das Nicht-Fressen-Wollen wird mit einer geringen Dosierung einer Appetitanregertablette bekämpft, noch funktioniert es, man frisst und trinkt befriedigend, liegt schnurrend draußen in der Sonne, so vorhanden, und macht auf entspannte Katze. Möge der Zustand lange anhalten.

Kommt ihr alle gut, heil und heiter in und durch die Walpurgisnacht, den 1. Mai und die gesamte nächste Woche! 😉

 

 

 

Von Angsthaben und Liebe

Angst packt mich an

Angst packt mich an.
Denn ich ahne, es nahen Tage
Voll großer Klage.
Komm du, komm her zu mir! –
Wenn die Blätter im Herbst ersterben,
Und sich die Flüsse trüber färben,
Und sich die Wolken ineinander schieben
Dann komm, du, komm!
Schütze mich –
Stütze mich –
Faß meine Hand an.
Hilf mir lieben!

(Erich Mühsam, Angst packt mich an, aus: Die Wüste. 1898–1903, Online-Quelle)

Alle handeln wie die Herzen müssen

Meine Ohren horchen in die Nacht,
Wie der Regen seinen Tanzschritt macht.
Ruhe, eine der uralten Ammen,
Singt ihr Lied mit Dunkelheit zusammen,
Und der Regen tanzt auf flinken Füßen.
Alle handeln wie die Herzen müssen,
Alle wandeln frisch und unverfroren.
Nur die Liebe wird mit Angst geboren,
Nur der Sehnsucht ruhen nie die Ohren.

(Max Dauthendey, Alle handeln wie die Herzen müssen, in: Der weiße Schlaf, aus: Gesammelte Gedichte und kleinere Versdichtungen, Albert Langen, München 1930, S. 445)

Erinnerung

Und du wartest erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das Mächtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine,
Tiefen, dir zugekehrt.

Es dämmern im Bücherständer
die Bände in Gold und Braun;
und du denkst an durchfahrene Länder,
an Bilder, an die Gewänder
wiederverlorener Fraun.

Und da weißt du auf einmal: das war es.
Du erhebst dich und vor dir steht
eines vergangenen Jahres
Angst und Gestalt und Gebet.

(Rainer Maria Rilke, Erinnerung, aus: Das Buch der Bilder, 1. Buch Teil 2, zweite sehr vermehrte Auflage, 1906, Online-Quelle)


 


Quelle: Pixabay

Ich mag die Aussage sehr, dass Liebe bei Angst hilft, weil mensch damit sein Herz vorwärts wirft, in eine positiv gedachte/erhoffte Zukunft. Ich bin überzeugt, dass das nicht nur für eine Beziehung im engeren Sinne gilt.
Ich frage mich, an wen Mühsam das Gedicht adressiert hat …

Ja, dem Fellträger geht es so weit wieder gut, aber er muss noch mal Blut lassen, so ca. in zwei bis drei Wochen, und DAS ist die Stunde der Wahrheit. Aber bis dahin schnurrt er sich so durch. Hoffentlich.

Kommt gut in und durch die neue Woche, die wieder auch bei uns recht kühl ausfallen soll, bleibt gesund und seid heiter … 😉

 

 

 

 

Von Blütenjubel und Frühling

Blütenzeit 

Durch die Nacht, die monderglühte,
flog der Schelm, der Frühling, heut
Mit der großen Zuckertüte
Und nun ist mit weißer Blüte
Baum und Strauch und Flur bestreut. 

Zucker! Zucker! Nichts als Zucker!
Alles Bittre süß gemacht!
Schnuppernd streich ich armer Schlucker,
Büchergucker, Versedrucker,
Durch die neue Blütenpracht. 

Soll ich schönre Schenken suchen?
Lieblich duftet um die Nas
Mir der frische Frühlingskuchen –
Unter Linden, unter Buchen
Leg ich mich ins grüne Gras. 

