Kaum war der Ballon butterweich und am vereinbarten Punkt gelandet, als Lukas auf seinen Vater losstürmte, der auch die Landung gefilmt und fotografiert hatte. Der umarmte ihn und gratulierte ihm und nahm ihn beiseite, um Stativ und Kameras ins Auto zu bringen, „bevor Mama kommt“, die sich tatsächlich noch mit einem Bekannten unterhielt und es gar nicht eilig hatte.
Er kam sofort zur Sache: „Ich wollte dir versuchen zu erklären, warum ich eben nicht mitgeflogen bin – ich hab Höhenangst. Als ich so alt war wie du, konnte ich wenigstens noch auf Bäume klettern, aber inzwischen wird mir richtig schlecht und schwindelig, wenn ich auch nur auf eine Leiter steige.“
Er verstummte abrupt und Lukas dachte nach, da ihm plötzlich klar wurde, warum sein Vater letztes Jahr auch nicht mit ihm Achterbahn gefahren war: „Warum hast du es mir nicht früher gesagt“, fragte er schließlich, „das ist doch wichtig?“
„Als deine Oma Kind war, ist sie auf der Flucht im Krieg beim Schwimmen fast ertrunken. Sie ist seitdem nie wieder einfach so im tiefen Wasser gewesen und fand das voll peinlich, weil sie es nicht geschafft hat; aber ich habe erst richtig schwimmen gelernt, als ich von zu Hause ausgezogen bin und nicht mehr das Gefühl haben musste, dass sie sich dann noch mehr für ihre Angst schämt, weil Schwimmen für mich nämlich so leicht und so toll war.
Verstehst du, dann habe ich gedacht, du sollst mal nicht so wie ich fremden Ängsten nachspüren müssen, nämlich meinen vor Höhe, du sollst das Ballonfahren einfach unbeeinflusst genießen können, denn du redest davon, seit du die Dinger am Himmel entdeckt hast; ich wollte dir diesen Kindheitstraum auf keinen Fall kaputtmachen und hab bis jetzt einfach die Klappe gehalten.“
Das war eine bittere, lange Geschichte in superkurzer Form heruntergehaspelt, und auch wenn er sich diese Sätze vorher zurechtgelegt hatte, war er sehr stolz auf sich und sehr erleichtert.
Sein Sohn schien die weitere Diskussion darüber allerdings glücklicherweise auf einen anderen Tag vertagen zu wollen, also legte er den Arm um ihn und sie gingen einträchtig Lukas’ Mutter entgegen.
Visuals: lz. (ludwigzeidler.de)
Ja, das ist die Fortsetzung von „Über Träume“, hier klicken, wer den ersten Teil nicht gelesen hat. Ich dachte, ich versuch es mal, aber so langsam hab ich die Nase voll von den Bandwurmsätzen. Himmel, so was könnte man viermal so lang und immer noch nicht ausreichend erzählen.
Für die abc.etüden, Woche 30.17: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von Anna-Lena (visitenkartemyblog.wordpress.com) und lauten: Stativ, Kindheitstraum, nachspüren.
Ich finde deine Bandwurmsätze überhaupt nicht schlimm, sie sind mir gar nicht aufgefallen. Schöne Fortsetzung. Geht’s noch weiter?
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Wenn sie dir nicht aufgefallen sind, habe ich mein Ziel erreicht, dann sind sie strukturiert genug. Im Moment geht es nicht weiter, jetzt ist ja erst mal Sommerpause angesagt, vielleicht danach im September, Pläne habe ich noch keine.
Am Sonntag startet allerdings das Etüdensommerpausenintermezzo, vielleicht hast du dazu ja auch Lust – ich wollte es schon mal ankündigen.
Liebe Grüße
Christiane
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Sehr gut!
Die Bandwurmsätze fallen wirklich nicht unangenehm auf, in der Geschichte passen sie gut zu den langen Gedankenketten, die der Vater sich vorher zurechtgelegt hat.
Ich weiß aber genau, was du meinst. Das Gute ist, dass man diesen Aufhänger hat und gute Gesellschaft. Man schreibt schnell und hat dann den Text. Überarbeiten kann man ihn für andere Zwecke immer noch. Es ist dann aber richtig schwer, die Bandwurmsätze wieder aufzulösen, finde ich.
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Also, ich würde es nicht schwierig finden, meine Bandwürmer wieder aufzulösen, glaube ich. Allerdings würde es den Text sehr verlängern, weil ich ohne Satzbegrenzung natürlich noch mehr ausschmücken würde.
Da hast du recht mit den Bandwurm-Gedankenketten, übrigens, das ist auch meine Meinung, deshalb habe ich den Hinweis eingebaut, dass er sich das vorher zurechtgelegt hat. Denn normalerweise bin ich nicht sicher, ob jemand das so dicht formulieren würde und nicht viel mehr herumdrucksen.
Liebe Grüße
Christiane
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Ja, die Einfügung fiel mir auf. Gut gemacht.
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Danke! 🙂
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Ja, so manches Trauma steckt tief. Wieder einmal schön gelöst, liebe Christiane.
Liebe Grüße
Anna-Lena
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Und zieht sich durch die Generationen, wie die Aufstellungsarbeit zum Beispiel lehrt. War mir vorher gar nicht so präsent.
Liebe Grüße aus dem sonnigen! Hamburg
Christiane
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Liebe Grüße zurück, auch mal bei Sonne.
Herzlich
Anna-Lena
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😉
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Sehr nachvollziehbar, Deine Fortsetzung, liebe Christiane.
Dein Stil ist sehr flüssig, Deine Personen sind authentisch und die Bandwurmsätze sind der Sache geschuldet
Also alles gut 🙂
Liebe späte Freitagabendgrüße von Bruni
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Vielen herzlichen Dank, liebe Bruni, auch für das Durchsteigen durch die Bandwurmsätze.
Späternächtliche Grüße
Christiane
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in diesem Falle bin ich sportlich 🙂
Schönes Wochende Dir mit Sonne statt Regen, liebe Christiane
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Dir auch, liebe Bruni! 😉
Liebe Grüße
Christiane
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