Davongekommen | abc.etüden

„Willst, feines Mädchen, du mit mir gehn?“ Ihre Mama hatte ihr beigebracht, höflich zu Erwachsenen zu sein, aber der Mann brabbelte die ganze Zeit schon so merkwürdiges Zeug und guckte so komisch. „Ich gebe dir fünf Mark, ach was, ich gebe dir zehn Mark. Weißt du, was du dir für zehn Mark alles im Kramladen kaufen kannst?“

Zehn Mark war sehr viel mehr als ihr normales Taschengeld, so viel war sogar ihr klar, nur wusste sie nicht, warum er ihr das Geld schenken wollte, daher schwieg sie verwirrt.
„Aber damit wir uns verlustieren können, lass uns zu meinem Auto dort vorne gehen, ich muss dein Geld noch holen.“ Er hielt ihr einladend die Hand hin.

Sie sah misstrauisch zu ihm hoch; und plötzlich verwandelte sich sein freundliches Gesicht in eine grinsende Fratze und sein Arm sah aus, als hätte er lange Krallen am Ende statt Finger.
Da bekam sie Angst und schrie laut: „Nein, ich will nicht, ich will dein blödes Geld nicht, hau ab, du stinkst, ich will dich nie, nie, niemals wiedersehen!“
Als sie losrannte, konnte er sie nicht festhalten, und als sie sich umsah, kurz bevor sie in die Abkürzung zwischen den Gärten einbog, war der alte Mann verschwunden wie Rauch.

 

lz abc.etueden schreibeinladung 2 gerdakazakou 22.17 | 365tageasatzadayVisuals: ludwigzeidler

 

Wieder mal eine Geschichte von der Nachtseite, ja …

Für die abc.etüden, Woche 22.17: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von Gerda Kazakou (gerdakazakou.com) und lauten: verlustieren, Kramladen, Angst.

 

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32 Kommentare zu “Davongekommen | abc.etüden

  1. Gott sei Dank konnte sie davonlaufen, da hat ihr Schutzengel aufgepasst. Leider passen nicht immer alle Schutzengel auf ihre Schutzbefohlenen gut genug auf, denn sonst gäbe es nicht so viel Elend mit Kindern.
    Einen guten Tag zu dir

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      • Als ich 7 war, sprach mich ein mittelalter (vielleicht 35) Mann an, hinkte sehr stark und bat mich, einen Brief für ihn im Haus in einen Briefkasten zu werfen. Damals gab es noch keine Hausbriefkästen. Ich ging bis in den obersten Stock. Als ich mich umdrehte, stand er auf der Treppe unter mir und versuchte, mir unter den Rock zu fassen.
        Wie ich es schaffte, an ihm vorbei zu rennen, weiß ich nicht – vielleicht hat mich auch mein Schutzengel getragen.
        Ich hatte nur gelernt, nichts Süßes von Fremden zu nehmen, aber nicht, nicht hilfsbereit zu sein.
        Diese Masche von ihm war „unschlagbar“.

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        • Was für ein Glück, dass dein Schutzengel wachsam war! Hast du das zu Hause erzählt, erzählen können? Wie haben deine Eltern reagiert?
          Und ja, nicht hilfsbereit zu sein habe ich auch nicht gelernt 😉

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          • Ich bin ja ohne Vater aufgewachsen, da dieser tödlich verunglückte, als ich 8 Monate klein war.
            Und meine Mutter war mir zu „prüde“ oder sonst was. Nein, ich habe es nicht erzählt.
            Heute finde ich, dass das blöd war, wir hätten zur Polizei gehen sollen.

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          • Ja, heute, heute ist eine andere Zeit und ein anderes Bewusstsein für so was.
            Ich hatte das, ehrlich gesagt, vermutet. Ich bin ja auch nicht mehr jung, und ich hatte auch Eltern, mit denen ich als Kind „darüber“ nicht gesprochen hätte. Tja.

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  2. in solchen Geschichten tut ein Happy End doppelt gut! Ich kenne die Situation auch aus eigener Erfahrung, es lief ähnlich ab, Du hast es perfekt beschrieben.

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  3. es ist ja schon wieder einmal alles gesagt, liebe Christiane, mein timing gleicht gerade einem Schneckchen und doch … ich sags: gut, dass sie weggelaufen ist! Diese fiesen Kerle, ob nun bekannt oder unbekannt!
    ich grüße dich herzlich
    Ulli

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    • Ich find die Häuserträger ja unglaublich hübsch, liebe Ulli, aber stimmt schon, Hundertmeterläufe gewinnen sie nicht … aber macht ja nichts!
      Ja, diese fiesen Kerle, das ist eine vielköpfige Hydra, dieses Problem …
      Liebe Grüße zum Abend
      Christiane

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  4. Was ein Alptraum – aber meine Gedanken gehen bei Kramladen irgendwie auch in eine gruselige Richtung 😉 Interessant was manche Worte so suggerieren. Abgesehen davon – selbst wenn ich gesteinigt werde – ich würde es meinem Kind vorlesen – alles was es von Fremden Männern weg hält.

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    • Dass jede/r, der nicht selbst kaputt ist, alles versuchen würde, damit das seinem Kind nicht passiert, ist klar, darüber müssen wir nicht diskutieren.
      Aber die Statistik belegt, dass Übergriffe zu einem erschreckend hohen Prozentsatz von Bekannten oder sogar Familienmitgliedern durchgeführt werden. Ich halte das für ein noch viel schlimmeres Problem, als vor dem „bösen/fremden Mann“ zu warnen, denn wie bringst du das deinem Kind bei?
      Bedrückte Grüße, was das Thema angeht
      Christiane

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    • Der Anfang ist (frei nach) Erlkönig, werter Herr autopict, war dir klar, ja? Ansonsten danke für das Kompliment und auch dir FF (fröhliche Fingsten oder: Fiel Fergnügen *duck*)!
      Grüße vom nassen Rand der Welt
      Christiane
      Nachtrag: Dein Kommentar war die Nummer 16.000, gerade gesehen. Nun habe ich bestimmt die Hälfte aller Kommentare selbst verzapft, aber dennoch finde ich das eine stolze Zahl.

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      • 16 Tausend! Verrückt, muss mal bei mir sehen….
        Ansonsten, um ehrlich zu sein ist mir das mit dem Erlking nicht mal aufgefallen, ich bin da eben einfach ein wenig grob gestrickt. Aber jetzt wo du es sagst… tut dem ganzen aber keinen Abbruch.
        Grüße während des Wartens auf ein Gewitter aus dem schwülwarmen Süden…

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        • Ich dachte, dass es dir vielleicht vage bekannt vorgekommen wäre und du aber nicht wüsstest, woher. Hat man ja oft. Das mit dem „grob gestrickt“ weise ich für dich zurück, das glaube ich nicht. Man kann nicht alles wissen.
          Hier ist nachmittags doch noch die Sonne rausgekommen. Nicht durchgehend strahlend, aber so viel, dass es Spaß machte, draußen zu sein.
          Entspannte Abendgrüße
          Christiane

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