Zehn Antworten zu Bücherfragen

Ich war immer eine Leseratte, aber viel von dem, was ich las/lese, wird entweder in den feinen „offiziellen“ Literatursendungen/Printmedien und auf den zugehörigen Blogs nicht besprochen, oder ich bekomme es schlicht nicht mit, weil das Buch schon ein paar Jahre alt ist und ich schon damals gerade verhindert war; durch das Lesen von etwas anderem oder, heutzutage eher, weil ich vor dem Rechner hänge. Als also Birgit auf SätzeundSchätze zur Beantwortung von „Zehn Fragen zu Büchern“ aufrief, war ich doch leicht skeptisch, ob es „meine“ Fragen wären und ich die passende Zielgruppe.

 

1/ Das erste Buch, das Du bewusst gelesen hast?
Keine Ahnung. Ich komm mit den Erinnerungen durcheinander. Aber woran ich mich erinnere … „Was macht das Kind da?“ „Opa, das Kind liest das Buch, das du ihr geschenkt hast.“ Ich war maximal sechs oder sieben, das Buch hieß Die großen Abenteuer des kleinen Ferdinand (Autor: Ondrej Sekora), wir (Kernfamilie West) machten Ferien bei den Großeltern in der damaligen DDR. Mich langweilte das Erwachsenengeschwätz, also führte ich mein neuestes Geschenk seiner Bestimmung zu. Ferdinand ist übrigens eine Ameise, das Buch war definitiv kein Bilderbuch und für meinen Geschmack schon viel zu dünn. (Comics, übrigens, waren zwar toll, hatten aber zu wenig Buchstaben.) Ich konnte längst lesen, als ich in die Schule kam, mochte die Aufmerksamkeit aber nicht, die ich damit auf mich zog und las, wann immer ich konnte.

2/  Das Buch, das Deine Jugend begleitete?
Unmöglich zu beantworten, es gab so viele! Nachdem ich unsere Regale durch hatte (Mutter: Büchergilde/Bertelsmann, Vater: Literatur, Gedichte, Sachbücher und Krimis, alles handverlesen), verfiel ich der Schulbücherei und der des nächstgrößeren Kaffs. Von Märchen, Reisebüchern, Bildbänden, Mädchenbüchern und allem Schund, den ich erwischen konnte (Birgit, ich kenne von deinen „verschämten Lektüren“ wirklich viele) bis hin zu Erwachsenen-Belletristik und Hochliterarischem: nichts war vor mir sicher, und das war gut so. Und, erschwerend, ich las echt schnell. Und vergaß auch wieder. Später aber erst. 😉

3/ Das Buch, das Dich zur Leserin/zum Leser machte?
Alle und immer wieder neu. Gibt es was Tolleres, als sich mit einem Buch zu absentieren? (Damals nicht.) Meine Eltern hielten mich eigentlich für zu jung (ich war ganz sicher jünger als 10), aber sie erlaubten mir, von meinem Taschengeld dem Sohn der Nachbarn dessen (vielbändige) Karl-May-Jubiläumsausgabe abzukaufen. Und so machte ich alsbald die Bekanntschaft von Winnetou, Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah.
Ich glaube, das war das erste Mal, dass ich förmlich in Buchstaben ersoff, und ich fand es herrlich.

4/ Das Buch, das Du am häufigsten gelesen hast?
Unmöglich zu beantworten. Zu unterschiedlichen Phasen meines Lebens sehr unterschiedliche Bücher, aber wie oft ich was gelesen habe, habe ich nie gezählt.

5/ Das Buch, das Dir am wichtigsten ist?
Gegenfrage: Gibt es das, dass man nur eins hat, wenn man Bücher liebt? Könnte ich nicht mal sagen, wenn ich meine Bücher in Kategorien fassen würde. Was ich zum Beispiel bestimmt sehr schnell nachkaufen würde, wenn sie ihren Geist aufgäbe, wäre Tolkiens „Herr der Ringe“. Natürlich die alte grüne Ausgabe im Schuber in der alten Übersetzung, wie es sich gehört.

6/ Das Buch, vor dem Du einen riesigen Respekt bzw. Bammel hast?
Ulysses. Der Mann ohne Eigenschaften. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Und Kafka, dem ich mich gerade über eine hervorragende Biographie (Reiner Stach) annähere.

