Früher hatte sie sich gern vorgestellt, wie es wäre, beim Käpt’ns Dinner am Arm von Sascha Hehn oder auch Siegfried Rauch den Speisesaal zu betreten. Top gekleidet und gestylt, mit High Heels, auf denen sie natürlich nicht wie ein Storch im Salat stelzen würde, liebreizend und witzig, eine Freude für alle, die sich mit ihr unterhalten wollten, selbstverständlich viele an der Zahl …
Sie seufzte kurz auf.
„Ist Ihnen nicht gut?“, erklang sofort eine besorgte Stimme neben ihr. „Wollen wir aufbrechen?“
„Nein, nein“, wehrte sie ab und ruckelte ein bisschen auf der Bank herum, „alles in Ordnung.“
Ihr Rücken tat weh. Ihre Füße taten weh. Wenn sie ehrlich war, sah sie erheblich weniger, als sie zugab, und den leicht rutschigen Weg hierher hatte ihre Begleiterin, wie hieß sie gleich, Gabriele, Karin, Olga, eben „gemeingefährlich“ genannt. Gefährlich, pah – aber sie war wirklich nicht mehr die Jüngste.
Heute roch der Fluss anders und die Geräusche klangen nicht so wie sonst, sondern dumpfer, irgendwie wattiger. Wie sie ihre Bank liebte, an der die großen Schiffe vorbeifuhren und manchmal tuteten. Nur deshalb kam sie jeden Tag hierher, saß ein wenig da und hing ihren Träumen nach. Träume, die sie nie jemandem erzählt hatte, weil man das nicht tat.
Ihre einzige Kreuzfahrt fiel ihr ein, damals, mit dem angehimmelten Mann, der sie beeindrucken wollte. Das war ihm leider gelungen. Der Luxus hatte sie geblendet und sie auch vergessen lassen, dass auf Versprechen Taten folgen mussten.
„Gehen wir“, sagte sie abrupt und stand auf, „ich mag den Nebel heute nicht.“
Gabriele deckte ihre Schutzbefohlene mit einer Decke zu, weil die sich vor dem Abendessen noch ein wenig hinlegen wollte. Was hatte sie bloß mit „Nebel“ gemeint? Den ganzen Tag war es klar und sonnig gewesen. Sie hörte die alte Frau tief durchatmen. Dann war es still.
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300 Wörter
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir
Für die abc.etüden, Woche 39/40.2018: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Worte stammen dieses Mal von Anna-Lena und lauten: Kreuzfahrt, gemeingefährlich, stelzen.
Oh….. traurig…. und gut geschrieben. Ich mag deine Etüde, auch wenn sie mich traurig stimmt. Liebe Grüße
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Ich war selbst überrascht, als ich merkte, dass die Etüde keinerlei Lust hatte, heiter oder wenigstens bisschen bösartig zu sein. 😉
Ist dann eben so. Das Leben ist nicht nur witzig.
Liebe Grüße
Christiane
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Ja, traurig ist sie – das sehe ich auch so -, aber trotzdem, der Abschluss ist ein ‚Abgang‘, den sich jeder erträumt, leise und still.
Liebe Grüße dir,
Anna-Lena
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Ja, das dachte ich dann auch, als mir klar wurde, dass es darauf hinauslief, und habe mich gefragt, ob das nicht zu glatt war. Hm. Ein anderes Mal. Heute darf sie so bleiben.
Liebe Grüße
Christiane
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Wieso zu glatt? So etwas gibt es doch 🙂 .
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Ja, zum Glück. Aber es gibt auch „schweres“ Sterben, was ich keinem und keiner wünsche, und manchmal denke ich, das wäre auch realistisch.
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Liebe Christiane, du hast viele Zwischenräume zum Weiterdenken gelassen, das gefällt mir sehr.
Herzliche Grüße, Ulli
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Manchmal frage ich mich, ob die Kunst nicht im Weglassen besteht, liebe Ulli, dass jede/r hineinlesen kann, was er oder sie möchte. Ja, da sind viele Geschichten verborgen, wie immer am Ende eines Lebens.
Liebe Grüße
Christiane
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Ich glaube schon, dass dies (weglassen) den Unterschied zu einem wirklich guten Text und anderem macht, ich übe das immer wieder bei den Miniaturen und kurzen Zeilen …
herzliche Grüße, Ulli
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Ich übe auch (und frage mich gerade, ob das eine Technik ist, und ob die einen Namen hat, alles hat doch einen Namen) …
Hab einen schönen Feiertag!
Liebe Grüße
Christiane
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Da müsstest du vielleicht einmal Jutta fragen, ich glaube fast, dass dieser Stil namenlos ist, aber ich bin auch keine wirkliche Theoretikerin 😉
herzlichst, zum dritten und auch dir einen guten 3. Oktober gewünscht, Ulli
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Ach, gute Idee! Danke dir!
(Zum dritten Mal: Aller guten Dinge sind drei!)
Liebe Grüße
Christiane
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und hat es keinen, bekommt es einen 🙂
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😉
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Ja, schön leise und absolut realistisch, wer weiß schon, was sich in den Köpfen von (alten) Menschen abspielt
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Inzwischen schließe ich von mir auf andere und interpretiere gewisse Infos neu 🙂
Dafür fehlt mir die Jugend. War neulich im Supermarkt im gleichen Gang wie zwei Jungs, die ständig „Digger“ sagten, und dachte, ey, die reden ja wirklich so!
