Blütenzeit
Durch die Nacht, die monderglühte,
flog der Schelm, der Frühling, heut
Mit der großen Zuckertüte
Und nun ist mit weißer Blüte
Baum und Strauch und Flur bestreut.
Zucker! Zucker! Nichts als Zucker!
Alles Bittre süß gemacht!
Schnuppernd streich ich armer Schlucker,
Büchergucker, Versedrucker,
Durch die neue Blütenpracht.
Soll ich schönre Schenken suchen?
Lieblich duftet um die Nas
Mir der frische Frühlingskuchen –
Unter Linden, unter Buchen
Leg ich mich ins grüne Gras.
Und ich strample mit den Füßen
Und bis in des Magens Grund
Laß ich mir den goldnen süßen
Honigseim der Sonne fließen
Durch den offnen Schleckermund.
(A. de Nora, Blütenzeit, in: Jugend, Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben (Wikipedia), Nr. 13, 1908, Online-Quelle (rechts unten))
Komm her und laß dich küssen
Die Luft ist wie voll Geigen,
Von allen Blütenzweigen
Das weiße Wunder schneit;
Der Frühling tobt im Blute,
Zu allem Uebermute
Ist jetzt die allerbeste Zeit.
Komm her und laß dich küssen!
Du wirst es dulden müssen,
Daß dich mein Arm umschlingt.
Es geht durch alles Leben
Ein Pochen und ein Beben:
Das rote Blut, es singt, es singt.
(Otto Julius Bierbaum, Komm her und laß dich küssen, aus: Irrgarten der Liebe, 1901, Online-Quelle)
Blütenreife
1.
Die Blüten schlafen am Baume
In schwüler, flüsternder Nacht,
Sie trinken in duftigem Traume
Die flimmernde, feuchte Pracht.
Sie trinken den lauen Regen,
Den glitzernden Mondenschein,
Sie zittern dem Licht entgegen,
Sie saugen es taumelnd ein:
Sie sprengen die schweigende Hülle
Und gleiten berauscht durch die Luft
Und sterben an der Fülle
Von Glut und Glanz und Duft.
Das war die Nacht der Träume,
Der Liebe schwül gärende Nacht,
Da sind mit den Knospen der Bäume
Auch meine Lieder erwacht.
Sie sprengten die schweigende Hülle
Und glitten berauscht durch die Luft
Und starben an der Fülle
Von Glut und Glanz und Duft.
(Hugo von Hofmannsthal, Blütenreife, aus: Die Gedichte 1891-1898, entstanden 1891, Online-Quelle)
Quelle: Pixabay
Wenn ich rausschaue, dann stehen im übernächsten Garten zwei Kirschbäume in voller Blüte. Ich freue mich jedes Mal darüber, ich freue mich auch jetzt schon auf den Sommer, wenn dort nicht nur irgendwelche Vögel, sondern sogar MÖWEN zum Pflücken einfallen werden – es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, dass den Eigentümern reife Kirschen übrig bleiben, aber ich denke, sie sind daran gewöhnt … Auf jeden Fall ist es eine Augenweide.
Kommt gut und heil und heiter in und durch die neue Woche, und mögen eure Gemüter sonnig sein!