08.12. – Das letzte Mal | Adventüden

Die schweren Holzläden waren vor dem Fenster zugeklappt. Der Lärm von der Straße und die ungewöhnlich heiße Dezembersonne prallten dagegen. Das weiße Laken lag frisch gebügelt auf dem breiten Bett. Die Konturen des Kissens und der flauschigen Bettdecke wölbten sich unter dem weißen Betttuch. Die roten Vorhänge und Lampenschirme tauchten den Raum in ein gemütliches Dunkelrot. Schön waren die roten Rosen in der modernen Glasvase. Der Hausherr ist wohl auf Reisen, konnte man annehmen.

Sie betrat sachte diesen Raum und ließ die Stimmung auf sich wirken, setzte sich auf die Couch neben das Tischchen mit den Rosen. In der Wohnung daneben dudelte ein Radio, sie hörte leise Töne.

»Wie gut es ist, hier bei dir zu sein«, dachte sie. Es roch nach winterlichem Gemüseeintopf. Auf dem Tisch war für zwei gedeckt. Besteck, Gläser und weiße Stoffservietten lagen akkurat. Sie hielt noch den kühlen Haustürschlüssel in der Hand, mit dem sie das Haus betrat und die Wohnung aufschloss. Sie war niemandem begegnet. So wie immer. Nie begegnete sie einem Menschen in diesem stillen Haus. Der mit silbernem Lametta dekorierte Weihnachtsbaum im Eingangsfoyer stand wie jedes Jahr etwas verloren da.

Hier in diesem Zimmer trafen sie sich regelmäßig im Dezember. Ein paar Tage gehörte dieser Raum und die Zeit ihrer heimlichen Liebe. Sie dachte daran, wie sehr er ihre Zärtlichkeiten genoss. Sie erinnerte sich an seine Küsse auf ihrem Körper, an seine Liebeserklärungen.

Sie hatte lange nichts von ihm gehört. Sie würde heute sein Lieblingsessen mit ihm teilen. Ihm erzählen, wie sehr sie ihn vermisst hatte und wie wichtig die gemeinsame Zeit für sie war. Was er ihr bedeutete. Sein Platz würde leer bleiben. Von seinem Tod hatte sie vor einigen Wochen aus der Zeitung erfahren. Sie freute sich auf diese besondere Begegnung mit ihm. Heute. Das letzte Mal.


Autor*in: Petra Schuseil                    Blog: Totenhemd-Blog


Adventüden 2022 08-12 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Adventskalender, Dezemberdilemma, Eintopf, Gebäckdose, Hefe, Lametta, Laubsäge, Liebeserklärung, Kreuzkümmel, Kulturschock, Sternenglanz, Sturz, Taschentuch, Tunichtgut, Weihnachtsputz.

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2022, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

05.12. – Wieder ein Weihnachtsdilemma gelöst | Adventüden


»Wie wirst du, Hinrich, dieses Jahr
(Bei uns wars letztens wunderbar!)
Das heilge Weihnachtsfest verbringen?
Hol schon mal raus den Weihnachtsputz!«
So spricht zu Hinrich sein Freund Lutz.

»Ich werde meinen Weihnachtsabend,
Mich an einem Eintopf labend,
In der Lichtung bei den Rehen
Unterm Sternenglanz begehen.«
So spricht der Hinrich und schweigt still
Weil er mehr nicht sagen will.

»Kreuzkümmelschock und zugenäht
Was ist, wenn Wind von Westen weht?
Der bringt dann Regen, oder Schnee
Du wirst arg friern, Herrjeminee!
Sei klug und mach’s wie alle Leute
Es allzeit tun und so auch heute:

Kauf euch eine hübsche Tanne
Hänge viel Lametta dranne
Fülle ein paar tolle Lose
In die olle Gebäckdose
Mach auch selbst den Weihnachtsmann
Damit dein Kind sich freuen kann.«

»Νee, ich brauch kein’ Weihnachtsputz«,
Sagt der Hinrich nun zum Lutz.
»Seit dem Krach im letzten Jahr
Sind Trud und ich nicht mehr ein Paar

