09.12. – Wieder daheim | Adventüden

Tante Pamela, bitte erzähl uns was.«

Liebevoll stupst Pamela der kleinen Maisha an die Nase. Seit sie vor drei Wochen aus Europa zurückgekehrt ist, vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwer aus der Giraffenherde nach ihren Erlebnissen fragt. Vor allem die Kleinen können nicht genug bekommen. Maisha ist die wissbegierigste von allen.

Mal ehrlich: Wer kann schon dem bittenden Blick aus langbewimperten Kulleraugen widerstehen?

»Was möchtet ihr denn hören?«

Der kleine Tunichtgut Chali drängelt sich vor. »Vom Eiffelturm.«

Maisha schnaubt genervt. Was haben die Jungs nur immer mit den blöden Türmen?

Auch die anderen Junggiraffen, die jetzt dazukommen, wollen nicht schon wieder etwas über Gebäude hören. »Nein, erzähl doch bitte mehr über die Menschen. Was machen sie so? Gibt es bei ihnen auch Feste? Was und wie feiern sie?«

Pamela überlegt kurz.

»Ja, vor allem jetzt im Dezember wird in Europa zumindest viel gefeiert. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, wenn wir die Wintersonnenwende begehen, feiern die Menschen ebenfalls. Nur nennen sie es Weihnachten. Schon am Anfang des Monats beginnen sie, sich darauf vorzubereiten. So haben sie beispielsweise Adventskalender erfunden. Ab dem ersten Dezember schauen sie jeden Tag in diese Kalender. Manche zeigen täglich ein neues, kleines Bild. Es gibt solche mit Geschichten. In anderen steckt Schokolade, die das Warten auf Weihnachten versüßen soll. Überhaupt wird viel genascht, viele backen auch selbst Plätzchen und Stollen.«

»Was ist Stollen?«, fragt Maisha.

»Das ist ein Kuchen aus Hefeteig mit verschiedenen getrockneten Früchten.«

»Das klingt lecker, können wir nicht auch so etwas haben?« Der kleine Blaise ist ganz aufgeregt.

»Wenn du nicht immer alle Früchte sofort auffuttern würdest, vielleicht«, kichert Chloe und blinkert ihn übermütig an.

»Lasst uns Weihnachten spielen«, schlägt Maisha vor. Ein vielstimmiges Ja erklingt und schon galoppieren die Kleinen davon.

Pamela schaut hinterher. Es ist schön, wieder daheim zu sein.


Autor*in: Donka                    Blog: onlybatscanhang


Adventüden 2022 09-12 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Adventskalender, Dezemberdilemma, Eintopf, Gebäckdose, Hefe, Lametta, Laubsäge, Liebeserklärung, Kreuzkümmel, Kulturschock, Sternenglanz, Sturz, Taschentuch, Tunichtgut, Weihnachtsputz.

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2022, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Die Liebliche | abc.etüden

Was machst du denn um diese Uhrzeit auf dem Balkon?

Und was machst du hier?

Ich habe bei dir das Licht gesehen und wollte wissen, ob du wieder mondsüchtig wirst.

Ob ich schlafwandele? Hmmmmm, auf dem Dachfirst zu gehen habe ich noch nie ausprobiert.

Untersteh dich! Bitte!

SCHWEIGEN.

Konntest du nicht schlafen? Bist du aufgeregt wegen morgen?

Ein bisschen. Eigentlich habe ich gedacht, ich suche mal die Giraffe am Himmel. Gegenüber vom Polarstern übrigens. Aber es ist fast Vollmond, und die Giraffensterne leuchten nur schwach.

Ich wusste gar nicht, dass es ein Sternbild gibt, das Giraffe heißt.

Das deutsche Wort stammt aus dem Arabischen und bedeutet »lieblich«. Hübsch, nicht? Das Sternbild dagegen hat einen lateinischen Namen: Camelopardalis.

Warum Latein?

