Von Freundschaft

Geschminckte Freundschafft

Hände küssen, Hüte rücken,
Knie beugen, Häupter bücken,
Worte schrauben, Rede schmücken,
Wer, daß diese Gauckeley,
Meinet, rechte Freundschafft sey,
Kennet nicht Betriegerey.

(Friedrich von Logau, Geschmünckte Freundschafft, aus: Salomons von Golaw Deutscher Sinn-Getichte erstes Tausend, Desz ersten Tausend sechstes Hundert, 25., entstanden 1640/41, Online-Quelle)

Dein wahrer Freund

Dein wahrer Freund ist nicht, wer dir den Spiegel hält
Der Schmeichelei, worin dein Bild dir selbst gefällt.
Dein wahrer Freund ist, wer dich sehn lässt deine Flecken
und sie dir tilgen hilft, eh Feinde sie entdecken.

(Friedrich Rückert, Dein wahrer Freund, 203., aus: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2, 1837, Online-Quelle)

Dem fremden Freunde

Es war Dein Wort ein blitzend Schwert,
Das für mich stritt;
Es war Dein Wort der Seele Schrei,
Die für mich litt.
Die herbe Thräne war Dein Wort,
Geweint um mich;
Ein guter Engel war Dein Wort,
Der nimmer wich!
Dein Wort, es gab mir neuen Muth,
Es drang befreiend stolz zu mir;
Du Fremder, sieh mein schlichtes Wort,
Es dankt zu tausend Malen Dir!

(Ada Christen, Dem fremden Freunde, aus: Aus der Asche (Letzte Lieder), 1870, Online-Quelle)

Sieh, ich war so oft allein

Sieh, ich war so oft allein,
Und ich lernte gleich den Zweigen,
Gleich dem Stein,
Träume wachen, Worte schweigen.

Denke, daß ich Dichter bin.
Eure Sonne ist nicht meine.
Nimm als Freund mich hin,
Wenn ich dir auch fremd erscheine.

Laß mich lauschen aus der Ferne,
Wenn ihr tanzend schwebt,
Daß auch ich das Schwere lerne:
Wie man narrenglücklich lebt.

(Joachim Ringelnatz, Sieh, ich war so oft allein, aus: Gedichte, 1910, Online-Quelle)


Quelle: Pixabay


Kommt alle gut und heil in und durch die neue Sommerwoche!


30 Kommentare zu “Von Freundschaft

  1. Ich lese Ringelnatz nur auf deinem Blog – warum eigentlich? Alles, was ich lese, gefällt mir. Das sollte mir einen Hinweis geben 🙂 Viele Grüße und guten Start, hoffe, die Wandertour war bei der Hitze nicht zu auslaugend.

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    • Mein Standardspruch ist, dass Ringelnatz unterschätzt wird und dann meistens in die Kategorie „lustig“ sortiert wird. Nichts könnte mehr falsch sein, Ringelnatz‘ scheinbar heitere Tünche überlagert oft Tiefe und Bitterkeit. Er hat sehr kämpfen müssen und war bestimmt nicht einfach 🤔 … aber er hat geliebt 🧡. Noch unbekannter ist er übrigens wohl als Maler. 🖼️
      Wir haben beide gestern nicht unseren besten Tag gehabt. Es war gar nicht so brüllaffenheiß, wenn man auf das Thermometer geschaut hat, kam uns aber wärmer vor. Die Strecke allerdings war bis auf ein Teilstück wirklich schön. Mittwoch mehr!
      Auch dir einen guten Start in die neue Woche! 👍
      Morgenkaffeegrüße 🌞🌳☕🍪🌼👍

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      • Toll, wie du die Erinnerung an ihn aufrechterhältst. Ich habe das nun in meinem Hinterstübchen gespeichert. Von alleine wäre ich nie daraufgekommen. Das freut mich sehr, und auch auf deinen Bericht. Wahrscheinlich hat Luftfeuchtigkeit und Schatten-Licht-Rhythmus nicht gepasst. Hier in Berlin war es fast unerträglich (aber das Licht!!)