Liebe Grüße
Christiane 😉
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Ja, wer weiß schon, was sich inden Köpfen von Menschen abspielt! Ich nehme an, Myriade, vei alten Menschen spielt sich genauso Vielfältiges ab wie in jungen Köpfen. Die Vorstellung, Altsein bedeute zwangsläufig Resignation und Trauer über verpasstes Leben, liegt genauso daneben, wie der, der glaubt, Kindheit sei grundsätzlich fröhlich. Ich war Kind und ich bin jetzt alt – ich hab also die Übersicht. 😉
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Die Übersicht gehört eindeutig zu den positiven Punkten des Alters. Ich bin zwar auch nicht mehr jung, aber doch noch ein bissl von der ganz großen Übersicht entfernt
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genau! Du siehst eine Bevölkerungsgruppe vor dir, die „alt“ ist und zu der du noch nicht gehörst. Selbst ich habe damit so meine Probleme. Gestern zB traf ich „eine Alte“ und plauderte mit ihr und sie mit mir. Wie sie mich wohl sah? Sich als jung und mich als „die Alte“?
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Tja, Selbst- und Fremdwahrnehmung ist so eine Sache 🙂
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Fein. Nein, keine traurige Geschichte. Ein sanfter Tod. Ein Hinübergleiten. Die Kreuzfahrt des Lebens, endend mit dem Eintauchen in eine Nebelbank und Aushauchen des letzten Atems. | Statt „Weglassen“ spreche ich lieber vom „Andeuten“. | Liebe Grüße, Bernd
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Traurig sind immer nur die, die übrig bleiben. Verlust kann sehr schlimm sein. Es ist meine feste Überzeugung, dass das Sterben an sich nicht „schlimm“ ist. Die „Kreuzfahrt des Lebens“, schön gesagt, lieber Bernd!
Ja, „Andeuten“ finde ich auch gut, ist eine andere Perspektive als „Weglassen“. Danke dir!
Liebe Grüße, schönen Feiertag
Christiane
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Die Tiefe der Trauer hängt immer mit den Umständen im Einzelfall zusammen. | Große Geschichten (Literatur, Kino, Hörspiel) sind für mich entweder Geschichten, die in facettenreicher Sprache alles bis ins Kleinste ausleuchten ohne je geschwätzig zu sein. Oder es sind solche, die in wenigen Worten, in zarten Gesten, einer kurzen Veränderung der Mimik, also in treffenden Andeutungen, den Blick in den Abgrund oder den Gipfelsturm eines Lebens offenbaren; ich spreche dann gerne von der Austastlücke. | Danke gleichfalls & liebe Grüße, Bernd
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Ja. | Ja, stimme ich dir zu. Ich möchte gern so schreiben können, das ist so viel mehr als nur Technik. Ich suche meinen Weg.
Alles Liebe
Christiane
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Schön und zart geschrieben. Feines Ende!
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Danke dir!
Liebe Grüße
Christiane
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Ich finde deine Etüde sehr realistisch geschrieben. Ich habe auch in Seniorenheimen gearbeitet und so manches Mal habe ich die Bewohner noch an einem Tag scheinbar gesund und munter gesehen, und wenig später waren sie gegangen. Für uns jüngere Menschen war das oft überraschend, aber ich denke, für die älteren Menschen war es das nicht.
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Das finde ich interessant. Und wie du es wahrgenommen hast, gab es keinen Anlass, dass sie das Leben aufgegeben haben?
Ich kann mir vorstellen, dass ab einem bestimmten Alter der Tod sozusagen (sichtbar?) hinter der Hecke steht, und dass man ihn irgendwann bemerkt, willkommen heißt und mitgeht …
Liebe Grüße und danke
Christiane
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Ganz nah an den Bewohnern war ich als Buchhalterin natürlich nicht. Bei einer Frau ist mir zwei Tage vor ihrem Tod ein seltsam entrückter Blick aufgefallen, aber oft auch nichts. Ich mag die Vorstellung, mit dem Tod einfach mitzugehen, das hat so etwas Unkompliziertes.
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Muss ja nicht immer alles so kompliziert sein. Ich habe einfach keine Ahnung; aber Sterben ist normalerweise kein unkompliziertes Thema, vor allem nicht, wenn man als Angehöriger/engerer Kreis drinsteckt – und viele haben einfach keinen Zugang dazu, wenn sie nicht beruflich mit dem Tod in Berührung kommen.
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Eine feine Geschichte, liebe Christiane
Sie blickt zurück und denkt an ihre Wünsche, an ihr Leben, sieht Freude und Leid vorüberziehen und friedlich, nach einem letzten Gedanken, schläft sie ein – für immer
(Wieder aufzuwachen wäre nur eine überflüssige Last)
Du kannst es doch richtig gut, leise, behutsam anzudeuten und damit alle Leser wissen zu lassen, was geschah
Liebe Grüße zum Montagmorgen von Bruni
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Ich empfinde es immer als ein behutsames Balancieren, dieses Schreiben, liebe Bruni. Eure Rückmeldungen zeigen mir, dass und wie es gelingt, dann freue ich mich.
Liebe Grüße
Christiane
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Du hast auch mich kurz seufzen und dann eine Weile inne halten lassen. Schöne Etüde!
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Ja, es ist halt, wie es ist, und wenn ich das transportieren kann, bin ich zufrieden.
Freut mich, dass du sie magst.
Liebe Grüße
Christiane
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Schöne Etüde. Schöner Tod. Das Leben davor: nicht ohne Bitterkeit. Wie jedes Leben eben.
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Genau so ist es. Nichts Besonderes, nur eine kleine Welt unter den Millionen anderen.
Liebe Grüße
Christiane
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