Und ich strample mit den Füßen
Und bis in des Magens Grund
Laß ich mir den goldnen süßen
Honigseim der Sonne fließen
Durch den offnen Schleckermund.

(A. de Nora, Blütenzeit, in: Jugend, Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben (Wikipedia), Nr. 13, 1908, Online-Quelle (rechts unten))

Komm her und laß dich küssen

Die Luft ist wie voll Geigen,
Von allen Blütenzweigen
Das weiße Wunder schneit;
Der Frühling tobt im Blute,
Zu allem Uebermute
Ist jetzt die allerbeste Zeit.

Komm her und laß dich küssen!
Du wirst es dulden müssen,
Daß dich mein Arm umschlingt.
Es geht durch alles Leben
Ein Pochen und ein Beben:
Das rote Blut, es singt, es singt.

(Otto Julius Bierbaum, Komm her und laß dich küssen, aus: Irrgarten der Liebe, 1901, Online-Quelle)

Blütenreife

1.

Die Blüten schlafen am Baume
In schwüler, flüsternder Nacht,
Sie trinken in duftigem Traume
Die flimmernde, feuchte Pracht.
Sie trinken den lauen Regen,
Den glitzernden Mondenschein,
Sie zittern dem Licht entgegen,
Sie saugen es taumelnd ein:
Sie sprengen die schweigende Hülle
Und gleiten berauscht durch die Luft
Und sterben an der Fülle
Von Glut und Glanz und Duft.

Das war die Nacht der Träume,
Der Liebe schwül gärende Nacht,
Da sind mit den Knospen der Bäume
Auch meine Lieder erwacht.
Sie sprengten die schweigende Hülle
Und glitten berauscht durch die Luft
Und starben an der Fülle
Von Glut und Glanz und Duft.

(Hugo von Hofmannsthal, Blütenreife, aus: Die Gedichte 1891-1898, entstanden 1891, Online-Quelle)


Quelle: Pixabay

Wenn ich rausschaue, dann stehen im übernächsten Garten zwei Kirschbäume in voller Blüte. Ich freue mich jedes Mal darüber, ich freue mich auch jetzt schon auf den Sommer, wenn dort nicht nur irgendwelche Vögel, sondern sogar MÖWEN zum Pflücken einfallen werden – es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, dass den Eigentümern reife Kirschen übrig bleiben, aber ich denke, sie sind daran gewöhnt … Auf jeden Fall ist es eine Augenweide.

Kommt gut und heil und heiter in und durch die neue Woche, und mögen eure Gemüter sonnig sein!

 

Der Aufbruch | abc.etüden

Zum besseren Verständnis: Hier (»Der Ausbruch«) zuerst lesen!

 

Ihr Name war Zora. Sie arbeitete daran, so gut und so bekannt wie Banksy zu werden. Wichtige Leute hatten ihr gesagt, dass sie es echt draufhätte, und das fand sie voll okay.

Im Waschraum der Bahnhofstoilette schrubbte sie sich gewissenhaft die Asche von den Händen und fluchte dabei vor sich hin. Der Schädel an der Wand war ein großartiges Statement gewesen, Trauerränder unter den Nägeln waren es nicht. Hoffentlich rastete er nicht aus, wenn ihre Mutter von der Arbeit kam und ihn eingesperrt fand. Vielleicht hatte er sich ja so aufgeregt, dass ihn der Schlag getroffen hatte. Sie schämte sich bei dem Gedanken, aber sie war fertig mit ihm.

Tatsache war, dass er seit Jahren »Werte« predigte. SEINE Werte, wie sie irgendwann begriffen hatte. Widerworte gingen überhaupt nicht, und wenn man sich nicht an das hielt, was er vorschrieb, tickte er aus und schlug zu. Ihr Verhalten war schuld, sie zwang ihn dazu. Ja, klar.

