Namen tanzen | abc.etüden

Sternenwandern? Das war ja fast so schlimm wie seinen Namen zu tanzen. Er hatte vor Jahren ohne Bedauern seine Familie hinter sich gelassen, in der man zumindest Letzteres leider nicht brüllkomisch fand. Als Informatik-Student kurz vor dem Diplom lebte er gut damit, nicht mehr ständig von seinem Umfeld gefragt zu werden, ob er in der Oberstufe noch andere Fächer als Klatschen, Singen und Tanzen gehabt hätte.

Aber da war Marie, süß, Biologiestudentin und nervtötend alternativ, die eine Vorliebe für fliederfarbene Hippie-Klamotten hatte und immer ein bisschen nach Räucherstäbchen roch. Marie, die ihn anstrahlte und mit ihrem Lachen machte, dass sein Hirn aussetzte und er wie der komplette Vollidiot in der Gegend herumstand. Die gefragt hatte, ob er mit ihr zum Sternenwandern wolle, sie sei so gern mit ihm zusammen.

Sein Schicksal schien ihm besiegelt. Er atmete tief ein, fühlte seinen Widerstand zu Bruchstücken zerfallen und nickte. Namen tanzen war eigentlich gar nicht so schlimm.

 

abc.etueden schreibeinladung 10.17 3 | lzVisuals mit freundlicher Genehmigung von ludwigzeidler

 

Hab gerade Sehnsucht nach heiler Welt, was Cooles fällt mir nicht ein. Sei es drum.

Sternenwandern, Bruchstücke, fliederfarben. Schreibeinladung zu Kürzestgeschichten, 3 Worte in maximal 10 Sätzen, Woche 10/ 17, Gastgeber ist der Herr hinter dem Textstaub, Wortspenderin in dieser Woche die Frau Westendstorie.

 

 

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28 Kommentare zu “Namen tanzen | abc.etüden

  1. Cool ist eh so überholt wie die Pläne von gestern. Aber eine dennoch feine Geschichte um die Hingabe und die Liebe. Immer wieder.
    Der Zauber entlässt uns nicht.

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  2. Ich glaube, die Vorurteile gegen Waldorfschulen/-pädagogik sind überall und altersunabhängig. Meiner Erfahrung nach ist zumindest die Eso-Szene mit den Steiner-Leuten stark verquickt; aber mein Protagonist tut ja nun nach außen so, als habe er mit dem Auszug seine Waldorf-Vergangenheit weeeeeeit hinter sich gelassen, ob Marie also davon weiß, ist durchaus nicht gesagt.
    Liebe Grüße
    Christiane

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    • Ja, das denke ich auch. Man lässt die Kindheit nie ganz hinter sich. Ist auch *gut* (bitte durch geeigneteres Wort ersetzen) so, diese Erfahrungen machen Identität aus, auch wenn man es eher negativ sieht.
      Daher denke/dachte ich auch, dass ein ehemaliger Waldorf-Schüler mit einer Hippie-Räucherstäbchen-Tante ganz gut können sollte und würde ihnen beiden so ein Alt-68er-Herkunftsmilieu unterschieben.

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      • Deine Erfahrungen unbenommen, aber ich glaube eigentlich nicht, dass eine Waldorf-Kindheit so ein großes Drama ist, wenn alle anderen Parameter einigermaßen stimmig waren.

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      • Hier in HD war eigentlich von Anfang an klar, was da geschehen war und es auf einen anderen als einen Deutschen zu schieben war der pure Unsinn …

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  3. Es kommt einfach darauf an, wie du auf die Dinge schaust. Mit den Augen Maries betrachtet ist dein Protagonist auch mit dem „Namentanzen“ ausgesöhnt 🙂 Tatsächlich sind die Vorurteile immer noch diesselben, mein Sohn ist 17 und die Waldorfschule direkt neben seinem Gymnsium…er selber war im Waldorfkindergarten und ich hätte es gerne gehabt, dass er auf die Waldorfschule geht. Ich finde das Konzept wunderbar, aber er wollte nicht. Der Kindergarten war einfach toll, ich würde es immer wieder so machen. Die Eurhytmie ist ja nur ein kleiner Teil, was einfach schön ist, dass nicht nur Kopfarbeit geleistet wird sondern auch viel Kreatives und Handwerkliches vermittelt wird. Hingegen im Lehrplan der staatlichen Schulen Bildende Kunst und Musik nur jedes 2. Jahr drankommt, weil im G8 gar kein Platz mehr ist dafür. Zumindest in Baden-Württemberg ist das so. Die meisten Vorurteile gegen die Waldorfschule kommen von den Leuten, die noch nie eine von innen gesehen haben.
    Liebe Grüße Carmen