Den Kleinen hat sie mitgenommen
Ihn zu erziehn zu einem frommen
Benimmdichkind und Weihnachtsengel
Bei mir würd er, sagt sie, ein Bengel
Ein Tunichtgut und Querulant
Für ihre Sippe eine Schand.«

Der Lutz denkt nach: »Du weißt doch, dass
zum Weihnachtsfest gilt Schulderlass!
Schreib Trud und sag ihr, dass du sie
Nur liebst von Herzen, dass du nie
Mit andern Weibern rumgemacht
Und dass du in der Heilgen Nacht

Wirst kümmerlich und ganz allein
(Anstatt mit ihr und Sohn zu drein)
Im Walde hocken bei den Rehen.
Das wird ihr sehr zu Herzen gehen.
Bestimmt gewährt sie dir Bewährung
Und schickt dir gleich ne Liebeserklärung.

Die Weiber, glaub mir, lieben die Versöhnung
Und was noch eben aussah nach Verhöhnung
Wird über Nacht zu köstlicher Verwöhnung.«

So war es dann. Ein Taschentuch
war für die Tränen nicht genuch,
die Trud vor Rührung hat vergossen
während sie den Sekt genossen.


Autor*in: Gerda                    Blog: Gerda Kazakou


Adventüden 2022 05-12 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

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Adventskalender, Dezemberdilemma, Eintopf, Gebäckdose, Hefe, Lametta, Laubsäge, Liebeserklärung, Kreuzkümmel, Kulturschock, Sternenglanz, Sturz, Taschentuch, Tunichtgut, Weihnachtsputz.

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2022, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

01.12. – Deine Zeit | Adventüden

Wenn du an Weihnachtsbäckerei denkst, dann riechst du diesen besonderen Duft. In Erwartung des lieben Besuchs bricht endlich der sonst zwanghaft gedrosselte Backrausch aus. Kinder sind dankbare Abnehmer und Esser. Es darf wieder wie früher sein, der Tisch üppig gefüllt werden. Es gilt, genau zu planen, denn das ersehnte Ergebnis braucht Liebe und vor allem Zeit, die Vorfreude wird nicht in Minuten, sondern in Stunden und Tagen gemessen.

Eine der wichtigsten Zutaten ist Geduld. Sauerteig, Joghurt, Mehl, Wasser, Salz und ein Hauch Hefe sind die Basis. Du weißt genau, wann der Teig richtig ist, riechst die perfekte Temperatur, fühlst die Bindung, erspürst die Elastizität. Ab in die Schüssel, die Gehzeiten einhalten, Dehnen, Falten, Wärme, Kälte, Routine.
Das Kind kommt. Welch Freude. Wie schnell die Zeit vergeht. Wann wird sie da sein, ist die Bahn pünktlich, das Brot grad aus dem Ofen, verführerisch duftend wird es den Sturz aus dem Topf, in dem sonst der Familieneintopf zubereitet wird, wie immer überstehen. Resch und splitternd wird die feine Kruste sein, dieses unbeschreibliche Ausnahme-Geräusch, wenn die erste viel zu dicke dampfende Brotscheibe heruntergeschnitten wird, die Butter darauf schmilzt. Ihre Augen werden leuchten und ein feines »Hmmmm« wird über ihre Lippen kommen, Schritte eilen in die Küche und innige Zufriedenheit schlägt dir entgegen, wenn du gegen alle Vernunft dieses warme, wohlriechende Brot aufschneidest, die Butter auf die Scheibe streichst und das Salz in der Mühle nur über dem Brot ausschüttelst und nicht an dem Mahlwerk drehst …
Das ist Liebe pur – und köstlich.

Es kann Weihnachten sein, muss es aber nicht. Eine Zeit für die Familie, für Gespräche und Zeit für Brot. Darf man auch eine Kerze auf den Brotlaib stecken? Dir wäre danach. Du lässt es und lächelst, weil alles gut ist. Alle sind da. Was braucht es mehr Lametta …


Autor*in: Doro                    Blog: Doro|Art


Adventüden 2022 01-12 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

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Adventskalender, Dezemberdilemma, Eintopf, Gebäckdose, Hefe, Lametta, Laubsäge, Liebeserklärung, Kreuzkümmel, Kulturschock, Sternenglanz, Sturz, Taschentuch, Tunichtgut, Weihnachtsputz.

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2022, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Über Liebe und Natur

 

Die Liebe ist so mächtig, dass sie die ganze Natur mit ihren Botschaften beauftragen kann.

(Victor Hugo, Die Elenden, Bd. II, 1862, Online-Quelle)

 

Kalender 2022 | 365tageasatzaday
Quelle: Ich meiner selbst, wie immer; wer nicht groß klickt, verpasst das Beste! 😉

 

Happy New Year! Wer meinem Blog schon länger folgt, erinnert sich vielleicht an meine Jahreskalender (2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021). Jedes Jahr aufs Neue bastele ich aus eigenen Fotos ein Kalenderposter (eigenes Design, eigenes Kalendarium, alles handgeklöppelt), das im neuen Jahr meine und (meistens) eine Tür ausgewählter Mitmenschen verschönert. Dieses Jahr bin ich überrascht, dass zu dem Fähnlein der obligatorischen drei Aufrechten noch vier weitere Begeisterte hinzugekommen sind – und das, obwohl das der gefühlt unbunteste Kalender ist, den ich je hatte. Schön, ich freue mich, ich hoffe, ihr auch!

Sollte ich irgendwem, der*die dies liest, kein gutes neues Jahr 2022 gewünscht haben (was sehr gut sein kann), sei es hiermit nachgeholt und nicht weniger herzlich gemeint, ich hatte in den letzten Tagen nur keine sonderliche Lust, mein Rückzugsmauseloch zu verlassen, es war so gemütlich und unanstrengend zwischen den Jahren.
Ich habe genau das getan, was ich angekündigt hatte, die Flügel hängen gelassen …

(Glaubt mal nicht, dass ich JETZT schon wach wäre …)

Coming up next: Morgen gehen die regulären Etüden wieder los! 😉

 

Adventüden 2021 17-12 | 365tageasatzaday

17.12. – Das Wesentliche | Adventüden

Weihnachten, das Fest der Liebe und des Fressens«, pflegte ihr Vater zu sagen.

Sie sehnte sich zurück in die Unbeschwertheit und Geborgenheit ihrer Kindheit. Diese schönste Zeit des Jahres, besinnlich, voller Überraschungen und Vorfreude, voller Glauben, Liebe, Hoffnung. Jahr für Jahr jagte sie diesen Erinnerungen nach. Sie einzufangen, sie noch einmal zu spüren, das wäre so schön.

Doch auch wenn mit jedem Jahr ihre Kekse perfekter wurden, der Weihnachtsschmuck im ganzen Haus Tannenduft verbreitete, ihre Sehnsucht nach dem Vergangenen erfüllte sich nie. Es war ihr nie wirklich gelungen, dieses Glück ihrer Kindheit zu reproduzieren oder anderen zu vermitteln. Dem Sohn nicht, dem Mann nicht, sich selbst nicht. Sie hatte die Partitur des Weihnachtsglücks verlegt.

Wo war das kleine Mädchen, das aufgeregt jeden Tag die Bilder im Adventskalender betrachtete? Wo das Mädchen, das den Kater auf dem Schoß, den Hund zu ihren Füßen in den Weihnachtsbaum blinzelte, bis die Lichter der Kerzen scheinbar in einen einzigen wunderschönen Stern aus Glitzer verschmolzen?

Sie blieb Vergangenheit. Und kein noch so leckerer Bratapfel, kein Marzipan, kein nach altem Rezept gemachter Kartoffelsalat konnten ihr das Gefühl von Frieden und Hoffnung, wiederbringen.

Weihnachten war mit jedem Jahr mehr zu einem Beamten geworden, der in seiner Aktentasche eine wachsende To-do-Liste mit sich führte:

Weihnachtsdeko – check,
Plätzchen backen – check,
Geschenke – check …

Wann war aus glitzernder Wärme drohendes, einsames Sturmwolkenblau geworden?