Schön, ihm im Streit »süßliches Werte-Gefasel« vorzuwerfen, war nicht nötig gewesen, und sie hätte wissen müssen, dass er das nicht gut aufnehmen würde. Es war ihr rausgerutscht, aber sie bedauerte es nicht. Nachdem sie das Vertrauen in ihn verloren hatte, hatte sie angefangen vorzusorgen, hielt seit einiger Zeit eine große Tasche mit dem Notwendigsten unter ihrem Bett versteckt, in der neben Klamotten, Papieren und Geld auch ihre Farbdosen lagen. Nun hatte sie alles hinter sich gelassen und war auf dem Weg zu Freunden, die ihr den nötigen Fingerhut Mut einflößen würden, um aufrecht weiterzugehen. Hoffte sie.

Ihr Name war Lena, nicht Zora, aber Lena hießen heutzutage irgendwie alle. Sie hatte Talent zum Sprayen. Sie wurde in zwei Monaten achtzehn. Sie hatte einen wichtigen Schritt gewagt. Morgen würde sie sich die Haare kurz schneiden und rot färben. Neon.
Aber jetzt hatte sie erst mal bisschen Angst.


abc.etüden 2024 15+16+17+18 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

Für die abc.etüden, Textwochen 15, 16, 17 und 18 des Jahres 2024: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende kommt von mir und meinem Blog Irgendwas ist immer. Sie lautet: Fingerhut, süßlich, fluchen.

Dies ist die direkte Fortsetzung des Drabbles von gestern (»Der Ausbruch«). Natürlich hat mich interessiert, wer sie sein könnte, die da ausbricht, und warum. Ist das etwas Grundlegendes oder war es nur ein Streich, um die Eltern zu schockieren, der aus dem Ruder gelaufen ist? Beim Hineinfühlen formte sich ihre Figur, und sie war klar und ziemlich wütend.

Hier ist also die Antwort – und nein, ich beabsichtige nicht, daran weiterzuschreiben, das ist eine Momentaufnahme. Bis jetzt. 😉

 

Der Ausbruch | Drabble

Sie war wild und keine Erziehungsmaßnahme fruchtete. Also sperrte er sie ein, bei Wasser und Brot, man war ja kein Unmensch.
Als er morgens das Zimmer betrat, schien es leer, dafür starrte ihn ein Graffiti an: ein höhnisch grinsender Totenschädel, mit Asche gezeichnet. »Verdammte Sauerei«, brüllte er und stürzte zur Wand. Da schlug die Tür zu, und er hörte ohnmächtig, wie der Schlüssel umgedreht wurde. Sie hatte sich neben den Kohleofen geduckt und war blitzschnell hinter ihm vorbei in die Freiheit gehuscht.
Ihre Mutter musste seinen Zorn später ausbaden.
Sogar die Nachbarn sprachen darüber.

Man hat sie nie wieder gesehen.



Bild: Wupperpostille, Bearbeitung von mir

Ein Drabble ist ein Text, der aus genau 100 Wörtern besteht. Keins mehr, keins weniger. Reiner gibt auf seinem Blog Wupperpostille zusätzlich noch drei einzubauende Wörter vor, und ich fand sie diesmal ausgesprochen phantasieanregend.

Zugegeben, ich habe keine Ahnung, ob man mit Asche aus einem Kohleofen malen kann. Vermutlich ergibt es wirklich eine furchtbare Sauerei. Aber meine Protagonistin hat ein Händchen für Graffitis und weiß, was sie tut.

 

Vom Frühling im April

Frühlings-Seufzer

Großer Gott, in dieser Pracht
Seh’ ich Deine Wunder-Macht
Mit vergnüg’ter Seelen an.
Es gereiche dir zu Ehren,
Daß ich sehen, daß ich hören,
Fühlen, schmecken, riechen, kann!