7/ Das Buch, das Deiner Meinung nach am meisten überschätzt wird?
Eigentlich keine Frage, die mich kümmert, weil bei mir derartige Kategorien nicht greifen. Aber den Hype um „Feuchtgebiete“ (Leseprobe gelesen), „Fifty Shades of Grey“ (nicht gelesen) und die Biss-Romane habe ich nicht verstanden, wobei ich bei den Biss-Romanen erst im zweiten gescheitert bin.

8/ Das Buch, das Du unbedingt noch lesen willst – wenn da einmal Zeit wäre.
Siehe Frage 6. Und den Zauberberg würde ich dann auch noch fertig lesen, wenn ich schon dabei bin.

9/ Das Buch, das Dir am meisten Angst macht?
Alles, was radikalisiert, indem es eine „Wahrheit“ propagiert und zur Durchsetzung jener aufruft. Insofern machen mir nicht Bücher Angst, sondern deren Autoren bzw. Leser. Dazu gehören religiöse Dogmen ebenso wie politische.
Und oh, ich lese keinen Horror, andere erzählen da was von „kathartischen Funktionen“, ich kann danach schlicht nicht schlafen. Will ich das? Nein.

10/ Das Buch, das Du gern selbst geschrieben hättest?
Erstaunlicherweise habe ich darauf eine Antwort. Tolkiens „Herr der Ringe“. Tolkien gehörte zu den großen Leseerlebnissen meiner Jugend, er zeigte mir, was geht, und legte für das Fantasy-Genre die Messlatte hoch (was nötig ist). Ich bewundere das sprachliche Wissen und die Schöpferfähigkeit (dafür ist mir „Kreativität“ viel zu abgelutscht), den inneren Kosmos dieses Mannes.

 

Bibliothek – 365tageasatzadayQuelle: Pixabay

 

40 Kommentare zu “Zehn Antworten zu Bücherfragen

  1. Deine Antworten lassen den Tag im lesenden beginnen und wie ich finde sehr einblickend. Lesend wie an einer Halteschnur entlang im Leben.
    Mit einem Buch zu absentieren. Sehr schön.

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  2. Freudig lese ich ähnliches, wie ich es kenne/kannte, muß aber gestehen, daß mir der kleine Ferdinand fremd ist, dafür die Karl-Mey-Bände ganz und gar nicht.
    Mit den Comics ging es mir ganz genau so, aber die Reihe Illustrierte Klassiker aus den 60er Jahren fand ich interessant u. las da auch Wolfsblut von Jack London. Ich hatte es ausgeliehen von einem kleinen Jungen, der zwei Jahre jünger war als ich u. Kläuschen genannt wurde u. ich frage mich gerade, ob das immer noch so ist *lach*

    Die Büchereien bin ich auch durchmarschiert, in der gleichen Reihenfolge wie Du, liebe Christiane u. beim sogenannten Schund verweilte ich länger als nötig:-)

    Der Bücherschrank der Eltern, oh ja, da gab es Schätze, aber leider keinen einzigen Dichter, keinerlei Lyrik. Vielleicht war es die falsche Zeit, ich weiß es nicht.

    Welches Buch ich mir immer wieder kaufen würde, um es immer um mich zu haben, kann ich nicht sagen. Da gibt es einfach zu viele, die mir am Herzen liegen.

    Horror- oder Erotikkitsch lese ich grundsätzlich nicht.
    Ersteres, weil ich mich dann auch fürchte und grusele und das zweite, weil ich es nur eklig und unerfreulich finde, wie das, was liebevoll in Literatur eingebunden sein sollte, wenn gedruckt, hier in für mich sehr falscher Weise beschrieben ist.

    Quer durch den Garten ist mein Kommi, ich weiß, kunterbunt kommen die Gedanken, denn sie sind nun freudigvergnügt im Morgen herumgehüpft *lach*

    Hezrliche Grüße von Bruni

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    • *hihi* Liebe Bruni, rückblickend bin ich froh über meine Lesemöglichkeiten, und auch, dass meine Eltern ihr Leserattenkind immer darin unterstützt haben, wenn ich allerdings auch zugeben muss, den Satz „Das steht nachher auch noch drin“ öfter als einmal gehört zu haben, wenn sie mich rief, weil ich ihr irgendwas helfen sollte …
      Dadurch, dass ich Verwandte in der damaligen DDR hatte (die auch lasen), kam ich an DDR-Bücher und DDR-Ausgaben, viele Klassiker waren dabei. Eine andere Zeit …
      Und mein Vater und Gedichte, ach, das wäre eigentlich ein Thema für einen eigenen Beitrag. 🙂
      Liebe Grüße aus dem ziemlich trüben Hamburg
      Christiane

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  3. ich wurde immer gelassen – in meinen fernen Welten…
    Das akzeptierten alle, die da waren. Ich hatte oft den Eindruck, daß mich keiner vermisst 🙂
    Sie merkten gar nicht, WAS ich las…
    Sachen aus der DDR kannte ich gar nicht. Das kam viel später.
    Da war ich lange erwachsen. Da habe ich große Lücken.

