Die Unterwürfigkeit der Gummibärchen | abc.etüden

Das Zotteltier liegt auf der Couch und hält sich den Bauch. Irgendwann fängt er an zu stöhnen. »Aua, aua, aua!«

»Was ist?«, fragt sie mitleidig. »Bauchweh? Magst du einen Tee?«

Er nickt. Sie steht auf. Ihr Blick schweift über den Couchtisch. Moment. Heute Morgen stand da noch eine Glasschale mit Gummibärchen. Eine große Schale. Jetzt ist die Schale leer. Sie wirft dem Zotteltier einen kritischen Blick zu. Er legt den Arm über den Kopf und sieht weg. Hm.

Sie geht in die Küche und öffnet die Süßigkeitenschublade. Hier sollte der Rest der Gummibärchentüte sein. Eine große Tüte. Mehr als halb voll. Aber da ist keine Tüte, die Tüte findet sie im Plastikmüll. Leer. Ach was.

»Hör mal«, beginnt sie drohend, als sie mit einer Tasse Magentee vor der Couch steht, »kann es sein …«

»Ach, ach, ach«, jammert er.

Sie seufzt. »Ich verstehe dich ja«, sagt sie, und er schaut sie ungläubig an. »Selbstverständlich bist du völlig unverschuldet in diese Situation geraten.« Er nickt heftig. »Die Unterwürfigkeit der Gummibärchen ist schließlich überall bekannt. Und dass sie einen ganz starken Todestrieb haben, auch!«

»Du machst dich über mich lustig!«

»Du hast ein knappes Kilo Gummibärchen verschlungen. Auf einen Rutsch! Und ja, da zweifle ich schon ein bisschen, ob du noch ganz dicht bist.«

Er trinkt einen Schluck Tee und verzieht das Gesicht. »Müssen wir darüber reden?«

Sie zuckt die Achseln und überlegt, wo sie die Reste aus der Süßigkeitenschublade versteckt.

»Wenn du dein Geld für Gummibärchen verjubelst, ist das so«, sagt sie, »Aber Zucker kann süchtig machen und verschlimmert angeblich depressive Zustände, wenn man zu viel davon isst. Ich habe entschieden, ab nächste Woche in so eine 7-Wochen-Ohne-Gruppe zu gehen. Du solltest mitkommen, schaden kann es nicht!«

Er nickt ergeben. Es muss ihm wirklich schlecht gehen. Nun denn, man wird sehen.


abc.etüden 2024 06+07+08+09 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

Für die abc.etüden, Textwochen 06, 07, 08 und 09 des Jahres 2024: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende stammt dieses Mal von Werner Kastens und seinem Blog Mit Worten Gedanken horten. Sie lautet: Unterwürfigkeit, verschuldet, verjubeln.

Nein, nicht autobiographisch, aber nur knapp 😉 Ich kann die volle Tüte auf Wunsch nachweisen. Tatsächlich startet hier in der Gemeinde am Aschermittwoch eine „7 Wochen Ohne“-Gruppe. Wer nicht weiß, was das ist: die bundesweite Fastenaktion der evangelischen Kirche (Mehr Info: Artikel bei Wikipedia).

Tanja Stachelbeermond kann vielleicht bestätigen, ob ihr Schweinehund auch zu derartigen Aktionen neigt. Sie müssten eigentlich verwandt sein.

 

74 Kommentare zu “Die Unterwürfigkeit der Gummibärchen | abc.etüden

  1. Herrlich! Also, natürlich hat der Arme mein vollstes Mitleid – man bekommt ja schon Bauchweh beim Lesen der Menge von Gummibärchen. Und solange die 7-Wochen-Ohne bedeuten „ohne Verzicht auf lebensnotwendige Süßigkeiten“ kann es ja gar nicht so schlimm werden, hoffe ich 😉

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    • Die Evangelen machen ihr Fasten ohne Hölle, Tod und Teufel, wurde mir erklärt, von daher glaube ich, dass das eher eine Labersache ist. Aber das sage ich ihm nicht. Noch nicht. 😎
      Morgenkaffeegrüße mit Schneeregen 🌨️🌧️🖥️☕🍪

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  2. Seit man auch nach Farben / Aroma sortierte Gummibärchen kiloweise kaufen kann, droht die Gefahr duch diese kleinen hinterlistigen Viecher noch viel mehr.
    Das „Zotteltier“ scheint ein Zweibeiner zu sein. Da habe ich gleich Bilder vor Augen, von niemandem, den ich kenne, aber ausgerechnet das zeigt mir die Szene quasi filmisch.