(Barthold Hinrich Brockes, Frühlings-Seufzer, aus: Irdisches Vergnügen in Gott, Zweyter Theil, 1739, Online-Quelle)

April

Das ist die Drossel, die da schlägt,
Der Frühling, der mein Herz bewegt;
Ich fühle, die sich hold bezeigen,
Die Geister aus der Erde steigen.
Das Leben fließet wie ein Traum –
Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.

(Theodor Storm, April, aus: Gedichte (Ausgabe 1885), entstanden 1853, Online-Quelle)

April.

Wie der Südwind pfeift,
In den Dornbusch greift,
Der vor unserm Fenster sprießt.
Wie der Regen stürzt
Und den Garten würzt
Und den ersten Frühling gießt!

Plötzlich säumt der Wind,
Und der Regen rinnt
Spärlich aus dem Wolkensieb.
Und die Mühle dreht
Langsam sich und steht,
Die noch eben mächtig trieb.

Schießt ein Sonnenblick
Über Feld und Knick,
Wie der Blitz vom Goldhelm huscht
Und auf Baum und Gras
Schnell im Tropfennaß
Tausend Silbertüpfel tuscht.

Wieder dann der Süd,
Immer noch nicht müd,
Zornt die Welt gewaltig an.
Und der Regen rauscht,
Und der Garten lauscht
Demütig dem wilden Mann.

Meiner Schulter dicht
Lehnt dein hold Gesicht,
Schaut ins Wetter still hinein.
Kennst das alte Wort,
Ewig währt es fort:
Regen tauscht und Sonnenschein.

(Detlev von Liliencron, April, aus: Liliencrons Gedichte. Auswahl für die Jugend. Zusammengestellt von der Lehrervereinigung zur Pflege der künstlerischen Bildung in Hamburg, 1901, Online-Quelle)

Aus einem April

Wieder duftet der Wald.
Es heben die schwebenden Lerchen
mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war;
zwar sah man noch durch die Aeste den Tag, wie er leer war, –
aber nach langen, regnenden Nachmittagen
kommen die goldübersonnten
neueren Stunden,
vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten
alle die wunden
Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.

Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz
in die glänzenden Knospen der Reiser.

(Rainer Maria Rilke, Aus einem April, aus: Das Buch der Bilder, 1. Buch, Teil 1, 1906, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Ich glaube, im Moment muss bei mir immer bisschen Rilke sein. Das ist der „Sound“ einzelner Sätze, der bei mir hängen bleibt … „Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser über der Steine ruhig dunkelnden Glanz. Alle Geräusche ducken sich ganz …“

Kommt gut, gesund und heiter in und durch die neue Woche, möge sie warm sein oder kühl, sonnig oder regnerisch … 😉

 

Schreibeinladung für die Textwochen 15*16*17*18**24 | Wortspende von Irgendwas ist immer

Der ultralange März, Ostern und die Zeitumstellung sind für dieses Jahr Geschichte, liebe Etüdenfans, -schreiber*innen und -leser*innen, und die neue Etüdenrunde beginnt mit einem Wochenende, für das die ersten SOMMER-Temperaturen angekündigt worden sind, Sommer ist gleich über 25 °C. Ich kann sagen, dass das zumindest bisher bei mir nicht funktioniert hat, mein Außenthermometer ist nicht über 20 °C gekrochen, aber das mag direkt in der Stadt anders gewesen sein, wenn sich dort die Wärme gestaut hat. Aber: Ich habe hier gestern den ersten Schmetterling des Jahres gesehen, ein Tagpfauenauge, und wünsche mir so sehr, dass er nicht der einzige bleibt – die letzten Jahre waren echt mau, was die kleinen Gaukler betrifft.

Die Anzahl der Etüden hat zugenommen, was ich mir erhofft hatte, da eine Woche mehr Zeit war und euch scheinbar nicht langweilig geworden ist. Die Statistik weist unglaubliche 71 Etüden von 25 Blogs aus. Und Lyrifant mit ihrem Blog Lyrifant hat uns mit einer ersten Testetüde gefunden. Noch mal ein herzliches Willkommen bei den Etüdenverrückten!
Die Spitze der Liste teilen sich Cynthia alias Rübenigel und Puzzleblume, die Wortspenderin für März (vielen herzlichen Dank, ihr seid ja schon bisschen bekloppt, ihr wisst das 😉? Nein, bitte NICHT aufhören!), die beide mit jeweils 11 Etüden die Liste anführen. Gerhard hat 7 Etüden beigesteuert, m.mama 6 Etüden und Werner 5 Etüden. Wow! Ich ziehe meinen nicht vorhandenen Finger- Sonnenhut und freue mich sehr.

Vielen Dank also wie immer euch allen anderen, die Lust hatten, mitzuschreiben und/oder mitzulesen, die gelikt und kommentiert haben! Vielen Dank an Puzzleblume für ihre Wortspende und die unermüdliche Unterstützung! Und wie immer geht mein Extradank auch an jede*n von euch, den*die ich in den teilnehmenden Blogs getroffen habe und der*die dort kommentiert/mitdiskutiert hat. Möge der Etüdenhaufen groß und bunt werden!

Wie ebenfalls immer bitte ich euch, die Liste zu kontrollieren, ob jede eurer Etüden dort verzeichnet ist oder ob euch sonst was komisch vorkommt. Die Wege von WP sind viel zu oft unergründlich, aber wenn ihr euren oder meinen Reader (https.//wordpress.com …) verlinkt, dann pingt es höchstwahrscheinlich nicht! Um sicherzugehen, brauche ich unbedingt einen verfolgbaren Link in den Kommentaren von euch, damit ihr auf die aktuelle Liste kommt. Ich ergänze oder korrigiere gerne, wenn irgendwas nicht stimmt oder eine Etüde fehlt.
Ich trage auch Nachzügler nach, aber es wäre schon nett, wenn ihr eure Etüden bis Samstagabend 20 Uhr einreichen könntet, damit ihr alle sicher auf der Liste seid, wenn es Sonntagmorgen in die neue Runde geht.

Bereit für die dritte Etüdenliste des Schreibjahres 2024? Hier ist sie!


Cynthia auf Querfühlerin: hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier
Puzzleblume auf puzzle : hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier
Heidi auf Erinnerungswerkstatt: hier und hier
Gerhard auf Kopf und Gestalt: hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier
m.mama auf L wie …: hier, hier, hier, hier, hier und hier
Jane auf Blood, Tears, Gold & Minds: hier und hier
Reiner Grinsekatz auf wupperpostille: hier
Kain Schreiber auf Gedankenflut: hier, hier und hier
Gerda von GERDA KAZAKOU: hier und hier
Myriade auf la parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée: hier
Maren auf Ich lache mich gesund: hier und hier
Werner auf Mit Worten Gedanken horten: hier, hier, hier, hier und hier
Monika auf Allerlei Gedanken: hier, hier und hier
Sabine auf Verbalkanone: hier
Don Esperanza auf Don Esperanza’s ramblings: hier
Natalie im Fundevogelnest: hier
Sofie auf Sofies viele Welten: hier
Joram auf der grüne bleistift: hier
Meine (Christiane) auf Irgendwas ist immer: hier und hier
Tanja auf Stachelbeermond: hier
Katharina auf Katha kritzelt: hier
Judith auf Mutiger Leben: hier
Lyrifant auf Lyrifant: hier
Christian auf Wortverdreher: hier, hier und hier
Anja auf Annuschkas Northern Star: hier


Die Wortspende für April 2024 bzw. für die Textwochen 15, 16, 17 und 18 des Jahres 2024 stammt von mir, Christiane, und meinem Blog Irgendwas ist immer. Sie lautet:

Fingerhut
süßlich
fluchen.


Wie immer an dieser Stelle weise ich darauf hin, dass der obligatorische Etüden-Disclaimer nach wie vor lautet: 3 Begriffe in maximal 300 Wörtern.
Eventuelle Inhaltshinweise (Triggerwarnungen) und die Überschrift zählen NICHT zum Text. Nach intensiver Diskussion bleibt das Setzen von Inhaltshinweisen (CN/Triggerwarnungen, z. B. in den Schlagwörtern) jedem teilnehmenden Blog freigestellt. Die Illustrationen unterliegen nach wie vor meinem Copyright und dürfen von jedem*jeder verwendet werden, der*die sich mit einem eigenen Beitrag an den Etüden beteiligt. Ich behalte mir vor, Kommentare zu moderieren, wenn nötig – ich darf das, weil es mein Blog ist, aber ich weise sicherheitshalber darauf hin. Wer sich die Illustrationen herunterladen möchte, sollte sie vorher großklicken, danach kann man sie in der Regel downloaden und bei sich wieder hochladen.

Noch Fragen zu den Etüden? Hier habe ich das Kleingedruckte zusammengetragen. Wenn euch was auffällt – ihr wisst ja.

Die nächsten Wörter gibt es am ersten Sonntag im Mai, das ist der 5. Mai 2024. Euch wie immer weiterhin ein schönes Wochenende und gute Einfälle! Danke, dass ihr hier seid und die Etüdenverrückten mit euren Einfällen bereichert. Ich freue mich sehr auf die nächste Runde.

 

abc.etüden 2024 15+16+17+18 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

abc.etüden 2024 15+16+17+18 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

abc.etüden 2024 15+16+17+18 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Von Ostern, Has und Ei

Ostern

Wenn die Schokolade keimt,
Wenn nach langem Druck bei Dichterlingen
„Glockenklingen“ sich auf „Lenzesschwingen“
Endlich reimt,
Und der Osterhase hinten auch schon preßt,
Dann kommt bald das Osterfest.

Und wenn wirklich dann mit Glockenklingen
Ostern naht auf Lenzesschwingen, – – –
Dann mit jenen Dichterlingen
Und mit deren jugendlichen Bräuten
Draußen schwelgen mit berauschten Händen – – –
Ach, das denk ich mir entsetzlich,
Außerdem – unter Umständen –
Ungesetzlich.

Aber morgens auf dem Frühstückstische
Fünf, sechs, sieben flaumweich gelbe, frische
Eier. Und dann ganz hineingekniet!
Ha! Da spürt man, wie die Frühlingswärme
Durch geheime Gänge und Gedärme
In die Zukunft zieht,
Und wie dankbar wir für solchen Segen
Sein müssen.

Ach, ich könnte alle Hennen küssen,
Die so langgezogene Kugeln legen.

(Joachim Ringelnatz, Ostern, aus: Allerdings, 1928, Online-Quelle)

Auf ein Ei geschrieben

Ostern ist zwar schon vorbei,
Also dies kein Osterei;
Doch wer sagt, es sei kein Segen,
Wenn im Mai die Hasen legen?
Aus der Pfanne, aus dem Schmalz
Schmeckt ein Eilein jedenfalls,
Und kurzum, mich tät’s gaudieren,
Dir dies Ei zu präsentieren,
Und zugleich tät es mich kitzeln,
Dir ein Rätsel drauf zu kritzeln.

Die Sophisten und die Pfaffen
Stritten sich mit viel Geschrei:
Was hat Gott zuerst erschaffen,
Wohl die Henne? wohl das Ei?

Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward ein Ei erdacht:
Doch weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hat’s der Has gebracht.

(Eduard Mörike, Auf ein Ei geschrieben, aus: Gedichte (Ausgabe 1867), Online-Quelle)

O Welt in einem Ei

O Welt im Ei, von Haut
Und Schale rings umgeben!
Wenn dich die Sonne schaut,
Beginnt dein freieres Leben.

Dann lebst du, wie dein Ahne will,
Als Strauß, als Fisch, als Krokodil,
Als Huhn ein Mehrerwachen,
Ein größeres Glück und größere Qual
In einem weiteren Oval.
Bis neue Schalen krachen.

O Welt in einem Ei,
Wie Wichtiges entscheidet sich,
Geht deine Wand entzwei.
Vielleicht verschlingt man, kocht man dich,
Ißt dich mit Senf, mit Kaviar
(Störs ungezählten Eiern!).

Und wenn sie Ostern feiern,
Die dich verschlucken roh und gar,
Dann lachen sie und spaßen
a conto Osterhasen.
Doch wer von ihnen denkt dabei
An dich, du Mikrowelt in einem Ei?!

(Joachim Ringelnatz, O Welt in einem Ei, aus: Gedichte, Gedichte von Einstmals und Heute, 1934, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Ihr Lieben, ich wünsche euch schöne Ostertage (gehabt zu haben), kommt gut, gesund  und heiter in die neue Woche! Ich hoffe, die Zeitumstellung beutelt euch nicht so sehr. Ich jedenfalls fluche wie jedes Jahr.

Mit Gedichten zu Ostern ist das so eine Sache. Die ernsten, die ich zitieren düfte, mag ich meist nicht, weil ich sie unerträglich fromm finde und das nicht aushalte, die anderen sind oft für Kinder gemacht und sehr leicht/seicht von der Sprache her, auch das ist normalerweise nicht mein Fall. Übrig bleibt da nicht viel.
Wie dem auch immer sei: Lasst es euch gut ergehen!

 

Verlorene Gedanken | abc.etüden

Sie saß am Rande des Teichs auf einer Bank und genoss die Pause. Es war einer von jenen Tagen, die sich dadurch auszeichneten, dass man schon länger sitzen bleiben und den beginnenden Frühling genießen konnte, ohne sich zu verkühlen. Um sie herum blühten Bäume, auf dem Wasser taten Vögel, was Vögel zu dieser Jahreszeit eben so tun, sie hatte zuvor den ersten Eiswagen entdeckt und nun beobachtete sie die Spaziergänger, die sie mit Hund, Kinderwagen oder Fahrrad passierten, allein, zu zweit oder zu mehreren.

Es waren wenige dabei, deren Sprache sie verstand oder auch nur bestimmen konnte. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, ob die alle glücklich waren, die diskutierend an ihr vorbeigingen, zum Teil nicht, ohne sie prüfend zu mustern. Bestimmt waren auch Geflüchtete darunter, Leute, die nichts dafür konnten, hier gestrandet zu sein, Verlorene, die jetzt auch lieber zu Hause wären, wo immer das auch war, und vielleicht angelnd an einem Fluss sitzen oder in ihrem Gärtchen werkeln würden. Die Frage überfiel sie wie oft schon mit voller Wucht: Würde sie fliehen, wenn jäh Bomben oder Raketen einschlugen und die Unschuld des Lebens zerstörten, das sie kannte und liebte? Und wenn ja, wohin? Würde sie lieber heimatlos werden oder lieber in Kauf nehmen zu sterben, wodurch auch immer? Sie war nie viel gereist, »Ausland« war vor allem eins: nicht zu Hause. Aber wie viel von dem, was ihre Identität ausmachte, fand nur in ihrem Kopf stand und würde sie – eventuell – sowieso mitnehmen? Aufbruch als Chance? Wofür?

Wie immer kam sie zu keinem Ergebnis. Es wurde langsam dunkel, hinter ihr brach der rote Sonnenuntergang durch einen Spalt in den hoch aufgetürmten dunklen Wolken. Großes Himmelskino. Sie sah auf die Uhr, seufzte und stand etwas schwerfällig auf. Zeit heimzugehen, Zeit für das Abendbrot. Die Katze hatte bestimmt schon Hunger.


abc.etüden 2024 10+11+12+13+14 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

Für die abc.etüden, Textwochen 10, 11, 12, 13 und 14 des Jahres 2024: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende kommt von Puzzleblume und ihrem Blog puzzle ❀. Sie lautet: Abendbrot, heimatlos, auszeichnen.

Jaaaaa, ziemlich autobiografisch, zumindest habe ich mich das wirklich schon mehr als einmal gefragt – und bin zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen.

 

Vom Frühlingsregen

Frühlingsregen

Regne, regne, Frühlingsregen,
weine durch die stille Nacht!
Schlummer liegt auf allen Wegen,
nur dein treuer Dichter wacht …

lauscht dem leisen, warmen Rinnen
aus dem dunklen Himmelsdom,
und es löst in ihm tiefinnen
selber sich ein heißer Strom,

läßt sich halten nicht und hegen,
quillt heraus in sanfter Macht …
Ahndevoll auf stillen Wegen
geht der Frühling durch die Nacht.

(Christian Morgenstern, Frühlingsregen, aus: Ich und die Welt, 1898, Online-Quelle)

[Es kommt der Regen des Frühlings]

Es kommt der Regen des Frühlings
Und bringt den Segen des Frühlings,
Die Blumen stehen und warten
An allen Stegen des Frühlings.
Und Düfte streuen die Lüfte
Auf allen Wegen des Frühlings.
Doch mein Gemüth ist beklommen
In Kummer wegen des Frühlings,
Wie ich soll feiern die Feier,
Ich bin verlegen, des Frühlings?
Mir ist im Froste des Winters
Die Lust erlegen des Frühlings.
Bis euch, ihr Blumen, die blühtet
In Lustgehegen des Frühlings,
Mir neu anreget zu blühen
Ein Hauch allregendes Frühlings;
Hab’ ich, ein trauriger Gärtner,
Das Grab zu pflegen des Frühlings.

(Friedrich Rückert, Es kommt der Regen des Frühlings, aus: Winter und Frühling, in: Kindertodtenlieder aus seinem Nachlasse, entstanden 1833-1834, Online-Quelle)

[In tiefen Nächten grab ich dich, du Schatz]

In tiefen Nächten grab ich dich, du Schatz.
Denn alle Überflüsse, die ich sah,
sind Armut und armseliger Ersatz
für deine Schönheit, die noch nie geschah.

Aber der Weg zu dir ist furchtbar weit
und, weil ihn lange keiner ging, verweht.
O, du bist einsam. Du bist Einsamkeit,
du Herz, das zu entfernten Talen geht.

Und meine Hände, welche blutig sind
vom Graben, heb ich offen in den Wind,
so daß sie sich verzweigen wie ein Baum.
Ich sauge dich mit ihnen aus dem Raum,
als hättest du dich einmal dort zerschellt
in einer ungeduldigen Gebärde
und fielest jetzt, eine zerstäubte Welt,
aus fernen Sternen wieder auf die Erde
sanft, wie ein Frühlingsregen fällt.

(Rainer Maria Rilke, In tiefen Nächten grab ich dich, du Schatz, aus: Das Buch von der Pilgerschaft, in: Das Stunden-Buch, 1901, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Okay, ich gebe es zu: Der Rilke passt eigentlich auch für mein Gefühl nicht rein. Aber ich habe die beiden Zeilen „Aber der Weg zu dir ist furchtbar weit | und, weil ihn lange keiner ging, verweht“ SO lange für „zugeschrieben“ gehalten (keine Ahnung warum, vielleicht war das Stundenbuch noch nicht digitalisiert, als ich danach gesucht habe, und/oder ich hatte zu oberflächlich gelesen – vielleicht habe ich es auch gewusst und einfach wieder vergessen), dass ich es jetzt sozusagen öffentlich abspeichern wollte. Seht es mir bitte nach.

Ansonsten wünsche ich euch einen guten, heiteren und gesunden Start in die vorösterliche Woche! Kommt gut rein, durch und wieder raus! 😉