    Aber die waren schön, die Leseanfänge, liebe Christiane.
    Für mich bedeuteten sie Leben, anders kannte ich es nicht.

    LG von mir

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  4. Wie lustig, liebe Christiane,
    wir hatten eine Blogleseüberschneidung: Ich durchschmökerte gerade Deine Lesebiographie und Du lasest meine Buchbesprechung.
    Die zehn Fragen zu Büchern werde ich mir mal erst im stillen Kämmerlein bedenken …
    Nur die 3.Frage kann ich sogleich mit der PÜNKELCHEN-Kinderbuchreihe von Dick Laan beantworten. Ich habe auch etwas darüber geschrieben: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2014/09/25/punkelchens-abenteuer/
    Ich fand es jedenfalls interessant und spannend, Deine Bücherentblätterung zu lesen.
    In Punkt 7 stimmen wir total überein, ich fand auch erst den zweiten Band des Biss-Reihe unerträglich, und ich bin eigenwillig hype-immun.

    Regentropfige Grüße von Ulrike

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  5. Mein erstes Leseerlebnis, so wurde mir von meiner Mama erzählt, war eine Postkarte von meinem Vati aus dem Krieg an mich mit einer Hummelfigur darauf und ich saß auf der Treppe, hielt die Karte verkehrt herum und sagte stolz: Tain tut nesen!

    und das tut sie bis heute, nur hält sie die Bücher richtig rum-:)).
    Für mich ist die Beantwortung dieses Fragenkataloges schwer, weil ich zu viel ausgrenzen , anderem zu viel Bedeutung beimessen müsste.
    Ich finde Deine Erinnerungen bewundernswert.
    Es gibt ein Buch aus meiner Kindheit: Friedel Starmatz von Heinze-Hofrichter, das Schicksal eines Flüchtlingskindes, das mich als Kind geprägt hat, gerade weil mir dieses Schicksal erspart blieb.
    Als ich lesen lernte, habe ich das Alte Testament verschlungen, denn auch bei uns gab es kaum Bücher und ich habe viel von dem Sex und Crime dort nicht verstanden -:)))
    Ich stehe auch zu den verschämten Lektüren, Readers Digest, Bertelsmann, usw. es war erschwingliche Lektüre für den damaligen Geldbeutel und wenn man nicht in einem großbürgerlichen Haushalt groß geworden ist, in dem Bücher selbstverständlich waren, haben diese Organisationen durch ihre Angebote zumindest die Lust auf mehr und später Anspruchsvolleres geweckt.

    Liebe immer noch lesehungrige Grüße in den Norden, nächste Woche werden wir anläßlich der Buchmesse hier von Bücherbergen erschlagen und doch stürze ich mich jedes Jahr gern in den Trubel.

    Karin

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    • *grins*
      Liebe Karin,
      von mir gibt es auch ein Foto, auf dem ich eine Zeitung falsch herum halte (glaube ich), ich, weil ich lesen wollte wie der Papa ;-). Hach, schöne Erinnerungen.
      Rückblickend kann ich sagen, dass ich Glück hatte, inmitten von Büchern aufzuwachsen, dass es nicht selbstverständlich war, wusste ich ebenfalls schon früh durch Besuche bei Nachbarn, deren Bücherregal sich öfter auf die großen Drei (Bibel, Kochbuch, Medizinratgeber) beschränkte … na gut, vielleicht bisschen mehr (Kreuzworträtsellexikon, lach nicht), aber nicht viel.
      Ungefähr seit 20 Jahren war ich nicht mehr auf der Buchmesse, schätze ich, ich fand sie damals schon begeisternd, riesig und erschlagend, es dürfte kaum besser geworden sein. 🙂 Viel Spaß dir auf jeden Fall!
      Liebe Grüße
      Christiane

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  6. Lesen-Wollen lässt sich zum Glück nicht unterdrücken. Während mein Vater selber mal ein Buch schreiben wollte und auch viel gelesen hat, als er nicht mehr arbeiten musste, hat meine Mutter immer mit mir gemeckert, wenn sie mich lesen sah: „Hast du nichts Besseres zu tun?“ – Ist das nicht unglaublich. Das hat mich aber letztlich nicht davon abgehalten.
    Ich habe dann auch noch mal meine Kinder- und Jugend-Lesegewohnheiten Revue passieren lassen, aber die Fragen kann ich trotzdem nicht beantworten, weil ich vieles nicht mehr weiß und weil es nie EIN Buch war.
    LG, Ingrid

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    • Ja, Mütter *grins*, die woll(t)en immer, dass speziell Mädchen hausfraulich tätig werden … okay, meine war so. Ich verstehs ja, nur damals war das schon bisschen … doof. 😉
      Ich hatte auch Schwierigkeiten mit den Fragen, ich glaube, mir ging es ähnlich wie dir, siehste ja.
      Liebe Grüße
      Christiane

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  7. Liebe Christiane,

    Kafka nötigt einem wirklich viel Respekt ab, der „Mann ohne Eigenschaften“ auch – umso mehr, wenn man verfolgt, was sich da für Strömungen in der Folge gebildet haben, die bis heute noch lebendig sind und die Musil schon ein wenig vorweggenommen hat. Leider habe ich es nie bis zum Ende geschafft. Ich glaube, ich werde der Sache noch einmal eine Chance geben.
    Ich wünsche dir einen wunderbaren Sonntag!

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    • Ich fange erst mal mit Kafka an, das reicht mir mit meinen Ambitionen völlig. Kleine Schritte und so 🙂
      Danke dir, dir auch einen sonnigen Sonntag!
      Liebe Grüße
      Christiane

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  8. Mein erstes Buch, dass ich bewusst gelesen habe war meine Fibel in der 1. Klasse. Ich habe die interessanten Buchstaben entdeckt. Mit den begleitenden Bildern war deren Bedeutung leicht herauszufinden. Nur als ich stolz meiner Mutter zeigen wollte was ich schon kann, hab ich als Lügenmaul nur Maulschellen bekommen. Denn meine Mutter ging davon aus, dass wir in der Klasse schon viel weiter waren, nämlich da wo ich ihr vorlas und nicht da wo ich die Hausaufgaben ansetzte.

    Zur Leseratte bin geworden, als ich mit 9 krank im Bett lag und meine Oma mir „Prinz Eisenherz“ mitbringen sollte. Stattdessen brachte sie mir einen „Utopia“- und einen „Terra“- Heftroman mit. Das erste Heft hieß „Atombrand am Südpol“. Ich brauchte ungefähr einen Tag um ihn durchzulesen. Seit dem bekam ich jede Woche ein oder zwei Heftchen. Natürlich wollte ich auch wissen ob die mit den astronomischen und physikalischen Angaben spinnen, also suchte ich mir in der öffentlichen Bücherhalle entsprechende Literatur.
    Dummerweise braucht man um solche Bücher zu verstehen auch Mathematik. Ich habe mich auf das drei bändige „Praktische und angewandte Mathematik“ von Tönnies eingeschossen. Damit war ich in der 6. Klasse fit in Differential- und Integralrechnung. Und die drei Bände stehen auch heute noch in meinem Bücherregal. – Nur leider brachte mir mein Hobby Ärger mit meinem Vater ein. Ich sollte lieber was machen, das meinen geringen Fähigkeiten eher entspricht, wie Auto reparieren, oder Reparaturen in der Wohnung, …

    Ich habe bis heute kein Buch gefunden das mir Respekt einflößte oder gar Angst machte. Die einzigen Bücher die ich aufgegeben habe zu Ende zu lesen waren Gurdjieff und Tolkien. Das erste habe ich nicht verstanden und das zweite war mir zu langatmig.

    LG Wigand

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    • Lieber Wigand,
      solche Reaktionen von Eltern machen mich nach wie vor komplett sprachlos. Was für ein Glück, dass du es geschafft hast, dich nicht von Lesen und Lernen abbringen zu lassen …!
      Gurdjieff habe ich noch nie zu lesen versucht, soweit ich mich erinnere, und meine Meinung zu Tolkien ist ja bekannt, obwohl ich immer wieder höre, dass Leute ihn zu langatmig finden. Danke!
      Liebe Grüße und dir einen schönen Sonntag!
      Christiane

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