Wissenschaftssprache. Ursprünglich ist aber Julius Caesar schuld, der hat die erste Giraffe von einem Ägypten-Feldzug nach Europa mitgebracht.

Also nicht nur Kleopatra.

Ob Kleopatra so lieblich war? Die Römer dachten, dieses Tier wäre eine Mischung aus Kamel und Leopard.

Wegen der Flecken?

Ja, vermutlich. Die sogenannte Medici-Giraffe kam erst viele Jahrhunderte später als Geschenk nach Florenz, Ende des 15. Jahrhunderts, man hat sie auf Bildern verewigt, alle wollten sie sehen. Leider soll sie ihre Ankunft nur wenige Monate überlebt haben, es heißt, sie sei mit dem Kopf in den Balken eines extra für sie gebauten Stalls hängen geblieben und habe sich den Hals gebrochen.

Das passiert uns morgen nicht.

So groß bin ich auch gar nicht. Und wer weiß, wie oft ich noch Ausflüge machen kann.

Oma!

Was denn? Ich bin seit drei Tagen 84, auch wenn der Kopf noch funktioniert, der Körper will nicht mehr wie ich. Ich bin froh, wenn ich es morgen überhaupt bis zu den Elefanten, den Giraffen, den Affen und den Löwen schaffe. Wie vor 80 Jahren. Na ja, der Lauf der Welt. Gute Nacht, Kind.

 

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Für die abc.etüden, Wochen 18/19.2022: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende stammt dieses Mal von Myriade mit ihrem Blog La parole a été donnée à l’homme pour cacher sa pensée. Sie lautet: Giraffe, mondsüchtig, suchen.

Seit ich beim Herumstöbern zum Thema Sternbild Giraffe über den lateinischen Namen (Camelopardalis, Wikipedia-Artikel, da steht auch, warum/wie die Giraffe in den Himmel kam – nicht, dass nicht eh alle Giraffen in den Himmel kommen) gestolpert bin und dabei die Medici-Giraffe (Wikipedia-Artikel) entdeckt habe, war ich fasziniert und habe ein bisschen herumgelesen. Da hat es Ende des 15. Jahrhunderts eine Giraffe als Prestigegeschenk an Lorenzo di Medici, den De-facto-Herrscher von Florenz, nach Europa geschafft, natürlich aus politischen Gründen. Bündnispolitik. Ein knallharter Deal war also, was heute irgendwie rührend anmutet. Okay, auch Friedrich II. wird der Erhalt einer Giraffe untergeschoben, ca. 230 Jahre früher. Wirklich belegt scheint aber zu sein, dass der einen Elefanten hatte, bei der Giraffe ist die Quellenlage schwieriger (ein Datum für den Erhalt zu nennen, das 11 Jahre nach dem Tod des Herrschers liegt, erhöht die Glaubwürdigkeit des sonst sehr interessanten Artikels (engl.) diesbezüglich nicht; gab es da noch eine parallele Zeitrechnung? Hm). Und natürlich musste das Tier eine so robuste Gesundheit haben, dass es die Strapaze der Reise überstand, was bei Giraffen nicht so leicht war – Giraffen sind nun mal nicht wirklich kompakt. Und spätestens ab dieser Überlegung ist die Sache eigentlich nicht mehr rührend, sondern Tierquälerei. Dennoch: Exotische Tiere sind und waren Prestigeobjekte, sei es für Zoos oder für Privatpersonen.

Ich möchte zum Thema Zoo oder nicht Zoo hier bitte kein Fass aufmachen, ich sehe da viele (einander widersprechende) Aspekte und ich tue mich mit der Gewichtung schwer. Meine alte Dame freut sich jedenfalls auf einen Ausflug, den man ihr zu ihrem Geburtstag geschenkt hat und der sie an ihre Kindheit erinnert.

Hier ist übrigens das/ein Bild mit der Medici-Giraffe (Wikimedia Commons), schaut mal rechts oben, man geht davon aus, dass der Maler die Giraffe selbst gesehen haben muss.