Vom Meer sehen

Woher?

Woher?
Vom Meer.
Wohin?
Zum Sinn.
Wozu?
Zur Ruh.
Warum?
Bin stumm.

Klabund, Woher?, aus: Das heiße Herz. Berlin 1922, Online-Quelle)

Dein Haar hat Lieder, die ich liebe

Dein Haar hat Lieder, die ich liebe,
und sanfte Abende am Meer –
O glückte mir die Welt! O bliebe
mein Tag nicht stets unselig leer!

So kann ich nichts, als matt verlegen
vertrösten oder wehe tun,
und von den wundersamsten Wegen
bleibt mir der Staub nur auf den Schuhn.

Und meine Träume sind wie Diebe,
und meine Freuden frieren sehr –
dein Haar hat Lieder, die ich liebe,
und sanfte Abende am Meer.

(Max Herrmann-Neiße, Dein Haar hat Lieder, die ich liebe, aus: Verbannung, 1919, Online-Quelle)

Aus tausend Quellen quillt die Nacht

Aus tausend Quellen quillt die Nacht
Und übernimmt den Himmel unsrer Träume.
Da ist ein Licht noch – dort noch Bäume,
Dann nichts mehr. Sintflut. Nur noch Nacht.

Aus Ozeanen ohne Licht erheben sich Gedanken,
Wie Meerestiere schwimmen unsre Träume
Mit schweren Flossen durch die Finsternis der Räume
Und kreisen um die Hoffnungsschiffe, die versanken.

(Guido Zernatto, Aus tausend Quellen quillt die Nacht, aus: Gedichte, 1950, Online-Quelle)



Quelle: ich meiner selbst, aber so was was von

Samstag: Mittags, gleißende Sonne, kühler (!) Wind. Der dünne, blaue Strich auf dem ersten Bild, der Himmel und Sand trennt, ist das Wasser, es ist nämlich Ebbe, getreu dem alten Motto, dass an der Nordsee das Wasser weg ist, wenn man hinkommt. Der Sand ist bretthart und mit Muscheln durchbacken und überhaupt nicht strandromantisch. Wenn später die Flut kommt, wird hier für ein paar Stunden alles unter Wasser stehen. Ich kämpfe mich vorwärts Richtung Wasser, lehne mich gegen den Wind (»… auf nichts war Verlass, nur auf Wunder«, ach, Paula, unvergessen), der Sand knirscht zwischen meinen Zähnen und ich verfluche jeden Schritt.
Auf dem Vorland habe ich Lerchen gehört, und mein Herz stieg mit ihnen auf. Es ist, mit einem Wort, unvergleichlich, und ich jubiliere innerlich die ganze verdammte Zeit.

Wer sich jetzt fragt, ob ich noch ganz dicht bin: danke, nö ;-). Ich bin mit einer Freundin in einer Heute-oder-nie-Aktion für einen Tag an die Nordsee gefahren. Ein Sehnsuchtstrip. Mein Knöchel, der am Abend wirklich nicht besonders gesund aussah, ist auch schon fast wieder abgeschwollen. Und ich bin froh, dass später, als die Flut da war und wir woanders in die Abendsonne geblinzelt haben, ich nicht selbst nach Hause fahren musste.

Ja, das ist der Leuchtturm Westerhever. Beide Fotos sind innerhalb derselben Minute entstanden, ich musste mich nur umdrehen.


Wenn man allein ist ist es ganz oft schwer den Lauf der Welt zu drehn
Dann braucht es einen der dir sagt: lass uns noch ein bisschen gehn
Denn von hier und hier von genau da wo wir stehn
Kann man fast schon das Meer sehn.

(Malediva, Fast schon das Meer sehen)

Wer den Song noch nicht kennt … ❤ … möge bitte HIER KLICKEN (Link zu YouTube).


Kommt wie immer alle gut und unbeschadet und heiter in und durch die neue Woche!

 

47 Kommentare zu “Vom Meer sehen

  1. Hach…hach…🙏🙏🙏🙏♥️
    Die Gedichte sind einfach sooooo…. berührend, bewegend, wundervoll. Und dein Text….. hach…. danke dir liebe Christiane – einfach schön!!!! Und ich bin zutiefst beruhigt, dass zumindest auf Wunder Verlass ist!
    Morgengrüße noch ohne Kaffee, dafür irgendwo auch mit Meer😊🌞🙏

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    • Alles Lieblingsgedichte, ich war zu faul zum Stöbern. Der Satz mit dem Wunder stammt aus einem Gedicht von Mascha Kaléko, ich trage ihn nebst Erinnerungen wie ein Mantra mit mir herum.
      Danke dir 🧡😁
      Morgenkaffeegrüße mit Kaffee und schmollendem Fellträger 😎🌞🌿🌼☕🍪

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      • Durfte der Fellträger nicht mit oder warum schmollt er ? 😉
        Kaléko ist einfach immer wieder wunderbar – das Gedicht dazu ist mir gerade nicht präsent – da google ich mal.
        Wunderbare Lieblingsgedichte.
        Jetzt mit Kaffee und Grüße 🙂

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        • Der Fellträger war mehr als 12 Stunden eingesperrt, das findet er immer doof. Wäre er draußen gewesen und damit ohne Futter und Rückzugsort, hätte er es noch viel doofer gefunden 😉 Nein, momentan wandert er ständig rein oder raus und murrt grämlich. Sollte der Sommer sein, Hunger ist es nicht. 🦁
          Das Gedicht (auch ein Lieblingsgedicht) heißt „Die frühen Jahre“ und steht hier: https://www.maschakaleko.com/die-fruehen-jahre
          Das ist die Seite der Rechteinhaberin an Kalékos Nachlass, die darf das also, ansonsten fällt Kaléko unter das Urheberrecht …
          Hör dir auch die Musik an, es ist ein wunderbarer Ohrwurm 😁

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  2. Schön – dein Post war ein kleiner Urlaub. Frische Meeresluft! Überlaste den Knöchel nicht und komme auch gut in die Woche, aber mit Lerchengesang im Rücken ist es doch ein Leichtes, hier Schwatzen die Spatzen und die Tauben gurren von allen Dächern und Straßenecken. Auch nicht schlecht 🙂 Viele Grüße!

