Vom Schenken und allerlei Festlichkeit

Die erste alte Tante sprach

Die erste alte Tante sprach:
Wir müssen nun auch dran denken,
Was wir zu ihrem Namenstag
Dem guten Sophiechen schenken.

Drauf sprach die zweite Tante kühn:
Ich schlage vor, wir entscheiden
Uns für ein Kleid in Erbsengrün,
Das mag Sophiechen nicht leiden.

Der dritten Tante war das recht:
Ja, sprach sie, mit gelben Ranken!
Ich weiß, sie ärgert sich nicht schlecht
Und muß sich auch noch bedanken.

(Wilhelm Busch, Die erste alte Tante sprach, aus: Kritik des Herzens, 1874, Online-Quelle)

Bürgerliches Weihnachtsidyll

Was bringt der Weihnachtsmann Emilien?
Ein Strauß von Rosmarin und Lilien.
Sie geht so fleißig auf den Strich.
O Tochter Zions, freue dich!

Doch sieh, was wird sie bleich wie Flieder?
Vom Himmel hoch, da komm ich nieder.
Die Mutter wandelt wie im Traum.
O Tannebaum! O Tannebaum!

O Kind, was hast du da gemacht?
Stille Nacht, heilige Nacht.
Leis hat sie ihr ins Ohr gesungen:
Mama, es ist ein Reis entsprungen!
Papa haut ihr die Fresse breit.
O du selige Weihnachtszeit!

(Klabund, Bürgerliches Weihnachtsidyll, aus: Die Harfenjule, 1927, Online-Quelle)

Weihnachten

Nun ist das Fest der Weihenacht,
das Fest, das alle glücklich macht,
wo sich mit reichen Festgeschenken
Mann, Weib und Greis und Kind bedenken,
wo aller Hader wird vergessen
beim Christbaum und beim Karpfenessen; —
und Groß und Klein und Arm und Reich, —
an diesem Tag ist alles gleich.
So steht’s in vielerlei Varianten
in deutschen Blättern. Alten Tanten
und Wickelkindern rollt die Zähre
ins Taschentuch ob dieser Mähre.
Papa liest’s der Familie vor,
und alle lauschen und sind Ohr…
Ich sah, wie so ein Zeitungsblatt
ein armer Kerl gelesen hat.
Er hob es auf aus einer Pfütze,
dass es ihm hinterm Zaune nütze.

(Erich Mühsam, Weihnachten, Erstdruck in: Der Krater. Berlin (Morgen) 1909, Online-Quelle bei der Erich-Mühsam-Gesellschaft)

Schenken

Schenke groß oder klein,
Aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten
Die Gaben wiegen,
Sei dein Gewissen rein.

Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei
Was in dir wohnt
An Meinung, Geschmack und Humor,
So daß die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.

Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
Daß dein Geschenk
Du selber bist.

(Joachim Ringelnatz, Schenken, aus: Allerdings, 1928, Online-Quelle)

 

Quelle: Pixabay

 

Auch zu Adventüden-Zeiten gibt es die Montagsgedichte! Heute mal eher die despektierlichere Variante zur Erinnerung daran, dass man sich (auch) zu Weihnachten eben oft nur aushält. Ich hoffe wie üblich, dass besonders die Autorin der heutigen Adventüde mit meiner Auswahl leben mag, und auch, dass ihr es gelungen findet …

Kommt gesund und sowieso heiter in und durch die Woche und habt gelungene, schöne und entspannte Tage, falls wir uns vorher nicht mehr lesen!

 

47 Kommentare zu “Vom Schenken und allerlei Festlichkeit

  1. Warum sollte es Weihnachten anders sein als sonst oft im Alltag -:))) Friede-Freude-Eierkuchen eher selten, denn irgend was ist immer -:))
    Bei mir wird es ganz friedlich, denn ich glaube kaum, dass ich mir mit mir selber in die Haare gerate -:)))
    Den letzten Ringelnatz habe ich schon oft weitergereicht, ich mag das Gedicht sehr gern.
    Lieber früher Morgengruß zu Dir vom Dach , ich muß schnell ins Bad, das Becken ist frei ……

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  2. Ringelnatz bringt es auf den Punkt.

    Witzig war dieses Jahr, als ich einen Freund beschenkte, der fast am gleichen Tag Geburtstag hatte wie ich.
    Ich brachte ihm eine gute Flasche Wein und ein feines Büchlein mit, er einen discounter-rotwein.
    Heute lache ich drüber.

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  3. Danke, Christiane, für deine Geschenkgedicht-Geschenke, die du ganz Ringelnatzisch, ausgewählt hast „herzlich und frei… Was in dir wohnt An Meinung, Geschmack und Humor, So daß die eigene Freude zuvor Dich reichlich belohnt“. So müssen Geschenke sein. aber gelegentlich sind sie wie die der drei Tanten. Hab Dank für die feineAuswahl übers ganze Jahr und jetzt wieder. Fröhliche Tage dir!

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    • So müssen Geschenke sein, Gerda, ob groß oder klein, ich bin furchtbar müde, etwas schenken zu müssen, weil man das tut … 🤔
      Ich überlege, ob ich noch ein paar Gedichte nachschiebe, die hier waren zur Erheiterung (nicht nur 😉) und zur Unterstützung der Adventüde gedacht. Ich freue mich immer wieder, dass „meine“ Gedichte so viele berühren, denn eigentlich habe ich damit ursprünglich primär zu meiner Freude begonnen, die ich teilen wollte … 😁❤️
      Fröhliche Tage auch dir, egal, wann (und ob) du feierst, und danke! 😁🪔🍷🌟👍

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