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        • Und dabei habe ich noch nicht mal angefangen, von Kuttel Daddeldu und Harry Rowohlt zu schwärmen! 😎 Ich habe mal eine sehr eigenwillige Biografie über ihn gelesen, anders als die, die ich sonst mag, aber komischerweise ist sie bei mir angedockt und hat mir unerwartet einen Zugang zu diesem Mann ermöglicht … 🧡
          Ich kann das mit der Luftfeuchtigkeit und dem Licht-Schatten-Rhythmus nicht zusammenbringen und vermutlich auch nicht mehr nachvollziehen. Vielleicht war es einfach nicht so ganz unser Tag … 🤔

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  2. Guten Morgen!
    Diesmal gefällt mir der Ringelnatz gar nicht so wie sonst. In diesem Gedicht kommt er bei mir ziemlich überheblich an: „Denke, dass ich Dichter bin, Eure Sonne ist nicht meine“ Holla! Und dann nennt er diejenigen, die Leichtigkeit im Leben haben auch noch, „narrenglücklich“.
    Ich versteh ja schon, was er meint, und kann es auch nachvollziehen, und es gibt auch demütigere Töne: „Nimm als Freund mich hin“ oder „Dass auch ich das Schwere lerne“. Aber alles in allem hat mich dieses Gedicht eher abgestoßen als berührt…
    Die geschminckte Freundschaft gefällt mir dagegen richtig gut. So alt und altertümlich, und doch zeitlos aktuell. Und dass es das Bild mit den geschraubten Worten schon im 17. Jahrhundert gab, lässt mich staunen. Vielleicht stammt es ja sogar von Logau…
    Liebe Grüße, Stefan

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    • Moin, Stefan, du liest das Gedicht ganz anders als ich, das finde ich spannend. Ich empfinde es als die Bitte eines Ausgegrenzten: Habt mich trotzdem lieb, obwohl ich weiß, dass ich ein bunter Vogel und anders bin als ihr. Ja, da schwingt auch Stolz mit („Ich bin halt so, das ist auch gut so“), aber ich lese es vor allem als Selbsterkenntnis: Ich bin nicht wie ihr, aber ich brauche euch – eine zweischneidige Sache. 🤔
      Logau: Freut mich, dass du ihn magst, ich habe schon ein paar seiner Gedichte in den Montagsgedichten, er ist immer bedenkenswert. Ich würde gern viel häufiger Barockgedichte in den Montagsgedichten zitieren, ich empfinde sie oft als sehr klar und unserem Gefühl leicht verständlich, aber dafür müsste ich mehr in diese Richtung lesen, und die Zeit fehlt mir …
      Sei ganz herzlich gegrüßt und komm gut in die neue Woche! 🌞🌳☕🍪🌼👍

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  3. Eine spannende Auswahl zum Thema, das offenbar schwierig ist. Alle drei scheinen sich keines Freundes sicher zu sein. Es gibt Vorbehalte, Bedingungen, Betteln um. Das zweite ist so übertrieben enthusiastisch und zugleich einseitig, dass es mich misstrauisch macht. Freundschaft, so wichtig, scheint noch schwerer zu erringen und zu halten als Liebe. Warum ist das so? Vielleicht weil Freundschaft altruistisch und zugleich gegenseitig sein muss. Das sind hohe Ansprüche. Es gibt keinerlei Kitt außer der wechselseitigen Zuneigung und Wertschätzung

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    • Ich finde tatsächlich, dass es ein großes Thema ist, Freunde zu gewinnen und zu halten, denn oft währen Freundschaften länger als Ehen/Beziehungen. Meine Auswahl soll wie immer unterschiedliche Aspekte beleuchten. Ich bin sowohl bei Logau als auch bei Rückert, ich habe mich bei Christen auch gefragt, was da wohl passiert ist, dass ihr ein „fremder Freund“ die Stange gehalten hat und sie sich so überschwänglich bedankt; und letztlich Ringelnatz, der dazugehören und geliebt werden möchte, obwohl er nicht so ist wie die, die er anspricht … 🤔😉
      Freut mich, dass du meine Auswahl spannend findest.
      Herzliche Mittagskaffeegrüße ⛅🌳☕🍪🌼👍

