Von Sonne und Glück

 

Glück

Nun sind vor meines Glückes Stimme
alle Sehnsuchtsvögel weggeflogen.
Ich schaue still den Wolken zu,
die über meinem Fenster in die Bläue jagen –
Sie locken nicht mehr,
mich zu fernen Küsten fortzutragen,
Wie einst, da Sterne, Wind und Sonne
wehrlos mich ins Weite zogen.
In deine Liebe bin ich
wie in einen Mantel eingeschlagen.
Ich fühle deines Herzens Schlag,
der über meinem Herzen zuckt.
Ich steige selig
in die Kammer meines Glückes nieder,
Ganz tief in mir, so wie ein Vogel,
der ins flaumige Gefieder
Zu sommerdunklem Traum
das Köpfchen niederduckt.

(Ernst Stadler, Glück, aus: Der Aufbruch, 1914. Stadler (Wikipedia) fiel bereits 1914 im Ersten Weltkrieg. Online-Quelle)

 

[Ueber die Welt hin ziehen die Wolken]

Ueber die Welt hin ziehen die Wolken.
Grün durch die Wälder
fliesst ihr Licht.
Herz, vergiss!
In stiller Sonne
webt linderndster Zauber,
unter wehenden Blumen blüht tausend Trost.
Vergiss! Vergiss!
Aus fernem Grund pfeift, horch, ein Vogel. . . .
Er singt sein Lied.
Das Lied vom Glück!
Vom Glück.

(Arno Holz, Ueber die Welt hin ziehen die Wolken, aus: Phantasus, I. Heft, Berlin, 1898, Online-Quelle)

 

Lieben

I

Und wie mag die Liebe dir kommen sein?
Kam sie wie ein Sonnen-, ein Blütenschein,
kam sie wie ein Beten? – Erzähle:

Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los
und hing mit gefalteten Schwingen groß
an meiner blühenden Seele …

II

Das war der Tag der weißen Chrysanthemen, –
mir bangte fast vor seiner schweren Pracht…
Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmen
tief in der Nacht.

Mir war so bang, und du kamst lieb und leise, –
ich hatte grad im Traum an dich gedacht.
Du kamst, und leis wie eine Märchenweise
erklang die Nacht …

(Rainer Maria Rilke, Lieben I/II, aus: Traumgekrönt, 1896, Online-Quelle)

 

 

Quelle: Pixabay

 

Und eine weitere gut gelaunte Ausgabe der Montagsgedichte! Gerade noch rechtzeitig fiel mir auf, dass diese Woche ja Sommeranfang ist! Sommersonnenwende … 😉 Und meine Sehnsucht nach Sonne und Meer steigt mit jedem Tag.

Daher hier schnell noch mal ein Sehnsuchtslied: Malediva – Fast schon das Meer sehen

 

In meinem Offline-Leben ist zurzeit eine Menge los, daher mache ich gerade etwas seltener bzw. verspätet meine Runde durch die Blogs, seht es mir bitte nach. Ich bin nicht weg, es kann nur ein bisschen dauern, bis von mir was kommt.