Adventüden 2021 24-12 | 365tageasatzaday

24.12. – Nacht der Wunder | Adventüden

Sturmwolkenblau«, sagt Søren, der Elch, zu Ziegenbart, dem begnadeten Kutscher des Fliegenden Rentierschlittens. »Schneien wird’s kaum.«

»Bestenfalls Schneeregen zur Bescherung.«

Ziegenbart schaudert.

»Ach nee, was hat Rumpelquietsch nun wieder angestellt?«

Eine Polarkoboldin wankt um den Rentierstall, macht »Grpph!«, und stürzt Søren schlafend vor die Hufe.

»Wehe, das war das Marzipan, und dass sie mir nicht wieder den ganzen Glitzer vom Geschenkpapier gegnibbelt hat.«

»Nee, die riecht nach diesem widerlichen Eistee, den der Weihnachtsmann jüngst angeschleppt hat.«

»Und sechsundvierzig Packungen Aachener Printen! Irgendwann platzt sie!«

»Dafür kommt sie heute nicht mit.«

»Strafe muss sein«, bestätigt der Elch, ein Prinzip, über das er sich stets ohne großes Kopfzerbrechen hinwegsetzt.

Gleich beginnt sie, die schönste Nacht, die, in der die Weihnachtsgeschichten geschrieben werden und der Menschen Sehnsucht über Kuchenbleche weht. In der Nacht des 23. Dezember können die Rentiere endlich wieder fliegen. Für gewöhnlich trainiert Ziegenbart dann die Jungtiere und schaut von oben auf die erwartungsvolle Welt. Die Heilige Nacht ist die eigentliche Daseinsberechtigung der Crew, aber das Bescheren ist rechte Fließbandarbeit und lässt wenig Zeit für Wunder.

Der Wichtel schirrt die hampeligen Tiere geduldig ein und Rumpelquietsch erwacht aus ihrer Fressstarre: »Mitkommen!«

»Nein!« Ziegenbart versucht, streng zu klingen.

»Maaann«, kreischt die grün anlaufende Polarkoboldin. »Maaann … heult in die Aaatsche.«

»In was heult ein Mann?«, fragt Ziegenbart. »In Asche? Oder meinst du einen Aschenbecher?«

»In seine Aktentasche?«, schlägt Søren vor.

Es ist nicht rauszukriegen. Grün wird zu Lila. »Keine Hoffnung … brauch Kekse … brauch Ziiiiiegenbart.«

Søren nickt, niemand kann mehr Hoffnung schenken als der sanftäugige Ziegenbart. Und niemand außer Rumpelquietsch kann Tränen auf Tausende von Kilometern riechen.

»Als ob wir noch Kekse hätten«, brummt Ziegenbart. »Komm halt, aber fall nicht vom Schlitten.«

Søren sieht ihnen liebevoll nach. Ein Weinender wird ein Weihnachtswunder erleben.


Autor*in: Natalie                            Blog: Fundevogelnest

 

Adventüden 2021 24-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Adventüden 2020 03-12 | 365tageasatzaday

03.12. – Geld wächst auf Bäumen | Adventüden

 

Gregor saß auf seiner Parkbank in einem Lichtermeer. Die Stadt hatte keine Kosten und Mühen gescheut, jeden Baum in dem Stadtgarten zu erleuchten. Tagsüber tummelten sich hier Spaziergänger und Kinder trafen sich auf dem kleinen Hügel für eine Schlittenfahrt. Erst ab zwanzig Uhr, entweder zum Abendbrot oder zur Prime Time, verschwanden die Menschen nach und nach. Zurück blieben solche, die keinen Tisch für ein Abendbrot oder keinen Fernseher besaßen. Der Stadtgarten wurde zum Pennerpark. Sicher würde die Beleuchtung in wenigen Minuten ausgehen, um Strom zu sparen.

Gregor sah zu Elsa hinüber. Sie war eine dieser Junkies, die nach und nach schlechter aussahen, bis sie verschwanden. Gregor blieb beim Alkohol. Der machte einen haltbarer und war billiger. Er wollte sich nicht prostituieren. Die Vorstellung, wie er alter hässlicher Vogel versuchen würde, Gigolo zu sein, amüsierte ihn. Da war es wahrscheinlicher, dass Geld an Bäumen wuchs. Er lachte laut. So ganz abwegig war das nicht. Die Lichterketten hatten sicherlich ein Vermögen gekostet. Man hätte es in ein neues Obdachlosenheim investieren können, aber so weit dachten die da oben nicht.

Gregor nahm einen Schluck Gin und seine Stimmung schlug um. Er wurde sauer, dass man Leute wie ihn ignorierte, indem man das Licht ausmachte und sie verschwinden ließ. Gregor wurde immer wütender. Er schrie – und die Lichterketten erloschen.