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    • Ha, den letzten Satz unterschreibe ich sofort, und geärgert habe ich mich mehr als einmal darüber.
      Dass man als junger Mensch genervt ist, auf ein Vorurteil reduziert zu werden (mein Protagonist) und endlich untertauchen will, ist, denke ich, ein Selbstgänger. Auch, dass ihn dieses Mädchen anspricht, die auch nicht gerade der coole, glatte Mainstream ist.
      Heute würde ich sagen, dass ich gern selbst auf eine Waldorfschule gegangen wäre, aber damals gab es das schlicht nicht in erreichbarer Nähe, und es wäre vermutlich am Geld gescheitert …
      Ich finde es übrigens gut, dass du deinen Sohn hast entscheiden lassen.
      Liebe Grüße
      Christiane, die G8 für ziemlichen *bittehöflichesWortfürSchwachsinneinsetzen* hält

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      • G8 ist in der Tat Schwachsinn – ich habe ein Riesenglück, dass Benedict – mittlerweile- so eine stoische Grundhaltung hat und das Schulthema dennoch mit beträchtlichem Erfolg durchzieht.Aber es blieb der Klavierunterricht auf der Strecke, er hat kaum mehr Zeit bzw. Energie mal ein Buch zu lesen, das nicht auf dem Lehrplan steht. Die wenige freie Zeit braucht er tatsächlich zum ERHOLEN. Dafür ist er dann mit 17 mit dem Abi durch – super 😦 Als ob er mit 17 besser wüsste was er machen will als ich damals mit 20 (habe einmal geparkt).Und zum Thema Waldorfschule: ich wäre die perfekte Waldorfschülerin gewesen – aber bei uns gab es keine in der Nähe und vermutlich wäre es auch am Geld gescheitert. Ich bin ja auch ein typisches Kind der 60er Jahre, die erste in der Familie, die Abi gemacht hat usw. Damals war für Mädchen aus Nicht-Akademiker-Familien maximal die Realschule vorgesehen, denn „sie heiraten ja doch, dass lohnt sich nicht“. .Ist alles noich gar nicht soooo lange her –
        mit lieben Grüßen aus dem völlig verregneten Schwabenland
        Carmen

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        • Richtig, sie heiraten ja doch, die Mädchen *nicknicknick*. Wobei wir dann damit auch den gestrigen Weltfrauentag abgehakt hätten.
          Und was mensch wirklich tun will … also ich habe das auch mit 25 nicht gewusst, da allerdings hatte ich dann schon ein paar unerwartete Talente entdeckt, die meinen Horizont erweiterten …
          Hier ist alles grau in grau, noch ohne Regen, aber der ist angesagt.
          Ganz liebe Grüße zurück
          Christiane

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  4. Das mit der Sehnsucht nach der heilen Welt mag ja sein, Christiane. Toll fnde ich, dass deine kleine Geschichte trotzdem nicht auf ironische Brechung verzichtet. („… nicht mehr ständig von seinem Umfeld gefragt zu werden, ob er in der Oberstufe noch andere Fächer als Klatschen, Singen und Tanzen gehabt hatte.“)

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    • So war es auch gemeint, ironisch, aber das mit dem Klatschen und Singen ist ein Standardspruch über das Niveau der Waldorfschulen. Ich dachte, derartiger Unsinn wäre längst überholt, aber dem scheint nicht so zu sein.
      Ich mag diese kleine Form total gern, obwohl ich ohne Vorgabe dazu neigen würde, hemmungslos(er) auszuufern … 😉
      Liebe Grüße
      Christiane

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  5. Schöner Text…ich mag den Duft von Räucherstäbchen…
    und dieses Wahnsinnsgefühl, das weiche Knie macht und Herzflattern und dazu führt, daß man zwar auf keinen Fall was Falsches sagen möchte, aber die Worte sich beim Denken schon verwirren, wenn man in so glänzende Augen schaut…
    liebe Grüße

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  6. Sie ist einfach nur wunderschön, Deine kleinen Geschichte, liebe Christiane, die ganz und gar nicht cool ist und genau so ist sie auch gut und gefällt mir sehr.
    Es passte alles, fügte sich leicht und harmonisch in den Rahmen ein und ich könnte schwören, daß Du sie in kurzer Zeit unbeschwert und locker geschrieben hast.
    Sie ist wie aus einem Guß und so sollte eine solche Geschichte sein.

    Läüchelnde Grüße von Bruni

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