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    • Spatzen sind großartig und gefährdet (ihr Lebensraum), auch wenn man es nicht glaubt, wenn man an einer tschilpenden Hecke vorbeigeht 😁
      Doch, den Knöchel habe ich überlastet, aber/und er hat sich so verhalten wie erwartet. Das Problem mit dem Nerv besteht nach wie vor, und ich bin mit der ganzen Sache völlig fein 😁
      Lerchengesang ist so ein Kindheitsding für mich – ach, es ist toll.
      Morgenkaffeegrüße 🌞🌿🌼☕🍪

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  3. Dein Haar hat Lieder, die ich liebe… seuuuufz… so schön… die anderen zwei sind auch nett, aber sie verlieren in meinen Augen leider völlig gegen das hier. 😁
    Und ich mag die Ebbe ja, aber wenn der Wind so pfeift und den Sand über die Ebbe zischen lässt, ist das wie ein ungewolltes Peeling an den Beinen, aua. Trotzdem ist es schön. 😊
    Montagsmittagsgrüße!

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  4. Liebe Christiane, ich feiere den Tag mit Dir! Deinen Ausflugstag. Den kann Dir keiner mehr nehmen. Welch ein Glück, so viel erlebt, so viel gesehen, so viel gespürt und wenns der Sand ist. Ein Glück war der Strand so hart, sonst wäre es ja noch schwerer mit dem Gehen gewesen, oder täusch ich mich. Du hast Dein Erlebnis so wunderbar erzählt, ich war mit dabei. Die Bilder sind wunderbar. Ich kenne noch nicht so weit wegrückendes Wasser und knallharten Strand… Sehr interessant. Weiterhin gute Genesung!!!
    LG Doro

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    • Ja, es wäre anders anstrengend mit dem Gehen gewesen, wenn der Sand locker gewesen wäre, ohne Zweifel. Aber eigentlich ist es egal: Es war ein komplexes Erlebnis 🧡, ich bin sehr glücklich.
      Und ja, ich finde, Gezeiten muss man erlebt haben.
      Danke dir für die guten Wünsche, liebe Doro.
      Herzliche Nachmittagskaffeegrüße 🌞🌿🌼☕🍪

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  5. Das war wohl ein absolut befriedigender Tag ! Es freut mich sehr für dich, dass du wieder nähere Beziehungen zum Meer aufgenommen hast. Dein erstes Foto, dieses wunderbare minimalistische, ist für mich ein Symbolbild für starke Gezeiten und die Kraft des Meers.
    Wenn du deinem Knöchel näherbringen kannst, wie notwendig das tiefe Einatmen und der Blick ins Weite war, wird er das schon einsehen und wieder abschwellen 😉

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    • Ja, wird er. Aber vorher tut das Laufen/Gehen weh (nicht speziell die Bruchstellen), und zwar in beiden Beinen (hoch lebe die Überlastung) und das geht sehr auf die gute Laune.
      Es war soooooo toll. Blick ins Weite, schön symbolisch gesagt, ich habe ihm erklärt, dass ich im Sommer eigentlich was anderes vorhatte und es ungern aufgeben würde. Mal sehen.
      Herzliche Abendgrüße 🌅🌼🍷🍪

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  6. Ganz wundervolle Gedichte hast Du ausgesucht, liebe Christiane!
    Dieser Vers gefällt mir ganz besonders:

    *Und meine Träume sind wie Diebe,
    und meine Freuden frieren sehr –
    dein Haar hat Lieder, die ich liebe,
    und sanfte Abende am Meer.*

    Ich mag kein gutes oder noch besseres herausdeuten. Alle drei sind sie ganz wundervoll.

    Daß Du Dich zu einem Ausflug durchringen konntest (ja, ich weiß, es war kein Durchringen, es war die pure Notwenigkeit)
    Malediva kannte ich gar nicht, aber ihre Worte sind richtig gut!
    Der Knöchel ist wieder abgeschwollen, las ich, DAS ist ganz prima und ein bissel massieren, bzw. streicheln, wird nicht schaden… Er wird es mögen, der lädierte Knöchel.

    Liebe Grüße, nun schon zum Dienstag, von Bruni an Dich

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    • Genau, liebe Bruni, der Ausflug war sozusagen überlebenswichtig für mein Wohlergehen, das sich seit 3 Monaten nur noch um meinen Knöchel dreht, der logischerweise alles dominiert. Und ja, er hat die Überlastung gut weggesteckt und sich als kooperativ erwiesen. Und wenn der Nerv jetzt auch noch mitspielt, sollte ich bald wieder Wanderberichte verfassen können … 😉
      Das Problem, um es noch einmal ganz klar zu sagen, ist meiner Meinung nach der Nerv und die damit verbundene Schwellung / das Missempfinden, gar nicht mehr die Bruchstellen, letztere kann ich nach Samstag ziemlich ausschließen, denke ich. Aber ich halte Rücksprache mit dem Physiotherapeuten, dessen Meinung ich sehr schätze.
      Freut mich, dass du das Gedicht so magst, mir geht es nicht anders 🧡
      Herzliche Mittagskaffeegrüße 🌞🌳🌼☕🍪

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