Nun tauchte der Vollmond den Park in geheimnisvolles Licht. Schatten spielten in den Bäumen und der Schnee glitzerte. Der Park verwandelte sich. An jedem Strauch und Baum sah Gregor Blumen aufblühen. Neugierig ging er näher, um an ihnen zu riechen, doch er stellte fest, dass sie aus Papier waren. Vorsichtig pflückte er eine der Blüten und faltete sie auseinander – ein Fünfzig-Euro-Schein. Die nächste Blüte war ein Hunderter. Gregor lachte. Er hatte es gewusst. Geld wuchs auf Bäumen.

Autor*in: Katharina     Blog: Katha kritzelt

 

Adventüden 2020 03-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Ja, bis es mich nervt, schneit es jetzt hier. Ihr wollt auch? Bedankt euch bei Karin, die mich danach gefragt hat, denn ich kann euch meine Anleitung geben:
https://365tageasatzaday.wordpress.com/2019/12/12/12-eine-selige-weihnacht-adventueden/#comment-39948

 

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, habe ich darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Etikett, Gin, Käsekuchen, Kuscheldecke, Lebkuchen, Lichtermeer, Märchenbuch, Minnesang, Nebelschwaden, Schlittenfahrt, Semmelknödel, Streicheleinheiten, Wichtel, Wunschpunsch, Zugvogel

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2020, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Seid realistisch

Seid realistisch, fordert das Unmögliche!

(68er Parole, auch Che Guevara zugeschrieben)

Nach wie vor gründele ich auf den Fragen des Herrn lz.

6• glaubst du an das Unmögliche und wie könnte es beschrieben werden?

Also: ja, schon aus Prinzip, sonst könnte ich ja gleich aufgeben. Für mich ist das „Unmögliche“ eine sehr persönliche Sache. Unmöglich ist nach meiner Definition, was jenseits meiner Grenzen liegt. Also ist die eigentliche Frage doch die nach der Diskutierbarkeit, Erweiterbarkeit, Verschiebbarkeit meiner Grenzen. Was kann ich tun, was will ich tun, wie wichtig ist mir das Ziel? Bin ich bereit, an hinderlichen Einstellungen zu arbeiten, um das Ziel zu erreichen? (Beispiel? Jemand will abnehmen und sich dafür anders ernähren. Er hat beschlossen, kein Fleisch, aber dafür viiiiiel Gemüse und Salat zu essen. Dumm nur, dass er Grünzeug eigentlich als Tierfutter ansieht und immer das Gefühl hat, er isst damit etwas Minderwertiges. Tja.)
Natürlich gilt dieses Grenzenerweitern auch für Denken und Wissen. Leider beantworte ich damit aber die Frage, ob ich an die Erreichbarkeit des Unmöglichen glaube. Also, neuer Versuch.

Das Unmögliche. Das, was auf der anderen Seite liegt. Das Abstrakte. Dafür habe ich ein anderes Wort, ich nenne das Wunder. Glaube ich an Wunder? Ja, tue ich. „Auf nichts war Verlaß. Nur auf Wunder.„, schreibt Mascha Kaléko, und bringt damit die höhere Ebene ins Spiel.
Kann ich das beschreiben? Nein, ich denke, man kann es nur fühlen/empfinden. Ein äußeres Geschehnis. Eine innere Einsicht. Eine Welle, die einen über alle Grenzen hinausreißt und japsend vor herzgeöffneter Freude, Dankbarkeit und Schönheit an die eigenen Gestade zurückspült. Und was etwas im eigenen Leben verändert, was man vorher für unmöglich gehalten hat.
Ja, hat auch was mit Glück zu tun. Dazu komme ich noch.

Wünsche euch noch einen wunder-vollen Tag.

 

 

 

Kleines Wunder to go?

Fröhliche Weihnachten und entspannte Feiertage!

Dies sind Tage, an denen viel heil werden und viel kaputtgehen kann. Emotionen, Erinnerungen, Herzen liegen offen. Manche strahlen, andere nicht, und nicht alle können so, wie sie wollen.

Stresst euch nicht. Passt aufeinander auf. Wertschätzt, was euch anvertraut ist. Packt eure besten Seiten aus. Seid neugierig aufeinander. Genießt, was ihr tut.

Von Herzen eine gute Zeit, immer einen Stern über eurem Weg und ein kleines Wunder to go 🙂 …

 

Weihnachten 2014 – 365tageasatzadayQuelle: ichmeinerselbst außer den Herzchen, die sind von Pixabay

Wunder – 12. November 2014

Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.

(Hilde Domin)

 

Wenn man „Wunder“ als das Eintreten von etwas definiert, was man für schlichtweg unmöglich und völlig ausgeschlossen hält (Präsens, also: andauernd), dann glaube ich an Wunder. Schön, ich tu mich schwer mit den Naturgesetzen dabei, mir fällt es schwer, daran zu glauben, dass z. B. Elefanten ohne fremde Hilfe fliegen können. Aber vermutlich ist der Begriff in diesem Fall überstrapaziert.