War es die Hektik im Job, die gerade zum Jahresende hin einen Höhepunkt erreichte: dringender Projektabschluss hier, Jahresplanung da? Waren es familiäre Probleme?

Nein. Es würde nie mehr so werden, einfach, weil sie selbst nicht mehr so war wie das kleine, vertrauens- und hoffnungsvolle Mädchen unterm Weihnachtsbaum.

Es wurde endlich Zeit, einen neuen Anfang zu finden.

Weihnachten: das Fest der Liebe? Ja!

Die wichtigste Frage ist aber nicht, wer dich liebt, sondern, wen du liebst.


Autor*in: Donka                             Blog: onlybatscanhang

 

Adventüden 2021 17-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Vom Glück (und) der Liebe

Erinnerung.

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.

(Johann Wolfgang von Goethe, Erinnerung, aus: Gedichte (Ausgabe letzter Hand, 1827), Online-Quelle)

15.

Du hattest kein Glück, und ich hatte keins;
wir nahmen einander, nun haben wir eins.
Wo haben wir es denn hergenommen?
Es ist vom Himmel auf uns gekommen.

(Friedrich Rückert, Du hattest kein Glück, in: Vierzeilen, Zweites Hundert, aus: Gesammelte Gedichte, Zweiter Band, 1836, Online-Quelle)

[Das Glück ist dieses]

Das Glück ist dieses: Beieinander ruhen,
schweigsam als wie gebettet in den Abend,
und Horchen ist es auf den Ton,
den meine Seele nächtlich deiner singt.

(Walter Calé, Das Glück ist dieses, aus: Mauthner (Hg.), Nachgelassene Schriften von Walter Calé, 1910, Online-Quelle)

Die Nicht-Gewesenen.

Über ein Glück, das du flüchtig besessen,
Tröstet Erinnern, tröstet Vergessen,
Tröstet die alles heilende Zeit.
Aber die Träume, die nie errung’nen,
Nie vergeß’nen und nie bezwung’nen,
Nimmer verläßt dich ihr sehnendes Leid.

(Isolde Kurz, Die Nicht-Gewesenen, aus: Gedichte, 1888, Online-Quelle)

Die Liebe

Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Thür noch Riegel,
Und dringt durch Alles sich;
Sie ist ohn’ Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel,
Und schlägt sie ewiglich.

(Matthias Claudius, Die Liebe, aus: ASMUS omnia sua SECUM portans oder sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen, Sechster Theil, 1797, Online-Quelle)

 

Quelle: Pixabay

 

Nein, ich bin nicht der Meinung, dass man nur zu zweit glücklich werden kann, aber ich mochte die Zartheit der Gedichte so. Kommt gut und fröhlich in und durch die neue Woche! 🙂

 

Adventüden 2020 10-12 | 365tageasatzaday

10.12. – Wenn die Zeit kommt | Adventüden

 

»Haben Sie schon geöffnet?« Eine junge, verfroren wirkende Frau hatte den Kopf zur Tür hereingesteckt.
»Küche ist noch zu, aber Sie sehen aus, als könnten Sie einen Kaffee vertragen«, sagte ich und winkte sie herein.
»Kaffee wäre herrlich.« Die Frau wirkte ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Sie hatte lange, etwas strähnige blonde Haare mit Stirnband und eine Brille wie Janis Joplin.
»Hier wird Musik gemacht?«, fragte sie, auf die kleine Bühne mit dem Klavier deutend.
»Ach, früher mal«, antwortete ich und stellte eine Schale Lebkuchen neben ihre Kaffeetasse. »Der Laden war berühmt für seine Jazz-Sessions.«
»War?«, fragte die Frau.
»Ja, leider ist das Vergangenheit. Inzwischen beschwert sich der alte Herr von gegenüber ständig über den ›Lärm‹«. Ich deutete mit den Händen Anführungszeichen an. »Dabei soll er früher regelmäßig mitgejammt haben. Er war Jazztrompeter.«
»Und was ist passiert, dass er die Musik nicht mehr erträgt?«, fragte die junge Frau, während sie unserem Kater ein paar Streicheleinheiten zukommen ließ.
»Seine Frau ist gestorben, heißt es«, erklärte ich. »Danach war er nicht mehr derselbe. Er wurde immer bösartiger. Ich weiß, er ist unglücklich und einsam, aber bei allem Respekt: Er ist nicht alleine auf dieser Welt. Wenn er so weitermacht, kann ich hier bald dichtmachen.«

