Sturmwolkenblau«, sagt Søren, der Elch, zu Ziegenbart, dem begnadeten Kutscher des Fliegenden Rentierschlittens. »Schneien wird’s kaum.«
»Bestenfalls Schneeregen zur Bescherung.«
Ziegenbart schaudert.
»Ach nee, was hat Rumpelquietsch nun wieder angestellt?«
Eine Polarkoboldin wankt um den Rentierstall, macht »Grpph!«, und stürzt Søren schlafend vor die Hufe.
»Wehe, das war das Marzipan, und dass sie mir nicht wieder den ganzen Glitzer vom Geschenkpapier gegnibbelt hat.«
»Nee, die riecht nach diesem widerlichen Eistee, den der Weihnachtsmann jüngst angeschleppt hat.«
»Und sechsundvierzig Packungen Aachener Printen! Irgendwann platzt sie!«
»Dafür kommt sie heute nicht mit.«
»Strafe muss sein«, bestätigt der Elch, ein Prinzip, über das er sich stets ohne großes Kopfzerbrechen hinwegsetzt.
Gleich beginnt sie, die schönste Nacht, die, in der die Weihnachtsgeschichten geschrieben werden und der Menschen Sehnsucht über Kuchenbleche weht. In der Nacht des 23. Dezember können die Rentiere endlich wieder fliegen. Für gewöhnlich trainiert Ziegenbart dann die Jungtiere und schaut von oben auf die erwartungsvolle Welt. Die Heilige Nacht ist die eigentliche Daseinsberechtigung der Crew, aber das Bescheren ist rechte Fließbandarbeit und lässt wenig Zeit für Wunder.
Der Wichtel schirrt die hampeligen Tiere geduldig ein und Rumpelquietsch erwacht aus ihrer Fressstarre: »Mitkommen!«
»Nein!« Ziegenbart versucht, streng zu klingen.
»Maaann«, kreischt die grün anlaufende Polarkoboldin. »Maaann … heult in die Aaatsche.«
»In was heult ein Mann?«, fragt Ziegenbart. »In Asche? Oder meinst du einen Aschenbecher?«
»In seine Aktentasche?«, schlägt Søren vor.
Es ist nicht rauszukriegen. Grün wird zu Lila. »Keine Hoffnung … brauch Kekse … brauch Ziiiiiegenbart.«
Søren nickt, niemand kann mehr Hoffnung schenken als der sanftäugige Ziegenbart. Und niemand außer Rumpelquietsch kann Tränen auf Tausende von Kilometern riechen.
»Als ob wir noch Kekse hätten«, brummt Ziegenbart. »Komm halt, aber fall nicht vom Schlitten.«
Søren sieht ihnen liebevoll nach. Ein Weinender wird ein Weihnachtswunder erleben.
Autor*in: Natalie Blog: Fundevogelnest
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir
Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.
Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:
Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck
Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.