Bargespräche, die zweite | abc.etüden

Ein anderer Abend. Bar, Tanzabend, laute Musik.

„Komm her, Puppe“, lallte er ihr ziemlich betrunken ins Ohr, „weißt du eigentlich, wie bezaubernd du aussiehst, mein Täubchen? Tanz mit mir. Nur einmal, ja?“

Im schummrigen Licht der Tanzfläche bewegten sich dicht an dicht gedrängte Pärchen. Sie erduldete seine Wurstfinger, schob mehrmals energisch eine zudringliche Hand fort und war alles in allem erleichtert, als das Stück endete.

„Belästigt dich der Kerl etwa, Schätzchen?“ Die Barfrau. Kühl. Souverän.

Der Kerl nahm die Einmischung übel und brüllte prompt los.

„Was glaubst du eigentlich? Das ist doch meine Sache, wie ich mit der Dame hier spreche! Mach uns lieber noch ein paar Whiskys, aber flott, sonst bist du schneller entlassen, als du dich entschuldigen kannst!“

Er zog etwas metallisch Glänzendes aus der Tasche und knallte es auf die Bar. Eine Pistole!
In was für einem schlechten Roman bin ich hier denn gelandet, dachte sie schockiert, und erwartete unwillkürlich, dass irgendjemand loskreischen würde.
Die Barfrau seufzte. Nahm ein Handtuch, legte es kopfschüttelnd über die Waffe und verstaute sie außer Sichtweite. Seine Augen wurden glasig, als er seinen Whisky auf ex kippte. Dann sackte sein Kopf schwer auf den Tresen.

„Geh jetzt besser, Schätzchen.“ Die Barfrau drängte. „Hast du alles?“

„Ich muss noch mal …“ Sie wies mit dem Kopf nach hinten, griff nach ihrer Handtasche, rutschte von dem Barhocker und verschwand. In der Toilette leerte sie mit einem schnellen Griff sein Portemonnaie und ließ es vor der „Herren“-Tür unauffällig zu Boden gleiten – und erstarrte.
Im Türrahmen stand die Barfrau.

„Ich wäre glücklich, wenn deine Art des Geldverdienens variabler wäre“, sagte die. „Der Typ kann mir echt Ärger machen. Aber du weißt, dass ich mich immer freue, wenn du vorbeischaust, Liebes.“

Ein Küsschen auf die Wange. Dann trat sie nach draußen und winkte sich ein Taxi heran.

 

abc.etüden 2019 38+39 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Für die abc.etüden, Wochen 38/39.2019: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Worte stammen dieses Mal von Alice und ihrem Blog „Make a choice Alice“ und lauten: Roman, variabel, entlassen.

Das ist doch … jawohl, die gleiche Pointe. Weil man das sonst nicht macht. Und irgendwie doch anders. Das musste so.

Und wer mein vorläufiges Fazit zu dem Triggerwarnungsgedöns verpasst hat, kann das hier nachlesen.

 

34 Kommentare zu “Bargespräche, die zweite | abc.etüden

    • Um Kreditkarten verscheuern zu können, braucht man Connections, die ich ihr nicht andichte. Ich weiß nicht mal, ob sie davon lebt, oder ob das eine Nebeneinnahme ist … 😉
      Du weißt, diese Leute, die man manchmal in seinem Kopf findet … 😁
      Liebe Grüße und danke 😀🌧️👍
      Christiane

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  1. Das Wort „variabel“ kommt hier gut zum Einsatz: fast wörtliche Wiederholung der ersten Episode – und dann der kleine Hiatus durch die Barfrau. Wozu braucht die Dame eigentlich das viele Geld? Ist sie Alleinerziehende, oder was? 😉

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    • Ich habe keine Ahnung, liebe Gerda. Wie ich an Werner schrieb: Diese Leute, die man irgendwann in seinem Kopf so findet …
      Plötzlich hatte sie eine Art Verhältnis mit/zu der Barfrau. Interessant auch, dass wir beide pralle Portemonnaies assoziieren – zahlt man heutzutage in teuren Bars nicht auch schon mit Karte? Ist das also keine teure Bar?
      Eigentlich wollte ich nur das Ende noch mal verwenden, dann dachte ich mir, ob/dass das langweilig wäre und eine Ablenkung reinmüsste, so kam die Barfrau ins Spiel.
      Ich warte mal, ob da noch was auftaucht.
      Liebe Grüße zurück
      Christiane, bei der es regnet