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    • Neee, das ist eine große, gemischte Tüte, aber nicht von einem der großen Hersteller. Schon spezieller 😉
      Er sagt, dass er es gut findet, dass du ihn verstehst 😎
      Ich habe ihn auch vor meinem geistigen Auge gesehen, als ich das geschrieben habe. So eine Mischung zwischen Samson und Chewbacca. Sehr wandelbar 😉
      Morgenkaffeegrüße mit Schneeregen 🌨️🌧️🖥️☕🍪

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  3. unverschuldet ? Dann dehn‘ ich auch die Unterwürfigkeit, die ist mir eh ein Dorn im Auge, weil sie so einseitig verwendet wird 😉 …
    Sag dem Tiger, er ist entartet – meine Kazzis würden so ein TeufelsZeug nicht anrühren und rümpfen auch bei Kaffeegeruch -einmal die Woche- bloß die Nase; die leben gesund und essen nur das, wofür der große Überkater, der im Dauerschnurreland wohnt, sie erschuf…

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    • Es gibt da diesen Punkt im Kleingedruckten zur Veränderung der Wörter, aber da wir hier eh das Problem mit dem Partizip (verschuldet) haben, lege ich das bisschen weiter aus – nur bei dem. Kann es aber auch ändern, wenn du Anstoß nimmst, war nur bequemer so …
      Und nein, das Zotteltier ist fiktiv! Der Tiger hat KEINE Zotteln, nie gehabt und wird sie auch nie haben!
      Morgenkaffeegrüße mit Schneeregen 🌨️🌧️🖥️☕🍪

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      • Hähä … wie könnte ich Anstoß nehmen, wo ich doch der Schlimmste überhaupt bin in freier Auslegung der Wort_Grenzen: kann mich erinnern, daß ich einmal anstatt ‚Geheimkünstler‘ zu schreiben, das italienische ‚artista secreto‘ verwendet habe, also bin gerade ich ein Fall von …der werfe den 1. Brocken 😉 – hab mich damals eh gewundert, daß Werner mich nicht gerügt hat dafür ;}…
        Der Tiger hat keine Zotteln – bürstest du ihn denn ? Jeder Freigänger kriegt anständige Zotteln, wenn sich das Winterfell verabschiedet – meine beginnen eben damit es zu verlieren, heuer zwei Wochen später als üblich – dafür hat die Hasel nicht bloß längst ihre Würstchen, sondern beginnt bereits, Blätter auszutreiben – heuer ist also wieder ein ganz normaler anormaler Winter wie seit gut 30 Jahren…
        Übrigens: wie sollen wir ‚beinahe autobiographisch‘ verstehen ;-?

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        • Bei meinem verfilzen die Haare, und zwar meist an den Hinterläufen/Oberschenkeln. Das kommt daher, dass er sich in den Dreck schmeißt, wenn es wärmer wird, und ich es meist nicht alles rauskämmen darf, weil es ziept (vermute ich) und er das doof findet. Diesen Winter ist das bisher ausgeblieben, was vermutlich daran liegt, dass er viel mehr drin ist weil Füße kaputt, du weißt ja. Heute Nacht hat er keinen Fuß vor die Tür gesetzt: Schneeregen. Aber mich angemault. Meine Hasel blüht auch schon, und ich habe vorgestern die ersten Winterlinge gesehen 🧡
          Zu „beinahe autographisch“ dachte ich, ich hätte alles gesagt? 😎😉

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          • Probier einmal, die Verfilzungen mit den Fingern aufzulösen … sprich, die Knuppels auseinanderzuziehen, das, was weg soll an Fell, löst sich dann von selbst und kommt dir entgegen, fällt raus … meine genießen das bis zu einem (zeitlich begrenzten) Grad, mach ich es halt öfters…
            Der Tiger ist kerngesund im Kopf, wenn er sich in den Dreck schmeißt: Gebüsch, das ihm das Fell glattstriegelt, wird er nicht gar so üppig haben, schätze ich, in einer Großstadt, auch mit Gärtenrevierstreungelegenheit.

