Scheitern | abc.etüden

Ihre Freundinnen hatten sie schon gewarnt gehabt, dass das Ende manchmal sehr banal daherkäme. Das hatte sie ihnen nicht so recht geglaubt, warum auch? Sie hatten gemeinsam das Haus gebaut und abbezahlt, die Kinder groß gezogen und zu prächtigen Menschen heranwachsen sehen, die wiederum eigene Familien gründeten, hatten Krankheiten überstanden, die ihnen beiden Angst eingejagt, sie aber auch zusammengeschweißt hatten. Immer hatten sie gemeinsam nach vorn geblickt. Dachte sie.

Als er anfing, für den besser bezahlten Job länger zu arbeiten und öfter mal auf Dienstreise zu gehen, belegte sie Yogakurse. Es schien beiden gutzutun.

Bei einem ihrer hässlichen Streits, die in der Folgezeit immer häufiger aufbrachen, bezeichnete er ihren Yogalehrerkurs als Jodeldiplom. Da er das völlig ernst gemeint hatte – sie kannte ihn schließlich lange genug –, realisierte sie endlich, dass sie vielleicht in die gleiche Richtung geschaut, aber einander aus den Augen verloren hatten, und brach zusammen. So ein kleiner Satz: eine Stilblüte, nichts als eine traurige Fußnote in der Geschichte ihrer Scheiterns.

 

2017_46.17_zwei_lz | 365tageasatzadayVisuals: ludwigzeidler.de

 

Für die abc.etüden, Woche 46.17: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von Petra Schuseil (wesentlichwerdenblog.wordpress.com) und lauten: Stilblüte, banal, jodeln.

Als Nicht-mal-Süddeutsche habe ich wenig Bezüge zum Jodeln, und der stärkste scheint bei mir tatsächlich das Jodeldiplom zu sein, an dessen Erfinder Bernd in seiner Biographie-Etüde erinnert hat …

 

27 Kommentare zu “Scheitern | abc.etüden

  1. O, Christiane, das ist ein ganz starker Text. In zehn Sätzen mit solch ausgefallenen Wörtern hast du eine der unendlich vielen banalen aber tief traurigen „Geschichten einer Ehe“ eingefangen. Chapeau!

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  2. Was soll ich dazu noch sagen nach all den wissenden Kommentaren? 😉
    Yessss. So isses.
    Vor allem der „Yogalehrerkurs“ !!! ist ja was anderes als die Yogastunde, gell?
    Schön bzw. sehr gut geschrieben!!
    Danke!
    Herzlich aus der Sonne
    Petra

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    • Genau. Zwischen „Ich tu mal was für mich, ich mach jetzt Yoga“ und dem YogaLEHRERkurs liegen Welten, auch zeitlich, zumindest sollte es so sein. Ich danke dir für das aufmerksame Lesen und Anmerken!
      Liebe Grüße
      Christiane

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  3. och, so ein Ende nach scheinbar so vielen Jahren.
    Sie merkte es spät, aber dann ging nichts mehr von ihrer Seite und das war´s dann mit dieser langjährigen funktionierenden Ehe, die eben noch unauflösbar schien …
    Wie souverän Du diese drei Worte untergebracht hast, Respekt, Respekt, liebe Christiane

    Herzlichst, Bruni am späten Abend

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    • Die Frage ist ja auch, wohin sich der Mann abends immer (öfter) abgesetzt hat, liebe Bruni …
      Ich weiß, dass es passt, aber ich bin mit den drei Wörtern nicht so recht glücklich, jedenfalls nicht mit der Stilblüte, und das Jodeldiplom hätte ich auch gern als Verb gehabt, wenn ich schon dabei bin.
      Aber das IST Meckern auf hohem Niveau, ganz sicher.
      Liebe Grüße
      Christiane

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