      Gefällt 4 Personen

  2. Liebe Christiane, mir gefällt diese zweite Variante sehr, für mich ist sie runder als die erste.
    Pssst, am Anfang aber dachte ich, ob hier nicht ein Triggerhinweis angebracht gewesen wäre – Fluestermodus aus.
    Liebe Grüße
    Ulli 🌞

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    • Danke, liebe Ulli, das ist sie für mich auch – runder, die Figur hat sich zwischen gestern und heute entwickelt …
      [Flüstermodus on] Ich habe auch daran gedacht, mich aber dann dagegen entschieden: Kommt in diesem Text Gewalt vor? Nein, nicht mal angedeutet. Findet sexueller Missbrauch statt? Nein – okay, der Typ wird aufdringlich, aber sie kann sich zur Wehr setzen, auch in der Situation. [Flüstermodus off]
      Hab einen wunderbaren Tag!
      Liebe Grüße
      Christiane 🌞

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  3. *lach`*, ein spitzenmäßiges Ende, liebe Christiane
    Auf jeden Fall kennen beide sich gut, könnten ein Paar sein, wer weiß, oder Cousinen, Tante und Nichte?
    Ich kenne mich in Bars nicht so aus, kann mir die Situation aber ziemlich gut vorstellen und denke auch, daß hier die dicken Brieftaschen/Geldbeutel überwiegen.
    Auf den Konten kaum Geld, die Kreditkarten nicht gedeckt. Hier geht Bares von Hand zu Hand.
    Aber vielleicht irre ich mich auch
    Mit lieben Grüßen zur Nacht,
    Bruni, müde vom Regentag

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    • Es ist natürlich eine Frage, was für eine Bar das ist, da sind die Unterschiede so groß wie bei Restaurants. Aber Bruni, du hast einen möglichen Braten natürlich schon gerochen, du bist echt gut! Das überleg(t)e ich tatsächlich! 😉
      Liebe Grüße zur Nacht zurück
      Christiane, die heute im Regen spazieren war

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    • Ich hab gerade extra noch mal nachgelesen: Ich beschreibe sie nicht. Würdest du mir beschreiben, wie du sie siehst? Denn natürlich habe ich ein Bild vor Augen … Spannend. 🤔👍
      Liebe Grüße
      Christiane 😁

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      • Ja, das machte es ja so interessant. Denn also die Dame sagte: „Belästigt dich der Kerl etwa, Schätzchen?“ hatte ich sofort ein Bild vor dem Auge, dem geistigen. Keine Ahnung warum. Etwa so:

        Einen halben Kopf größer als die Protagonistin. Komplett in schwarz inkl. Haare. Einige Silberringe an den Fingern. Agil und drahtig. Bedacht-souveränes Auftreten. Markant-kantiges Äußeres, aber nicht unattraktiv. Irgendwie noch jung aber in diesem Job so erfahren, dass ihr keiner was vormacht.

        Ich kann dir nicht sagen wessen Bild ich hier zeichne. Ich melde mich wenn es mir einfallen ist, so nach dem Motto: „na so wie xxx im Film xxx“ 🙂

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    • Ja, sie hat sich an einem Tag mächtig entwickelt 😉
      Super, das mit der Pointe! Genau das hatte ich beim Schreiben nämlich gehofft, dass es meinen wertgeschätzten Leser*innen so geht, wie du es beschreibst. Vielen Dank! 👍
      Liebe Grüße
      Christiane 😁👍

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  4. Pingback: Schreibeinladung für die Textwoche 40.19 | Extraetüden | Irgendwas ist immer

  5. Spannende Frau. Bei der ersten Etüde war ich noch nicht so neugierig, da fand ich die Pointe zentraler, aber jetzt wüsste ich doch schon gerne mehr über sie. 😉
    Grüße, Katharina

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