03.12. – Nicht alltäglich | Adventüden

Auf dem Herd köchelte ein Eintopf für morgen und übermorgen. Wer hatte schon Zeit für allabendliche Kochrituale, wenn man das übliche Dezemberdilemma zwischen Ganztagsjob, Gebäckdose, Lametta und Weihnachtsputz entzerren wollte?

Wollte sie nicht immer mal dem trüben Vorweihnachtswinter mit seinen selbst- oder fremdauferlegten Zwängen entfliehen? Jetzt, wo ihre eigenen Kinder aus dem Haus waren? Vielleicht nächstes Jahr …

Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben, dachte sie, während sie ein wenig Cumin zum Eintopf gab. Kreuzkümmel, ihr Lieblingsgewürz für das wohlig-scharfe Gefühl im Bauch. Muskat hatte eine ähnliche Wirkung. Morgen würden sie in der KiTa Hefezopf backen zum Wochenende.

Was hatten die Kinder sich über ihre Adventskalender gefreut, die sie wie immer wohlbedacht mit Kleinigkeiten für den Alltag gefüllt hatte. Anderswo überhäuften fürsorgliche Eltern ihren Nachwuchs mit allem, was das Herz begehrte. Diese, »ihre« Kinder hatten wenig bis gar nichts, waren meist nur mit einem Elternteil auf unsicheren Wegen hier angekommen und verbrachten die ersten Wochen im neuen Land in einer Gemeinschaftsunterkunft.

Zum Kulturschock kamen die völlig neue Wohnsituation und die fremde Sprache, vom mitteleuropäisch grauen Wetter ganz zu schweigen. Der omnipräsente Sternenglanz verklärte die Realität höchstens.

Als sie ihren Korb für die Arbeit am nächsten Morgen richtete, fand sie darin ein sorgfältig zusammengefaltetes Blatt Papier. In einem großen Herz stand in krakeligen Druckbuchstaben »Für Klara von Nasir«. Was für eine goldige Liebeserklärung! Der kleine Tunichtgut hatte sie anfangs der Woche mit einem Sturz vom Klettergerüst ganz schön auf Trab gehalten. Kaum ging es ihm besser, hatte er sich trotz all ihrer Vorsicht mit der Laubsäge in den Finger geschnitten und sich danach tapfer ein Taschentuch auf die blutende Wunde gepresst, bis ihre Kollegin mit dem Verbandskasten kam. Wie ähnlich sich Kinder doch waren, egal, wo sie herkamen, dachte sie schmunzelnd, und das trotz all ihrer Erfahrung sicher nicht zum letzten Mal.


Autor*in: Ellen                    Blog: nellindreams


Adventüden 2022 03-12 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Adventskalender, Dezemberdilemma, Eintopf, Gebäckdose, Hefe, Lametta, Laubsäge, Liebeserklärung, Kreuzkümmel, Kulturschock, Sternenglanz, Sturz, Taschentuch, Tunichtgut, Weihnachtsputz.

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2022, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

31 Kommentare zu “03.12. – Nicht alltäglich | Adventüden

      • Die Besinnlichkeit wird manchmal überschätzt, glaube ich. Trubel gehört auch dazu, genau wie all die Dinge, die erledigt werden wollen. Ein seeehr schönes Adventstürchen heute! 😍 Guten- Morgen-Grüße in die Runde! 😊🍪☕

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        • Ich glaube, das ist wie immer die Frage nach dem Maß. Was den einen stresst, findet die andere gerade richtig und der*die Dritte langweilig – und das bei allen Tätigkeiten 🤔😉
          Ich kenne übrigens mehr Herren der Schöpfung, die jeglicher Art von „Besinnlichkeit“ eisern entfliehen … 🤔😉
          Ja, ein seeehr schönes Türchen! Herzliche Morgenkaffeegrüße ☁️🕯️☕🍪👍

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          • Hehe… unter meiner Wohnung treffen sich regelmässig Männer zu einem Männerabend. Da gibt´s Würstchen vom Grill und Bier, aber auch ein Feuer, was eigentlich nicht notwendig wäre, aber sehr besinnlich ist. Vielleicht muss es nur die richtige Umgebung sein. 😉

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          • Oh, Feuer! 🔥 Und überhaupt: Männer-Grillen auf dem Balkon, das ist ja schon ein Klischee für sich! Glaubst du nicht, dass so Begriffe wie „Besinnlichkeit“ viele Männer verunsichern, weil ihnen keiner beigebracht hat, wie das geht 😎 oder sie ihre Frauen schlicht nicht verstehen, was da von ihnen erwartet wird? 🤔

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          • Ich habe die Vermutung, dass Männer und Frauen unterschiedlich sind 😁 und deswegen unter Besinnlichkeit verschiedenes verstehen. Abgesehen von den üblichen Geschlechterklischees, die wir etwas älteren Menschen verinnerlicht haben wie das tägliche Zähneputzen. Bei den jüngeren könnte sich das ändern, aber wenn ich ehrlich bin, glaube ich, das dauert noch eine Generation.

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          • Ich kann es nicht beurteilen, was die jüngere Generation angeht. Aber ich denke, dass Männer und Frauen sehr unterschiedlich sozialisiert sind, nicht, dass sie wirklich unterschiedlich sind – wobei die Auswirkungen vermutlich ziemlich gleich sind 😉
            Auf jeden Fall ist es mühsam. 🕯️🕯️🍷🍪

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    • Wie so viele, die sich Mühe geben, das Lächeln zu verbreiten, genau. Und vielen ist kaum bewusst bzw. ziemlich egal, weil sie halt tun, was zu tun ist.
      Danke dir und noch mal Morgenkaffeegrüße und einen schönen 2. Advent ☁️🕯️🕯️☕🍩👍

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  1. Genau das ist Weihnachten mit all den Normalitäten. Tag für Tag die kleinen Glücksspitzen zu finden, Highlights, die den Alltag erträglich machen. Und Kondition braucht man eh, für Weihnachten und fürs ganze Leben. lg Doro

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  2. Pingback: Weihnachtspause | Irgendwas ist immer

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