Adventüden 2020 03-12 | 365tageasatzaday

03.12. – Geld wächst auf Bäumen | Adventüden

 

Gregor saß auf seiner Parkbank in einem Lichtermeer. Die Stadt hatte keine Kosten und Mühen gescheut, jeden Baum in dem Stadtgarten zu erleuchten. Tagsüber tummelten sich hier Spaziergänger und Kinder trafen sich auf dem kleinen Hügel für eine Schlittenfahrt. Erst ab zwanzig Uhr, entweder zum Abendbrot oder zur Prime Time, verschwanden die Menschen nach und nach. Zurück blieben solche, die keinen Tisch für ein Abendbrot oder keinen Fernseher besaßen. Der Stadtgarten wurde zum Pennerpark. Sicher würde die Beleuchtung in wenigen Minuten ausgehen, um Strom zu sparen.

Gregor sah zu Elsa hinüber. Sie war eine dieser Junkies, die nach und nach schlechter aussahen, bis sie verschwanden. Gregor blieb beim Alkohol. Der machte einen haltbarer und war billiger. Er wollte sich nicht prostituieren. Die Vorstellung, wie er alter hässlicher Vogel versuchen würde, Gigolo zu sein, amüsierte ihn. Da war es wahrscheinlicher, dass Geld an Bäumen wuchs. Er lachte laut. So ganz abwegig war das nicht. Die Lichterketten hatten sicherlich ein Vermögen gekostet. Man hätte es in ein neues Obdachlosenheim investieren können, aber so weit dachten die da oben nicht.

Gregor nahm einen Schluck Gin und seine Stimmung schlug um. Er wurde sauer, dass man Leute wie ihn ignorierte, indem man das Licht ausmachte und sie verschwinden ließ. Gregor wurde immer wütender. Er schrie – und die Lichterketten erloschen.

Nun tauchte der Vollmond den Park in geheimnisvolles Licht. Schatten spielten in den Bäumen und der Schnee glitzerte. Der Park verwandelte sich. An jedem Strauch und Baum sah Gregor Blumen aufblühen. Neugierig ging er näher, um an ihnen zu riechen, doch er stellte fest, dass sie aus Papier waren. Vorsichtig pflückte er eine der Blüten und faltete sie auseinander – ein Fünfzig-Euro-Schein. Die nächste Blüte war ein Hunderter. Gregor lachte. Er hatte es gewusst. Geld wuchs auf Bäumen.

Autor*in: Katharina     Blog: Katha kritzelt

 

Adventüden 2020 03-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Ja, bis es mich nervt, schneit es jetzt hier. Ihr wollt auch? Bedankt euch bei Karin, die mich danach gefragt hat, denn ich kann euch meine Anleitung geben:
https://365tageasatzaday.wordpress.com/2019/12/12/12-eine-selige-weihnacht-adventueden/#comment-39948

 

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, habe ich darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Etikett, Gin, Käsekuchen, Kuscheldecke, Lebkuchen, Lichtermeer, Märchenbuch, Minnesang, Nebelschwaden, Schlittenfahrt, Semmelknödel, Streicheleinheiten, Wichtel, Wunschpunsch, Zugvogel

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2020, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

19 – Sieben Geister | Adventüden

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

 

Sieben Geister (Katharina, Katha kritzelt)

 

Schneeflocken landen in Kinderlachen, tummeln sich um allgemeines Wohlbefinden. Die Bäuche sind voll, die Beine schwer. Je länger man läuft, desto freier fühlt man sich. Der Hund fährt mit seiner Nase Bahnen in den frisch gefallenen Schnee. Irgendjemand muss den Weg ja ebnen.

Zwölf, zwanzig, fünfzig, hundert, unendlich viel. Alles ist teuer. Das Geld klingelt laut und raschelt überall. Nur leise hört man den Magen einiger Geldbörsen grummeln. Auch dieses Jahr hat der Weihnachtsmann unterwegs Geschenke verloren.

Tick tock. Tick tock. Gleich kommt die Weihnachtsgala im Fernsehen. Die sieht sie jedes Jahr. Früher mit ihrem Mann. Sie schiebt das Fertiggericht mit Gans in die Mikrowelle. Es duftet chemisch und nach Rotkohl. Ein Ping erfüllt die leere Wohnung.

Das kleine Einhorn strahlt rosa, blau und gelb, als es genau im schummrigen Weihnachtsbaumlicht inspiziert wird. Sein Schweif glitzert und schwingt fröhlich hin und her. Eine kleine Dame drückt es an sich und quiekt vor Freude. Sie wird ihn überall hin mitnehmen. Auch in ihre erste eigene Wohnung.

Engumschlungen, liebend, zärtlich. Er streichelt ihre Wange. Sie küsst sanft seine Schulter. Sie liegen vor dem Kamin, eingerollt in das Bärenfell von seinem Großvater. Die Kerzen im Baum und das Feuer im Kamin leuchten nur halb so stark wie ihre Augen.

Leise rascheln seine grünen Nadeln. Seine Äste beben, geht man an ihm vorbei. Es riecht nach Wald, süßlich, herb. Leben. Sterben. Er ist entwurzelt und seine Tage sind gezählt. Draußen könnte er mit seinen Brüdern für eine grünere Welt sorgen, hier drinnen saugt nur jemand.

Sie reicht ihm die Vanillekipferl, er gibt ihr die Teekanne. Die Kindeskinder toben im Hintergrund. Die Kinder ermahnen, halb scherzend, halb erziehend. Sie verbrennt sich am heißen Tee, er krümelt seine Hose voll. Beide lächeln.

 

Adventüden 2019 19 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir