Alles im Fluss | abc.etüden

Herbert konnte es nicht mehr hören, das Gesasel vom Fluss des Lebens und dem Streben nach der Harmonie aller Dinge. Vielleicht hatte seine innere Maschine einfach zu früh Rost angesetzt? Sein langjähriges Eheweib Renate hatte dazu nur spitz bemerkt, dass er schon immer ein fetter, dumpfer Steinklotz gewesen sei, an dem sich Wasser und Meinungen teilen würden.

Zu beider Überraschung hatte ihn, den Ruhigen, Kontrollierten, das übergangslos ausflippen lassen. Nun lag sie vor ihm im Mondlicht des Gartens neben dem Teich, ihre Haut schimmerte milchweiß und unter ihrem Kopf breitete sich eine große tiefrote Lache aus. Er hielt den Stein, den er ihr in die Fresse gedroschen hatte, noch in der Hand. Ich geb dir gleich Stein!
Nie wieder würden aus diesem Mund hämische Worte hervorsprudeln. Er empfand keine Reue, wohl aber einen merkwürdigen, wattigen Frieden. Ihm war, als würde er schweben, als er zur Pforte ging und den Notarzt und die Polizei hereinließ.

 

abc.etueden schreibeinladung 13.17 2 | lzVisuals mit freundlicher Genehmigung von ludwigzeidler

 

Für die abc.etüden des Herrn lz, Woche 13/ 17: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von dergl (Fädenrisse) und lauten: Rost, milchweiß und Fluss.

Wer sich fragt, was denn bitte „Gesasel“ ist: Ich habe keine Ahnung, wo das Wort herstammt, ich habe es immer für eine coole Mischung aus „Gefasel“ und „Gesäusel“ gehalten. Da ich aber per Suchmaschine feststellen durfte, dass sowohl Schopenhauer als auch Kierkegaard das Wort benutzt haben, rücke ich davon ab, dass es eine Neuschöpfung ist. Wer es besser weiß, möge mich korrigieren, ich würde mich freuen. Sagt mir doch vielleicht erst mal, ob ihr das Wort überhaupt KENNT.

Jutta Reichelt rät zwar dazu, die Figur(en) in Schwierigkeiten zu bringen, ob sie aber damit gemeint hat, dass man sie (oder andere) gleich umbringen muss, wage ich zu bezweifeln. Ich weiß nicht, ich habe gerade einen Hang dazu, dass irgendwer geplant oder ungeplant stirbt, da müsst ihr wohl jetzt durch. Und nein, „Kill your Darlings“ ist das nicht, und ja, es geht mir gut und dem Fellträger auch.

Schönen Sonntag allerseits!  😀

 

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55 Kommentare zu “Alles im Fluss | abc.etüden

  1. Hallo liebe Christiane, Gesasel ist mir neu, Gehas(s)el sagt man hier oft, hat jedoch eine andere Bedeutung als dein Wort, eher etwas im Sinne von „kompliziert, chaotisch, nervig“.
    Kaffee? 😉 Liebe Grüße, Annette

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    • Immer Kaffee, heute ist ein guter Tag für Kaffee, den nehm ich gleich mit raus! *gähn*
      Ich bin ziemlich sicher, dass „Gehassel“ was anderes ist. Das hab ich auch schon mal gehört …
      Liebe Sonnengrüße
      Christiane

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    • Gesa kenne ich auch als Vornamen. Ich finde die Theorie hochinteressant, frage mich dann aber ob a) ein Zusammenhang zwischen Gesa und Gesasel besteht, b) wie aus Gesäusel Gesasel wurde und c) woher Schopenhauer und Kierkegaard das wussten.
      Liebe Grüße
      Christiane

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  2. Gesasel, ob nun bekannt oder nicht, sollte gleichberechtigt zwischen Laberquark und texttexttext….sowie lore ipsigem Verschwurbeltem stehen, finde ich. Ein wunderbares Wort. Denk ich an Sinuhe, den Ägypter bei: Deine Worte sind Bienengesumm in meinen Ohren. Gesumse ist übrinx mein Lieblingswort für Laberquark, weil ich den wegen des darin enthaltenen Quarks nicht vertrage. Honig und Gesumse schon eher.
    Bei Dir rappelt es ordentlich. Endlich mal eine echte Leiche, mit Blut und so weiter. Prima, kann ich mir Games of Thrones schenken, ist mir zu blutrünstig und zu viele Tatorte auf einmal. Hier ist der Mörder bekannt.
    Fragen türmen sich auf…was geschah mit dem Stein? Der ist jetzt für den Rest seines Steinlebens traumatisiert und kann nie wieder unschuldig einfach nur so in der Gegend herumliegen…
    schwieg der Täter für den Rest seines Lebens oder verfolgte ihn das Gesase seiner spukenden abgeliebten Holden bis zum ersten One Night Stand?
    Egal, alles im Fluss!
    Blutfluss, um genauer zu sein.
    Herzblutig etüdiert,
    Sonntagsgrüße✨

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    • *loslach*
      Ich hatte ja auch in meinen letzten Texten schon diverse Todesfälle …
      Das erinnert mich daran, dass wir in der Schule (lang, lang ist es her) im Religionsunterricht mal ernsthaft die Frage diskutierten, ob ein Stein ein schlechtes Karma dadurch erhielte, dass irgendwer mit ihm den Kopf eines Mönchs einschlägt. (Nicht erfunden! Ich weiß nicht mehr, zu welchem Ergebnis wir kamen, aber allein die Fragestellung öffnete mir Horizonte.)
      Ich glaube, GoT MUSS man zwingend in der Reihenfolge lesen bzw. gucken, sonst steigt man da ziemlich schnell nicht mehr durch. Bei den aktuellen Folgen versuche ich es erst gar nicht mehr.
      Sonnige friedfertige Sonntagsgrüße
      Christiane

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  3. Nicht nur liebe ich den Vorschlag, Figuren in Schwierigkeiten zu bringen, ich behaupte, wenn der Workshop-Tag lang ist, auch gerne: Eine schöne Leiche schadet einer Geschichte nur selten 😉
    Herzliche Grüße und noch einen schönen Restsonntag!

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  4. Gesasel ist mir neu und ich dachte natürlich zuerst an einen Tippfehler 🙂
    Christiane auf Krimitouren- schon wieder ne Tote, diesmal im Garten, so kanns kommen, wenn Eine immer saselt und der andere zu lange stillhält- its life, isn`t it?!
    liebe Grüsse
    Ulli

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  5. In Hamburg gibt es einen Stadtteil Sasel und dort wird eben gesaselt 🤗im Kirkegaardtext lese ich eher Gefasel beim Stöbern bei Guuuggel. Vorspann zum Tatort, der bald beginnt. Schmunzelnder Abendgruss an Dich😊

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    • Ja, ich auch. Inzwischen. Und genaues Nachprüfen förderte selbiges auch beim Schopenhauertext zutage. Das kippt zwar die historische Herkunft, nichtsdestotrotz finde ich das Wort gut 😉
      Dass in Sasel gesaselt wird, lass bloß keinen Saseler hören! 😉
      Viel Spaß beim Tatort!
      Christiane

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  6. Eine Geschichte, wiue sie nicht besser hätte erfunden werden können :-), liebe christiane
    Das Gesasel ist hochinteressant. Es muß ein sehr altes Wort sein, das sich kaum erhalten hat. Kierkegaard hat es benutzt,
    oh ja, Schopenhauer fand ich auf sie Schnelle nicht, aber angeblich ist es in einem Band *Sagen der Vorzeit* von Veit Weber enthalten. Ein Buch, 1790 geschrieben, und als ich blätterte, fand ich kein Gesasel, sondern das Gesausel des Abendwindes *g*

    Die Fee liegt also mit Sinuhe (der so viele Erinnerungen bei mir weckt) nicht schlecht. Worte, wie unaufhörliches Bienensummen, dem man kaum noch zuhört, weil es immer das gleiche ist, Thema, Lautstärke, nichts ändert sich…
    Vielleicht kein Gefasel, sondern nur ein ewiges Gesasel …

    Herzlichst Bruni

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    • Ich glaube inzwischen, Bruni, als ich dem Gesasel mal per Internet auf den Grund gehen wollte, dass Google und ich da zuerst einem Lesefehler aufgesessen sind. In Fraktur (es sind beides alte Bücher, und Google scannt ja bloß) sehen f und s sich sehr ähnlich. Wenn ich die Schrift sehr vergrößere, steht da eindeutig „Gefasel“, ich muss es leider zugeben.
      Aber ich kenne Gesasel aus meinem aktiven Wortschatz, es ist also einfach nur Essig mit der gelehrten, historischen Herleitung …
      Liebe Grüße zum Sonntagabend
      Christiane

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  7. Die Ähnlichkeit der beiden Buchstaben ist mir auch aufgefallen und jetzt hab ich nochmal diese Stellen bei Kierkegaard nachgelesen und siehe da, jetzt sehe ich es auch ganz deutlich, das 1. angebliche s ist wohl tatsächlich ein f …

    also nix mit dem schönen Geheimnis aus alten Zeiten . 🙂

    Liebe Grüße von mir

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  8. Liebe Christiane,

    Danke, dass ich mein Geschichtchen hier noch unterbringen darf. Ich habe keine Ahnung, woher der Plot in meinen Kopf gewandert kam, aber manchmal muss man die Dinge schreiben wie sie einem von der Zunge perlen. Allerdings passt diese nun so ganz und gar nicht in meinen eigentlichen Blog, ich will mir ja keinen verschrecken, auch wenn ich die Geschichte wirklich mag. Hm, mal sehen, was du dazu sagst.

    Liebe Grüße

    Sandra

    —————————————-

    Mut

    Von seinem Plätzchen aus hatte er den perfekten Blick auf die im Sonnenschein glitzernde Aue des Flusses, ohne das man seine Anwesenheit auch nur hätte ahnen können.

    Er sog die von Rosenduft geschwängerte Luft tief in seine Lungen, mit geschlossenen Augen genoss er den kurzen Augenblick der Einsamkeit, die ihm viel zu selten vergönnt war.

    Seine Gedanken kreisten um die milchweiße Haut, die er beim letzten heimlichen Besuch an der Aue erblickt hatte, an nichts anderes hatte er mehr denken können in den letzten Tagen, erfüllt von der leisen Hoffnung, sie vielleicht heute noch einmal zu Gesicht bekommen.

    Er wusste, dass es ein großes Risiko war, überhaupt hier zu sein, denn würde er von seinem Abt entdeckt, dann wären ihm gewiss Monate des Bettpfannenleerens sicher, und es gab wirklich nichts auf der Welt, das er weniger gern tat.

    Andererseits wusste er schon lange, dass er eigentlich nicht ins Kloster gehörte, es war ganz und gar nicht der richtige Ort für ihn, dachte er.

    Es lief ihm ein wohliger Schauer über den Rücken, als er die Augen öffnete und plötzlich die milchweiße Haut in der ruhigen Biegung des Flusses aufblitzen sah, er wollte sie berühren, mit seinen Fingerspitzen, seinen Händen, seinen Lippen und Wangen, sie liebkosen und streicheln, sagen, was er dachte und fühlte, endlich in das Gesicht blicken, dass er noch nie von Nahem gesehen hatte.

    Es wurde ihm heiß und kalt, beschämt dachte er schnell an all den Rost am Klosterzaun, den er heute noch zu entfernen hatte, in der Hoffnung, seine ketzerischen Gedanken würden weniger schnell Einlass in sein Herz finden, auch wenn ihn dieses Gefühl so faszinierte wozu nichts anderes bisher imstande gewesen war.

    Dann, einer Eingebung folgend, schob er die Zweifel energisch beiseite, er überwand sich, sein Lebensglück war ihm wichtiger als jede Konvention, jede Regel, jede Strafe, er kletterte aus seinem Versteck in den Rosenbüschen und glitt fast lautlos ins Wasser, wo er sich seiner Kutte entledigte, jetzt oder nie.

    Sanft tippte er der wohlgeratenen Statur auf die Schulter, strich über den muskulösen Rücken, sein Herz schlug bis zum Hals, er konnte sich nicht vorstellen, das man ohne Hintergedanken so freizügig Baden ging.

    Es war der Abt, der sich umdrehte, ihn kräftig an den Schultern packte und ihn anlächelte.

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    • Oh, dann auch dir danke für deine Wortauswahl 😊

      Ja, irgendwie passt das auf nem Mama-DIY-Nähblog mit Hang zum Quatschen nicht so wirklich. Aber ich habe echt Feuer gefangen (haha) und würde meinen Senf gern trotzdem dalassen 😅😄🙈

      Ein Hoch auf die Kommentarfunktion 😇

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      • Genau dafür gibt es die Kommentarfunktion, jedenfalls bei mir 😉
        Schön, dass du dabei bist, und wenn du in Zukunft keine „blogkonformen“ Etüden schreibst, kannst du sie gern in die Kommentare bei der Schreibeinladung posten!
        Liebe Grüße
        Christiane

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        • „Elitezirkel“ erschreckt mich jetzt bisschen … 😉
          Ich kümmere mich um meinen Blog, und wer auf meinem Blog kommentiert, muss mit einer Antwort von mir rechnen, so sehe ich das … Klar freut es mich, wenn die Wortspender ein Auge auf „ihre“ Woche halten, sehr sogar, ich nehme es aber nicht als Standard an. Und wenn ich ehrlich bin: Ich setze auch nicht bei allen Beiträgen, die ich woanders schreibe oder wo ich länger kommentiere, einen Kommentarverfolger drauf.
          Was die Aktion angeht … ja, auch dran gedacht, es wäre echt ein Argument dafür.
          Liebe Grüße
          Christiane

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          • Hihi, ich ein elitärer Literaturblogger … 😀
            Aber stimmt schon, ich habe keinen Kunstblog, die Schwelle ist hier niedriger, schon klar.
            (Welche vier Wochenenden? Nein, ich habe mir vorgenommen, die Schreibeinladungen nicht mehr anzufassen, wenn sie durch sind. Ich mache viel auf meinem Blog und ich mache es gern, aber irgendwo (HIER) ist eine zeitliche Grenze.)

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  9. Ich bin dabei, mich durchzuwieseln 😊

    Habe einen furchtbaren Hang dazu, sehr lang und ausführlich zu schreiben, die Etüden sind eine perfekte Übung im pointierten Kurzhalten.

    Wird nicht meine letzte Geschichte sein 🤗

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