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          • Mach ich eh. Nach sehr kurzer Zeit wird meine Hand festgehalten und gebissen. Erst sanft, dann stärker, wenn ich nicht reagiere 😉
            Aber natürlich ist er kerngesund im Kopf! Es geht ihm wie mir: Ich habe ein Problem mit dem Fuß, nicht mit dem Kopf – mein Routinespruch letztes Jahr im Krankenhaus 😎. Sowieso ist er der beste Fellträger der Welt; kennst du ja auch alles von deinen 🧡

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  4. Aha, sie sind angekommen, sehr gut. Und wenn der Text nicht autobiographisch ist auch noch nicht völlig verputzt 🙂 „Die Unterwürfigkeit der Gummibärchen“ klingt wie ein Werbefilm der Zuckerindustrie oder eines Swingerclubs 🙂 🙂

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  5. Wusste gar nicht, dass Du auf so schnuckelige Zottel stehst! Na, mit so einem wäre eigentlich gut Kirschen essen, aber nur stumme Gummibärchen und dann Bauchweh?
    Und Deine Idee „Gummibären-Fasten“ werde ich mal der Brigitte oder Frau im Bild übermitteln, die suchen doch ständig nach neuen Diäten.

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    • Ich dachte, ich hätte durch den Hinweis auf Tanja klar gemacht, dass das Zotteltier ein Verwandter des (inneren) Schweinehundes ist, Werner? 🤔😉
      Und dass die erwähnten Zeitschriften „Gummibärchen-Fasten“ nicht kennen, kann ich mir nicht vorstellen, schließlich leben die seit Jahren davon, dass sie mit „7 Wochen Ohne“ nichts anfangen können, schon eher … 😉👍
      Abendgrüße ☔🛋️🍵🍪

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  6. Ich habe einen inneren Frieden mit den Gummibärchen geschlossen. Sie dürfen sein und duften und müssen nur abundzu ein wenig von ihren kostbaren Gaben abgeben. So bleiben wir sehr lange in Harmonie und ich und sie erfreuen uns an der Buntheit des Lebens – bei Tropi Frutti klappt das leider überhaupt nicht. Leider … die dürfen nicht ins Haus 😀

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  7. Mein Schweinehund lässt ausrichten, er kenne deinen nicht, aber er würde ihn gern kennenlernen, denn wer ein Kilo Gummibärchen essen könne, ohne tot umzufallen, müsse ein wirklich bemerkenswerter Kollege sein. Respekt von uns beiden! 😁
    Abendgrüße ganz ohne Gummibärchen 😋

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  8. Der Titel ist genial und Dein Schweinehund erinnert mich natürlich sehr an Tanjas 🙂
    Die Gummibärchen sind es bei mir nicht. Bei mir sind es die weißen Mäuse vor allem, bei denen ich schwach werde 🙂
    Da gibt es kein Halten 🙂

    Morgen wird es mir noch ein bissel besser gehen, denke und hoffe ich, liebe christiane.
    Liebe GuteNachtgrüße von Bruni an Dich

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  9. Ja,aber ich habe es immer wieder hinausgezögert, wußte aber, besser wird es nicht, sondern immer noch ein kleines bissel schlimmer. Als der angeblich kleine Nabelbruch dazukam, wußte ich, da gibt es kein Zurück. Dann hab ich den nächsten freien Termin genommen. Eine ambulante OP
    Hört sich doch eigentlich gut an. oder?

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  10. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 10*11*12*13*14**24 | Wortspende von puzzleblume | Irgendwas ist immer

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