Es nach oben abgeben.
Im Rhythmus der Schwünge des Nudelholzes vermischt sich der Satz mit Kerzengeknister, das Nachbarskind verspielt sich hingebungsvoll auf der Blockflöte.
Am warmen Herd ist Roxane nicht aus Silkes Kopf zu bekommen. Gestern hat sie ihr wider alle Vorsätze ein Lebensengelchen gehäkelt, das nun in der Backwärme an einer Schnur über der Arbeitsplatte kreiselt, nix als Adventsgedöns in Roxanes Augen.
Roxanes verkopfte, verbissene Art, die zum Terminator ihrer Freundschaft wurde. Angeschrien haben sie sich: »Nur weil du mit irgendwelchen höheren Mächten kommunizierst, kannst du nicht zum Ballermann fliegen und das Klima ruinieren.«
Erst war Roxane die frömmste aller Maskenträgerinnen gewesen, nun kasteit sie sich fürs Klima. Kein Fitzelchen Lebensenergie mehr.
Es nach oben abgeben.
Im Treppenhaus ist ein schabendes Geräusch, wie Juli, Roxanes Hündin.
Silke nimmt das nächste Blech Zimtkekse aus dem Ofen.
Noch ein Schwung heißer Luft.
Das Englein tanzt unverdrossen.
Das Schaben kommt von der Wohnungstür.
Morgen kommt der Wei-TRÖÖT-mann.
Fix das nächste Blech.
Das Englein hält abrupt im Tanze inne.
Ungewöhnlich für Adventsgedöns.
»Reinlassen!«, quäkt es von draußen.
Das Englein reißt die Schnur entzwei.
»Aufmachen!«
Silkes Herz rast.
Ein rasendes Fellknäuel schießt in die Wohnküche, verschlingt ihren sorgsam ausgerollten Teig, die heißen Zimtplätzchen, das Nudelholz.
»Rumpelquietsch, mäßige dich!« Dem Wesen folgt ein erstaunlich lebendiger Wichtelmann. »Entschuldigen Sie bitte«, sagt der, während er am Schlafittchen des irren Fellknäuels zieht. »Polarkobolde können Weihnachtsgebäck grundsätzlich nicht widerstehen, LASS DAS, DU DUMMES VIEH. – Wir sind vom Weihnachtsmann gekommen, um mit Ihnen das diesjährige Weihnachtswunder zu vervollkommnen.«
Silke zittert, so ein Wunder hat sie nicht bestellt.
Das frei fliegende Häkelenglein schmiegt sich tröstlich an ihre Schulter.
Morgen kommt der Weihnachtsmann. Richtig diesmal.
Rumpelquietsch hält ihr treuherzig den letzten Keks hin.
Ihr Smartphone klingelt, der Wichtel reicht es ihr.
Juli guckt mit gespitzten Ohren aus dem Display.
Autor*in: Natalie Blog: Fundevogelnest
Ich bin glücklich, dass Natalie die Zeit gefunden hat, gleich zwei Adventüden beizusteuern, die zusammengehören und nacheinander gelesen werden sollten. Wer die erste verpasst hat, lese bitte hier.
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir
Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.
Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:
Adventsgedöns, Ballermann, Blockflöte, Budenzauber, Geisterstunde, Kerzengeknister, Kirchgang, Kokolores, Morgennebel, Nudelholz, Schale, Silber, Terminator, Winterschlaf, Wunschzettel.
Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2023, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.