Die junge Frau hatte aufmerksam zugehört. Jetzt stand sie auf und sagte lächelnd: »Es wird Zeit, ich muss meinen Mann abholen.«
Nachdenklich blickte ich ihr nach, wie sie in den Nebelschwaden verschwand.

An jenem Abend verstarb unser alter Nachbar. Wir richteten auf Wunsch seiner Kinder den Leichenschmaus aus. Am Abend vorher kam der Sohn und brachte ein großes Foto, das auf der Theke stehen sollte.
»Meine Eltern bei ihrer Hippie-Hochzeit 1969«, erklärte er mit einem traurigen Lächeln. »Mein Vater hätte es so gewollt.«

Ich erkannte sie sofort an der Janis-Joplin-Brille.

Autor*in: Bettina     Blog: Wortgerinnsel

 

Adventüden 2020 10-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Etikett, Gin, Käsekuchen, Kuscheldecke, Lebkuchen, Lichtermeer, Märchenbuch, Minnesang, Nebelschwaden, Schlittenfahrt, Semmelknödel, Streicheleinheiten, Wichtel, Wunschpunsch, Zugvogel

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2020, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Es wird ernst | abc.etüden

Dies ist die Fortsetzung von „Der Besuch“, ihr hattet danach gefragt.

***

Es wird ernst. Der angekündigte Besuch ist da. Es ist nicht die Kupferfarbene, zum Glück, diese hier sieht ganz normal aus. Nicht normal ist: Sie riecht gut! Ich meine, hallo, ich bin eine Katze, ich habe schon so einige Menschen gerochen, und über ziemlich viele möchte ich nicht sprechen. Aber sie hier ist völlig okay.

Also habe ich überlegt, wie ich ihr zeigen kann, dass ich sie gut finde, und Annäherungsversuche gestartet. Alle Menschen kraulen gern Katzen, oder? Ja, sie auch. Aber viel lieber fummelt sie an ihm herum, und das, obwohl er immer noch so stinkt. Klar bekomme nur ich das mit, sie bestimmt nicht!

Aber er, er hat mir einen langen Blick zugeworfen und »Nun übertreib mal nicht« gemurmelt, und das fand ich unhöflich. Also bin ich raus und habe mich auf dem Dach vom Geräteschuppen in die Sonne gelegt.

Als ich Hunger bekam, bin ich wieder rein. Meine Schüssel: leer. Zu trinken: Fehlanzeige. Er: im Bett. Sie: im Bett. Ich habe mich danebengesetzt, zugeguckt und gewartet, was sollte ich tun. Man ist ja diskret und will nicht stören.
Irgendwann hat sie mitbekommen, dass ich da war. Immerhin, sie hat nicht gekreischt, aber sie hat sich beschwert, sie würde sich beobachtet fühlen. Ob er da nicht was machen könne?

Und er? Nein, er ist nicht auf die Idee gekommen, ihr zu erklären, dass ich normalerweise dort am Fußende schlafe. Er hat gelacht, sie geküsst und »Ich fütter ihn mal eben« gesagt. In der Küche hat er mich dann gefragt, ob ich, wenn sie Liebe feiern würden, nicht woanders bleiben könnte. Wenigstens am Anfang, bis sie sich an mich gewöhnt hätte?
Ich hab ihm nicht geantwortet, dass es ja wohl keine Frage sei, wer sich an wen gewöhnen müsse.
Menschen.

Liebe feiern, weia. Ich glaub, den hat’s echt erwischt.

