24 – Die Cookie-Oma | Adventüden

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

 

Die Cookie-Oma (Christiane, Irgendwas ist immer)

 

»Und vergiss nicht, Oma Anne zu sagen, wie toll du ihre selbst gebackenen Plätzchen findest!«

Melanie verabscheute die obligatorischen Verwandtenbesuche über Weihnachten. Von wegen Weihnachtszauber: Am ersten Feiertag kamen ihre Eltern von weit, das war ehernes Gesetz. Mit einem Berg Geschenke (nun ja, danke) und Plätzchen, die selbstverständlich bei ihnen blieben. Als ob sie, Melanie, nicht backen könnte! Als ob über Weihnachten in dieser Familie jemals jemand Hunger gelitten hätte!

Ihr Sohn maß sie im Vorbeilaufen mit dem eisigen Blick des Spätpubertierenden. »Wenn ich entscheiden müsste, was ich den Vögeln im Garten hinstreue, dann wäre das ganz sicher nicht Oma Annes Gebäck«, tönte er.

Ach, wo war die Zeit geblieben, als dieses Kind mit einem Kuscheltier zufriedenzustellen gewesen war? Da werkelte sie Stunde um Stunde in der Küche, um ihre Lieben mit Naschereien verwöhnen zu können, und was tat dieser Banause? Erzählte ihr was von vegan und Nussallergie.
»Wenn überhaupt, dann hast du eine Nussunverträglichkeit«, hatte sie gekontert, »wäre ja auch kein Wunder, wenn man sich die Menge Nutella anschaut, die du so in dich hineinschaufelst!«

Okay.

So unflexibel wollte sie nicht sein, obwohl Großmutters Lebkuchen immer die besten bleiben würden. Online hatte sie bei einer COOKIE-OMA angesagte Plätzchenrezepte gefunden. Aber Bananen-Tonka-Plätzchen, Früchtetaler und Schokoladen-Orangen-Riegel? Himbeer-Kokos-Herzen? War das wirklich die Alternative?
Sie hatte diesem gehypten Zeug dann doch nicht getraut, frustriert ihren ewig gleichen Zimtsternen, Vanillekipferl und Spitzbuben den Vorzug gegeben und sich ein wenig für ihre Feigheit geschämt.

Draußen hupte es. Bestimmt die Eltern.

Zwanzig Minuten später starrte sie fassungslos auf die mitgebrachten Weihnachtsplätzchen.

»Ich habe ein neues Projekt«, verkündete ihre Mutter fröhlich. »Seit Carl im Ruhestand ist, beschäftigen wir uns nämlich mit gesunder Ernährung! Vor Weihnachten fand ich Backen passend. Auf Instagram heiße ich übrigens ›Cookie-Oma‹, toll, nicht? Kind? Du sagst ja gar nichts? Ist dir nicht gut?«

 

Adventüden 2019 24 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Ich möchte mich bei euch bedanken. Bei den Schreibenden der Adventüden natürlich zuerst, aber ebenso bei allen, die jeden (oder fast jeden) Tag vorbeigekommen sind, die gelesen, gelikt und vor allem kommentiert und sich eingebracht haben, und die mir damit gezeigt haben, dass ihnen die Etüden etwas bedeuten – und die Arbeit, die ich hineinstecke. Das bedeutet mir etwas.
Mir ist schon klar, dass einige von euch bereits in der Weihnachtspause sind, aber vielleicht lest ihr es ja trotzdem. Danke.

 

FROHE TAGE EUCH ALLEN, ob ihr feiert oder nicht!

 

Dieser Blog geht heute irgendwann ebenfalls in den Feiertagsmodus: Er schließt nicht, aber ich lasse ihn liegen, bis ich Lust habe, mich darum zu kümmern … Habt eine gute Zeit und passt auf euch auf!

Oh, und wenn ihr morgen Zeit habt: Elke hat mir eine Nachzügler-Etüde versprochen, und ich freue mich schon darauf. Also schaut rein!

Coming up next: Auf jeden Fall ein Adventüden-Resümee, aber wann ist noch nicht sicher.

 

UPDATE: Elke hat eine Nachzügler-Etüde eingereicht und auf mein Bitten erst heute (25.12.) veröffentlicht. Wer also noch nicht genug „Adventüden“ gelesen hat, der findet sie hier:

https://transsilabia.wordpress.com/2019/12/25/nachhaltigkeitsmarkt/

Es lohnt sich!

 

Falls wen die Lust packen sollte … die Rezepte. Achtung, ich habe keins davon selbst ausprobiert! Und nein, das ist keine (unbezahlte) Werbung für die Zeitschrift, die hatten nur die schönsten Fotos.

 

Bananen-Tonka-Plätzchen (vegan)

Früchtetaler (vegan)

Himbeer-Kokos-Herzen (vegan)

Schokoladen-Orangen-Riegel (vegan)

 

Spitzbuben

Vanillekipferl

Zimtsterne

 

23 – Dem Leben auf der Spur | Adventüden

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

 

Dem Leben auf der Spur (Anna-Lena, Meine literarische Visitenkarte)

 

Er war weder blaublütig, noch hatte er goldene Löffel in die Wiege gelegt bekommen, und trotzdem war er ein Kind aus bestem Hause, ein Einzelkind, dessen Eltern es mit viel Kraft und Elan, aber auch mit einer gehörigen Portion Arbeit zu Wohlstand und Reichtum gebracht hatten.
Hunger, Durst und Entbehrungen jeglicher Art waren ihm fremd, er hatte alles in seinem bisherigen Leben bekommen, was er wollte, und doch war er nicht glücklich – bis jetzt.

Es war an einem heißen Sommertag südlich von Kreta. Die Party auf der kleinen Segeljacht war in vollem Gang, als er die verzweifelten Hilferufe der Frau hörte. Immer wieder hielt sie ein kleines Bündel aus dem Wasser. Kurz darauf waren beide verschwunden. Alkohol und Koks hatten seine Sinne getrübt, und auch die anderen bemerkten entweder gar nicht oder zu spät, dass eine verzweifelte Frau mit ihrem kleinen Kind von einem Flüchtlingsboot ins Wasser gefallen und abgetrieben worden war und nun um das nackte Leben kämpfte.
Voller Entsetzen erinnerte er sich daran, dass sie irgendwann beide nicht mehr auftauchten und im weitläufigen Massengrab des Mittelmeeres versunken waren. Diese bitteren Erfahrungen holten ihn als nächtliche Träume immer wieder ein.

Das war die Wende in seinem Leben. Er hatte begriffen, dass er so nicht weiterleben konnte und wollte. Nach unsäglichen Auseinandersetzungen mit seinen Eltern, die ihm bereits einen Studienplatz an einer Eliteuniversität in den Staaten besorgt hatten, zog er nach seinem Abitur durch die Länder Europas, immer wieder nach dem Sinn des Lebens suchend.

Und nun stand er hier in der Suppenküche in Berlin-Pankow und teilte eine heiße Kartoffelsuppe aus an alle, die mit frischen Schneeflocken auf ihren Haaren oder ihren Pudelmützen frierend in den adventlich geschmückten Raum kamen, gekennzeichnet von der bitteren Armut in ihrem Leben und doch lächelnd vor Dankbarkeit für diese Zuwendung.
Es war Weihnachten.

 

Adventüden 2019 23 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir