Und was macht das Kind?
Das Kind liest.
Was liest das Kind denn?
Das Kind – ich – las unter anderem Gedichte, was die gesammelte Verwandtschaft und Bekanntschaft häufig dazu animierte, mich zu fragen, ob ich denn auch was aufsagen könne. Konnte ich, kluges Kind baut vor. Ich war präpariert.
Bumerang
War einmal ein Bumerang;
War ein Weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum – noch stundenlang –
Wartete auf Bumerang.
(Joachim Ringelnatz, Bumerang, aus: Turngedichte, 1923, Online-Quelle)
Jaha. In der Kürze liegt die Würze. Das Bumerang-Gedicht mag und mochte ich übrigens erheblich lieber als die ebenfalls sehr populären „Ameisen“ (Wikipedia, hier klicken), das ist eine Frage des Humors, den ich hier subversiver fand.
Wer weiter insistierte, machte die Bekanntschaft mit Herrn Palmström.
Palmström
Palmström steht an einem Teiche
und entfaltet groß ein rotes Taschentuch:
Auf dem Tuch ist eine Eiche
dargestellt, sowie ein Mensch mit einem Buch.
Palmström wagt nicht sich hineinzuschneuzen –
er gehört zu jenen Käuzen,
die oft unvermittelt-nackt
Ehrfurcht vor dem Schönen packt.
Zärtlich faltet er zusammen,
was er eben erst entbreitet.
Und kein Fühlender wird ihn verdammen,
weil er ungeschneuzt entschreitet.
(Christian Morgenstern, Palmström, aus: Palmström, 1910, Online-Quelle)
Nun verunsichert auch Palmström, vor allem, wenn er ernst vorgetragen wird, denn das ist NICHT das, woran sich die meisten aus ihrer eigenen Schulzeit erinnern, Glocke, Bürgschaft, John Maynard etc. Okay, ich hatte Glück, aber dass ich „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ (Fontane, hier klicken für Info, hier für Text) immer noch mag, liegt nicht an meinem Deutschlehrer, möge er in der Lehrerhölle schmoren.
Um eventuelle Fragende dann komplett zu verschrecken, hatte ich noch den „Tantenmörder“ im Angebot.
Der Tantenmörder
Ich hab’ meine Tante geschlachtet,
Meine Tante war alt und schwach;
Ich hatte bei ihr übernachtet
Und grub in den Kisten-Kasten nach.
Da fand ich goldene Haufen,
Fand auch an Papieren gar viel
Und hörte die alte Tante schnaufen
Ohn’ Mitleid und Zartgefühl.
Was nutzt es, daß sie sich noch härme –
Nacht war es rings um mich her –
Ich stieß ihr den Dolch in die Därme,
Die Tante schnaufte nicht mehr.
Das Geld war schwer zu tragen,
Viel schwerer die Tante noch.
Ich faßte sie bebend am Kragen
Und stieß sie ins tiefe Kellerloch. –
Ich hab’ meine Tante geschlachtet,
Meine Tante war alt und schwach;
Ihr aber, o Richter, ihr trachtet
Meiner blühenden Jugend-Jugend nach.
(Frank Wedekind, Der Tantenmörder, aus: Die vier Jahreszeiten, 1905, Online-Quelle)
Heute weiß ich, dass der „Tantenmörder“ ein reales Vorbild hatte (Wikipedia, hier lesen), damals (vor den Zeiten des Internets und Wikipedia) hielt ich das für eine Moritat wie „Sabinchen war ein Frauenzimmer“ etc. Wenn man das mit ernsthaftestem Gesicht vorträgt, zeigt es bei gewissen anwesenden Damen durchaus Wirkung, ich kann es nur weiterempfehlen.
Hinterher fromm lächeln nicht vergessen!
Quelle: Pixabay
Mir stand der Sinn nach bisschen Unsinn, Schwermut begegnet mir gerade genug. Kommt gut und heil und heiter in und durch diese neue Woche: Nächste Woche ist ja schon wieder Feiertag!