 

abc.etüden 2020 24+25 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, bearbeitet von mir

 

Für die abc.etüden, Wochen 24/25.2020: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Worte stammen dieses Mal von Susanne von books2cats und lauten: Geräteschuppen, kupferfarben, feiern.

Danke an Annette, die nachgefragt hat, ob es eine Fortsetzung der Kattitüde geben würde. Mir war gerade so albern, da dachte ich, das wäre vielleicht gar keine schlechte Idee … 😉

In meinem Offline-Leben ist zurzeit eine Menge los, daher bin ich gerade etwas seltener bzw. verspätet online, seht es mir bitte nach. Es ist alles okay, es kann nur ein bisschen dauern, bis von mir was kommt. Habt es fein!

 

 

19 – Sieben Geister | Adventüden

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Sieben Geister (Katharina, Katha kritzelt)

 

Schneeflocken landen in Kinderlachen, tummeln sich um allgemeines Wohlbefinden. Die Bäuche sind voll, die Beine schwer. Je länger man läuft, desto freier fühlt man sich. Der Hund fährt mit seiner Nase Bahnen in den frisch gefallenen Schnee. Irgendjemand muss den Weg ja ebnen.

Zwölf, zwanzig, fünfzig, hundert, unendlich viel. Alles ist teuer. Das Geld klingelt laut und raschelt überall. Nur leise hört man den Magen einiger Geldbörsen grummeln. Auch dieses Jahr hat der Weihnachtsmann unterwegs Geschenke verloren.

Tick tock. Tick tock. Gleich kommt die Weihnachtsgala im Fernsehen. Die sieht sie jedes Jahr. Früher mit ihrem Mann. Sie schiebt das Fertiggericht mit Gans in die Mikrowelle. Es duftet chemisch und nach Rotkohl. Ein Ping erfüllt die leere Wohnung.

Das kleine Einhorn strahlt rosa, blau und gelb, als es genau im schummrigen Weihnachtsbaumlicht inspiziert wird. Sein Schweif glitzert und schwingt fröhlich hin und her. Eine kleine Dame drückt es an sich und quiekt vor Freude. Sie wird ihn überall hin mitnehmen. Auch in ihre erste eigene Wohnung.

Engumschlungen, liebend, zärtlich. Er streichelt ihre Wange. Sie küsst sanft seine Schulter. Sie liegen vor dem Kamin, eingerollt in das Bärenfell von seinem Großvater. Die Kerzen im Baum und das Feuer im Kamin leuchten nur halb so stark wie ihre Augen.

Leise rascheln seine grünen Nadeln. Seine Äste beben, geht man an ihm vorbei. Es riecht nach Wald, süßlich, herb. Leben. Sterben. Er ist entwurzelt und seine Tage sind gezählt. Draußen könnte er mit seinen Brüdern für eine grünere Welt sorgen, hier drinnen saugt nur jemand.

Sie reicht ihm die Vanillekipferl, er gibt ihr die Teekanne. Die Kindeskinder toben im Hintergrund. Die Kinder ermahnen, halb scherzend, halb erziehend. Sie verbrennt sich am heißen Tee, er krümelt seine Hose voll. Beide lächeln.

 

Adventüden 2019 19 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Und wie mag die Liebe

Da laufe ich gestern durch die Blogs. Kommt öfter vor. Und ein Halbsatz trifft mich und lässt eine Erinnerung schwingen. „… die Liebe bemessen. Wie kam sie mir und wie könnte ich …“

„Und wie mag die Liebe dir kommen sein“, raunt es in mein inneres Ohr, eine weibliche Stimme, eine feierliche Stimmung. „Kam sie wie ein Sonnen, ein Blütenschnein …“ Ach, du bist es! Rilke! „Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los | und hing mit gefalteten Schwingen groß | an meiner blühenden Seele …“

Da ist nun alles drin, was ich an Rilke mag. Auch und vielleicht gerade, wenn/weil die Umsetzung im Alltag ein bisschen mau aussieht. Daher muss das jetzt in diesen verregneten Hamburger Mittwochmorgen.

