Regen weit und breit
Da draußen regnet es weit und breit.
Es regnet graugraue Verlassenheit.
Es plaudern tausend flüsternde Zungen.
Es regnet tausend Erinnerungen.
Der Regen Geschichten ums Fenster rauscht.
Die Seele gern dem Regen lauscht.
Der Regen hält dich im Haus gefangen.
Die Seele ist hinter ihm hergegangen.
Die Insichgekehrte ist still erwacht,
Im Regen sie weiteste Wege macht.
Du sitzt mit stummem Gesicht am Fenster,
Empfängst den Besuch der Regengespenster.
(Max Dauthendey, Regen weit und breit, aus: Gesammelte Werke, Bd. 2 „Aus fernen Ländern“, S. 588/589, Albert Langen, München 1925)
Erinnerung
Einmal vor manchem Jahre
war ich ein Baum am Bergesrand,
und meine Birkenhaare
kämmte der Mond mit weißer Hand.
Hoch überm Abgrund hing ich
windbewegt auf schroffem Stein,
tanzende Wolken fing ich
mir als vergänglich Spielzeug ein.
Fühlte nichts im Gemüte
weder von Wonne noch Leid,
rauschte, verwelkte, blühte;
in meinem Schatten schlief die Zeit.
(Ricarda Huch, Erinnerung, aus: Gedichte, 1894, Online-Quelle)
Betrachtung der Zeit
Mein sind die Jahre nicht die mir die Zeit genommen/
Mein sind die Jahre nicht/ die etwa möchten kommen
Der Augenblick ist mein/ und nehm’ ich den in acht
So ist der mein/ der Jahr und Ewigkeit gemacht.
(Andreas Gryphius, Betrachtung der Zeit, Epigramme. Das erste Buch, 1663, Online-Quelle)
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Wie jede Woche: Kommt gut und heiter in und durch diese Woche und diese merkwürdige Zeit!