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  4. Hallo liebe Christiane, Freundschaft, ja, das Thema beschäftigt mich auch immer wieder, wenn sie sich gerade mal wieder verändern, beginnen oder enden, seufz. Liebe Grüße plus Kaffee und Keks, Annette

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    • Und manchmal tut das ziemlich weh, liebe Annette, genau. Wenn man es schafft, mit einem gewissen Abstand ranzugehen, kann das eine enorme Bereicherung sein, aber ach, ja … 😏
      Herzliche Mittagskaffeegrüße, gerne mit Keks! ⛅🌳☕🍪🌼👍

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  5. Rückert beschreibt einen Aspekt der Freundschaft, den ich sehr wichtig finde und auch viel schwieriger als das Süßholzraspeln. Sehr schlecht beraten ist jemand, der/die berechtigte und wohlgemeinte freundschaftliche Kritik nicht annehmen will/kann.
    Ringelnatz verstehe ich sehr gut, ich kann da keine Arroganz entdecken, ganz im Gegenteil. „narrenglücklich“ ist ja etwas, was er selbst anstrebt, also wohl positiv gemeint, als Leichtigkeit trotz allem. Das passt ja auch hervorragend in unsere Zeit und die aktuelle Situation.
    Logau ist so wunderbar gerade heraus und treffsicher und weit entfernt von süßlichem Enthusiasmus ……

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    • Das Problem bei der Kritik ist oft die Art, mit der sie vorgetragen wird, auch von wirklich Wohlmeinenden. Erinnere dich: Ratschläge sind auch Schläge. 😉
      Ansonsten bin absolut Rückerts Meinung; und ich freue mich, dass du zu Ringelnatz‘ Narrenglück offenbar das gleiche Gefühl hast wie ich.
      Und Logau ist eine kalte Dusche … 🚿
      Erfreute Nachmittagskaffeegrüße 🌤️🌳☕🍪🌼👍

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      • Ich weiß nicht recht, mit diesem Spruch „Ratschläge sind auch Schläge“, den ich übrigens gar nicht kannte bevor ich ihn in diversen Blogs gelesen habe, kann ich nicht viel anfangen. Ich finde, dass Ratschläge lästig sein können, dass sie manchmal Grenzen überschreiten, dass man manche ganz hirnverbrannt findet etc aber „Schläge“ … Klar sollte man sich die Mühe machen, seine Bemerkungen so vorzutragen, dass die andere Seite sie auch annehmen kann. Manchmal wird das nicht gelingen, so gut de Absicht auch sein möge.
        Doch das Narrenglück halte ich für durchaus positiv, ein Narr ist auch nicht unbedingt etwas Negatives, je nach Epoche …..

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        • Als ich noch zur Schule ging, geisterte dieser Spruch schon rum, meine Erinnerung nach auf „duplo“-Bildchen etc., so viel zur Herkunft. Ich benutze ihn dann, wenn ich unangemessene Ratschläge meine oder das Vorbringen selbiger in einer kontraproduktiven Art, mit der sich der Gutmeinende selbst ein Bein stellt (noch einer aus der Kiste: Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“. Ist auch was dran und auch oft falsch.)
          Die Rolle des Narren ist durch die Zeiten vielfältig, ja, ich weiß … 😉

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  6. Schwierig, hier das herauszusuchen, was einem wirklich als das *beste* scheint, liebe Christiane.
    Ich habe vor und zurück gelesen, natürlich auch ganz besonders Ringelnatz und Ada Christen, aber Friedrich Rückert sprach mich doch am allermeisten an.
    Freundschaft, ein schwieriges Ding. Manchmal schläft eine mangels Pflege ein und manchmal gibt es dumme Mißverständnisse, die eine Freundschaft zerstören…

    Liebe Grüße zum Abend von Bruni an Dich

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