Was mir an dem Gedicht gefällt, ist die Haltung. Nicht „müde“ werden, eingefahren, Tunnelblick, blind für alles, was abseits vom Weg passiert, im Kopf verschlossen. Sondern offen sein, sensibel, abwartend, als ob man einen Vogel locken will, der sich (vielleicht) entschließen wird, von der Handfläche Futter zu nehmen. Vertrauen.

Manchmal klappt das, manchmal nicht. Aber der Versuch lohnt immer. Nicht nur wegen des Wunders, das dann ganz bestimmt auch nicht blau sein muss …

 

Kohlmeise auf der Hand – 365tageasatzadayQuelle: Pixabay

Ausgesetzt – Samstag, 1. November 2014

Ich aß die grünenden Früchte der Sehnsucht,
Trank von dem Wasser das dürsten macht.
Ein Fremdling, stumm vor unerschlossenen Zonen,
Fror ich mich durch die finsteren Jahre.
Zur Heimat erkor ich mir die Liebe.

(Mascha Kaléko, Die frühen Jahre)

 

Ich mag eine Menge Gedichte von Mascha Kaléko. Dies hier ist eines meiner liebsten. Ich zitiere nur die zweite Hälfte, da das Copyright recht rigoros durchgesetzt wird, und ich hoffe, damit durch das Raster zu fallen. Diese Seite hier ist offiziell, hier ist das gesamte Gedicht.

Der letzte Satz ist natürlich der Hammersatz schlechthin, und ich will die bitteren Erfahrungen, die diese von den Nazis heimatlos gemachte Frau machen musste, wirklich nicht teilen.
Dennoch finde auch ich mich darin irgendwo.

Heimatlos zu sein, immer wieder zu erleben, dass ich irgendwie nicht reiche oder das berühmte Leben es anders meint, ist etwas, was auch ich immer wieder teile.
Bilder wie das Ausgesetztsein in der „Barke von Nacht“, die an ein Ufer treibt, ergreifen mich jedes Mal, wenn ich sie lese. (Wobei ich die Nacht liebe. Mythologisch und praktisch.) Aber das Ufer ist auch nicht sicher, sie lehnt an Wolken gegen Regen, an Sandhügeln gegen den Wind. Wie wunderbar flüchtig; wie bitter traurig, diese Unsicherheit. „Auf nichts war Verlass, nur auf Wunder.“ Da hat jemand sein Leben aber gar nicht mehr in der Hand. Ging es mir je so? Hm. Die materielle Ebene kann ich verneinen, ansonsten gerate ich ins Stocken. Aber sie glaubt, nein, sie verlässt sich sogar auf Wunder. Das wiederum kenne ich von mir, und wenn es nur in einem solchen Ausmaß wie „immer wenn Du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“ ist.

Sehnsüchtig isst sie von „grünenden“ (immerhin) Früchten, wird nicht satt, friert sich stumm durch „finstere Jahre“. Und nachdem das Äußere sie endgültig nicht trägt, die Wendung nach innen: „Zur Heimat erkor ich mir die Liebe.“ Wobei auch das schmerzbehaftet war, sie hat sowohl ihren über alles geliebten Mann als auch den über alles geliebten Sohn zu Grabe tragen müssen. Dieses Gedicht entstand in ihrem letzten Lebensjahr.

Ich frage mich, was ich daran nun so toll finde, und komme zu einem einfachen Schluss: Sie hat nicht aufgegeben. Sie hat eine Heimat gefunden. Sie verlässt sich auf Wunder und – die Liebe. Wie kann man das denn besser sagen, bitte?

 

bootswrack – 365tageasatzadayQuelle: Pixabay

 

Wunder – Dienstag, 28. Oktober 2014

Es gibt nur zwei Wege, das Leben zu leben: alles selbstverständlich zu nehmen oder die Welt als Wunder zu betrachten.

(Albert Einstein)

 

Ich denke manchmal, ich bin kein Optimist, ich bin nur eigensinnig. Mein ganzes Leben lang war ich allerdings schon ein Himmelgucker, Bäume-Umarmer und Katzen-Zulächler. Das ist relativ leicht, wenn es einem gut geht und man das Gefühl hat, dass einem alles zufliegt und die Welt sich sowieso nur für einen dreht. Aber es gibt auch dunkle Tage. Graue. Böse. Tage an denen alles falsch läuft, die voller Verzweiflung sind.

Ich durfte feststellen, dass mich auch an solchen Tagen das Gefühl für „Wunder“ nicht verlässt. Die Schönheit des Nebels auf der Straße am Morgen. Die Eleganz der Katze, die mir einen langen Blick zuwirft. Die Schreie der Wildgänse in der Höhe. Die spontane Freundlichkeit der Bäckereiverkäuferin.

Der Tag ist voller kleiner Freuden. Wenn wir sie zu sehen imstande sind.

 

Rosenpapier – 365tageasatzadayQuelle: ichmeinerselbst

Ja, eine Rose mit Textur im Hintergrund …