 

Und wie mag die Liebe dir kommen sein?
Kam sie wie ein Sonnen, ein Blütenschnein,
kam sie wie ein Beten? – Erzähle:

Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los
und hing mit gefalteten Schwingen groß
an meiner blühenden Seele…

(aus: Rilke, Lieben, ganzes Gedicht hier)

Wer wissen will, wer mir da ins Ohr geflüstert hat: Cosma Shiva Hagen, Rilke-Projekt II „In meinem wilden Herzen“. Hier nachhören, ich hoffe, es bleibt lange online.

Vielen Dank für die Worte, liebe Käthe, vielen Dank für das Projekt, liebe Graugans!

 

Calla | 365tageasatzadayQuelle: ichmeinerselbst

 

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Mutmaßungen über die L.i.e.b.e.

 

65 ist doch kein Alter

Adventszeit. Die Unruhe hatte sie nachmittags aus dem Haus getrieben. „Kommst du mit, Weihnachtsbäume zählen?“, hatte sie früher ins Telefon gerufen. Das Auto hatte wie von selbst die vertraute Route eingeschlagen. Es war schon dämmerig, und rechts und links blinkten immer wieder Nikoläuse und Rentiere an den Straßen. Und bunt beleuchtete Tannenbäume. Schön war das.
Wie so oft entspannte sie sich beim Autofahren. Schön und schrecklich und kitschig und doch auch ein bisschen feierlich. Sie spähte aufmerksam in eine Seitenstraße. Hatte dort hinten nicht immer dieses riesige Monster …

Klicken zum Weiterlesen!

 

Wunderkerze | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay

 

Dieser mein Text erschien gestern als Teil des großartigen 24-Tage-Projekts von Frau Graugans: Mutmaßungen über die L.i.e.b.e.

Daher möchte ich euch bitten, den Rest meiner Geschichte bei ihr zu lesen. Liebe Margarete, vielen Dank für die Einladung, hat mich sehr gefreut.

Einen schönen 3. Advent euch allen!

 

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Gehen oder bleiben?

Die Erfahrung lehrt uns, dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in gleicher Richtung blickt.
(Antoine de Saint-Exupéry, Wind, Sand und Sterne, Quelle)

Als ich darüber stolperte, habe ich mich daran erinnert, dass ich vor längerer Zeit mal einen sehr schönen Artikel über die Phasen der Liebe gelesen habe. Ich erinnere mich nicht mehr, wo es war, nur dass ich überrascht war, wie genau (und wie liebevoll) der Autor die Phase des ewigen Gezänks (Phase 3) beschrieb – und auch, dass sich viele Paare trennen, wenn sie in dieser Phase stecken (ich nehme mich da nicht aus). Ich hänge mal zwei Links zum Thema an: hier und hier.

Trotzdem finde ich die Vorstellung „gemeinsam in die gleiche Richtung zu blicken“ total schön. Hund und Katz‘ dürfen ausscheren …

Habt einen guten Tag!

 

Tierische Freunde – 365tageasatzadayQuelle: Pixabay

 

Happy Valentine

„Liiiiiiiebe stirbt nie“ säuselt mein Radio mit süßseufzender Stimme, natürlich weiblich, und ich unterdrücke den übermächtigen Wunsch, es einfach aus der Halterung zu reißen und an die Wand zu klatschen – „Ach ja? Nimm das! Das hast du nun davon!“ – und die Trümmerteile unter meinen Absätzen knirschen zu hören, während ich mit meinem nicht unbeträchtlichen Gewicht darauf herumstampfe und sie zu Bröseln zermahle, um dann mit bitterer Genugtuung auf die Gemengelage aus Kunststoff und metallischem Geglänze zu starren und … in Tränen auszubrechen.
„Interessant“, bemerkt die kleine Stimme in meinem Hinterkopf nüchtern, „ich wusste gar nicht, dass du so emotional und impulsiv bist. Ist was passiert? Hab ich was verpasst? Hast du das jetzt öfter?“

Ich fühle mich am offenen Herzen seziert.

Manchmal denk ich, ich werd verrückt.

 

herzfeuer – 365tageasatzadayQuelle: Pixabay

 

Kleine Skizze. Nix Persönliches, nur nervige Werbung. Na gut, fast nur.

 

Tag des Ohrwurms: Painted Desert Serenade

Über die Verrücktheiten von Liebe und Schmetterlingen im Bauch. Allein schon der Titel: „Painted Desert Serenade“, „Serenade der bemalten Wüste“. Und um was geht es? Um zwei alte Menschen (die irgendwo festsitzen) und eine Liebe. Ach was. Was aber ein ziemliches Jammertal sein könnte, ist sehr witzig und sehr zärtlich. Nein, überhaupt nicht klischeehaft ;-), denn „Painted Desert“ ist auch der Titel eines Wüstengebietes in Arizona, zu dem die Protagonisten aufbrechen. Sehr passend. 🙂

Hier ist der Originaltext, ich hab es mal eben übersetzt.

Er sagt ihr: „Ich möchte dich nackt auf einem großen Metallbett malen | mit leuchtend orangen Mohnblumen um deinen Kopf herum.“ | Und sie sagt: „Verrückter alter Mann, ich bin nicht mehr jung.“ | „Aber das ist okay“, flüstert er, „ich habe noch nie gemalt.

Und liebst du mich, Lady Jane, Lady Jane? | Liebst du mich, Lady Jane, Lady Jane? | Du machst, dass ich mit dem Mond spreche und im Regen spazierengehe. | Liebst du mich, Lady Jane, Lady Jane?

Oh, ich möchte dir bei Kerzenschein aus den Teeblättern lesen, | auf einem fetten roten Sofa mit dir die Nacht verbringen. | Ich möchte deine Füße mit einer Pfauenfeder kitzeln.“ | Und sie sagt: „Kannst du ein bisschen leiser sprechen, es sind Leute im Raum.“

„Und liebst du mich, Lady Jane, Lady Jane? | Liebst du mich, Lady Jane, Lady Jane? | Du machst, dass ich mit dem Mond spreche und im Regen spazierengehe. | Liebst du mich, Lady Jane, Lady Jane?“

Und Jane sagt: „Meine Kinder haben mich hierher gebracht und versprochen, dass sie anrufen. | Aber du weißt, Kinder vergessen das, so ist das nun mal.“ | Und er sagt: „Nun, das macht uns beide frei und ungebunden. | Also, Jane, möchtest du mitkommen und dir mit mir Painted Desert ansehen?

Und liebst du mich, Lady Jane, Lady Jane? | Liebst du mich, Lady Jane, Lady Jane? | Du machst, dass ich mit dem Mond spreche und im Regen spazierengehe. | Liebst du mich, Lady Jane, Lady Jane? | Liebst du mich, liebst du mich wie ich dich liebe, Lady Jane?“

 

Ich mag Singer-/Songwriter-Sachen, auch und gerade, wenn sie leicht sind, denn es gibt soooo viele traurige Lovesongs. Und obwohl dieses wunderschöne Lied von Joshua Kadison weder neu noch bekannt ist, hat es sich in meinem Herzen etabliert. Ich muss immer lachen, wenn ich es höre. Mehr Infos/Tipps zu Joshua Kadison werden gern genommen, falls ihr habt.
Habt einen vergnügten Tag!

 

Painted Desert, Quelle: Wikipedia

 

Liebe ist menschlich

Liebe kennt kein Geschlecht.
Liebe kennt keine Rasse.
Liebe kennt keine Behinderung.
Liebe kennt kein Alter.
Liebe kennt keine Religion.

Und wenn das alles auf euch zutrifft, und wenn ihr das in eurem Umfeld alles leben könnt, dann wisst ihr bestimmt auch, dass ihr privilegiert seid (und/oder dafür hart gearbeitet habt), denn selbstverständlich ist es nicht. Nicht (mal) hier in Deutschland, wo wir eigentlich andere Probleme haben. Aber es sollte es sein. Finde ich.